Die philosophische Dimension des Romans \"Narziß und Goldmund\", speziell bezüglich der Frage: \"Was ist der Mensch?\" in Anbetracht der Umstände, die ihn umgeben und der Bindungen in die er involviert ist. Der Mensch ist einerseits schlichter Bestandteil der Natur, andererseits hebt er sich durch spezielle Eigenschaften und Fähigkeiten von anderen lebenden Organismen ab. Anzuführen wären diesbezüglich natürlich die Intelligenz und die Sprachfähigkeit, womit er das Privileg des Prädikats des \"Denkers\" sein Eigen nennen kann. Er nimmt die Natur und die sich dort abspielenden Ereignisse bewusst war, verarbeitet sie und ordnet sie in Kategorien ein, die sich mit der Zeit bei ihm herauskristalisiert haben. Das Wahrnehmen ist nicht nur ein Registrieren mit den Augen und Ohren sondern mit allen Sinnen, dies präzisiert die Einordnungen. Besagtes deckt aber nur den grundlegenden Teil des Menschen ab.
Insgesamt ist die Sache um einiges komplexer, facettenreicher und vor allem umfangreicher, alsdass ich ich hier eine hinreichende Definition darlegen könnte. Einen Knackpunkt möchte ich jedoch noch erwähnt haben: Die Freundschaft zwischen Menschen. Diese liegt den besagten Basisfähigkeiten des intelligenten Menschen zu Grunde. Erst die zwischenmenschliche Kommunikation ermöglicht es einander kennenzulernen, in Erfahrung zu bringen was der Andere sich erdacht hat und wieso er so handelt wie er handelt. Die natürliche Kategorisierung des menschlichen Verstandes ermöglicht nun die Differenzierung zwischen Freund und Feind und zwischen Seinesgleichen und Gegensatz. Wobei die Einordnung als Gegensatz, wie man am Beispiel der Protagonisten Narziß und Goldmund im gleichnamigen Roman erfährt, nicht die Freundschaft ausschließt.
Sie verfolgt in diesem Falle nur andersartige Ziele. Und zwar das Ziel des voneinander Lernens und Ergänzens. Eine engere Form der Freundschaft ist die Liebe. Auch hier gibt es zwei Möglichkeiten: \"Gleich und Gleich gesellt sich gern\" und \"Gegensätze ziehen sich an\". Für die Fähigkeit des Liebens müssen zunächst die Sinne und der Geist aktiviert und sensibilisiert werden. Im Buch geschieht dies durch den zarghaften aber bedeutsamen Kuss des Mädchens mit den Zöpfen auf dem illegalen Ausflug ins Dorf.
Goldmund öffnete sich danach mehr für das schönere Geschlecht. Sowohl sinnlich, also körperlich, als auch mental, also geistig. Das Zusammenspiel beider Komponenten könnte man dann als wahre Liebe bezeichnen, die pure Sinnlichkeit Liebelei und die leichte geistige Zuneigung Schwärmerei. Dieses Gebiet wird bei \"Narziß und Goldmund\" ausgiebig und facettenreich dargestellt. Die einzelnen Fragmente setzen sich in Goldmunds Kopf zusammen und bilden das einzig wahre, finale Bild der Menschenmutter. Dem zu Grunde liegt des Autor Hermann Hesses Privatleben und ein weiteres Element des menschlichen Lebens, die Kunst.
Sie ist eine Art Bonus, mit der sich selbsverwirklichungsbedürftige Menschen repräsentieren oder einfach etwas für die Nachwelt schaffen können. Hermann hesse tut dies indem er solch ein Buch schreibt und in dem Buch widerum tut es Goldmund indem er das Bild der Menschenmutter verwirklicht. Man könnte es auch als Art Ventil sehen, mit dem ein Künstler die, in ihm herumgeisternden Ideengeschwader kompensieren kann um den Geist zu befreien, zu bereinigen und die Möglichkeit der Horizonterweiterung zu rehabilitieren, indem der Fixpunkt allen Denkens von einem bestimmten Objekt genommen wird. Dies ist nur durch die Fertigstellung eines Werkes zu gewährleisten. Danach verfällt der Künstler temporär in ein psychisches Tief, oder aber ist quasi erlöst und hat seine Lebensaufgabe erfüllt wie Goldmund, dessen Tief oder Hoch, wie man will, der Tod ist. (C) Filesucker - 13.
06.2005
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