In dem Park, in dem Maria Elisabeth treffen wird, flackert in der Gefangenen ein
Hauch von Freiheit auf; die Natur, das Grün stimulieren sie.
Dann die Begegnung, der Höhepunkt des Dramas. Die dramatische Steigerung der in
zwei Aufzügen vorbereiteten Begegnung der beiden Königinnen ergibt sich aus dem
schrittweisen Sichtbarwerden und Durchbrechen der unverhüllten, von keiner
politischen oder königlichen Rücksicht mehr gehemmten Weiblichkeit: Die
Königinnen begegnen sich in ihrer nackten Existenz. Sie reizen sich gegenseitig
bis zum Höhepunkt, bis Maria zu dem letzten und tödlichen Gegenstoß ausholt,
tödlich für Elisabeth in moralischem Sinne, für Maria, indem sie damit ihr
Schicksal besiegelt. Sie trifft Elisabeth in ihrem persönlichsten Bereich,
ausgerechnet vor ihrem Liebhaber Leicester, und besiegt sie dadurch.
Der Weg, den beide Frauen zum dramatischen Höhepunkt gehen, ist verschieden.
Elisabeth gelangt sofort zu sich selber, greift Maria politisch und vor allem
persönlich an, die Schönheit Marias scheint am meisten zu Aggressivität zu
verleiten, es ist jene Schönheit, die sie Maria neidet - eine fast geradlinige
Steigerung.
Anders ist der Weg Marias. In einer für sie übermenschlichen, fast
unmenschlichen Beherrschung versucht sie durch Unterwürfigkeit, Berufung auf
Edelmut und Verwandtschaft, das Herz Elisabeths zu erreichen. Sie ist sogar
bereit, auf alle politischen Ansprüche zu verzichten. Erst nach wiederholter
Erniedrigung durch Elisabeth gelangt sie zu sich selber und greift ihre
Gegenspielerin schließlich auf allen Gebieten an. Ihr Haß bricht durch, doch
selbst dabei behält sie ihre Würde. Es ist jedoch noch keine Erhabenheit über
ihr Schicksal; man kann sie eher dem Pathetischen Schillers zuschreiben.
Sie ist Weib und Königin, Schönheit und Würde, Leidenschaft und Adel, alles in
einem Augenblick der Größe vereint, wie sie uns von den germanischen Helden
(Nibelungenlied) her vertraut ist.
\\\"Der 5. Auftritt ist mit der ganzen Schillerschen Lust an der Antithese und
radikalen Umkehr gestaltet. Elisabeth kam, um den Triumph über Maria, von der
sie als Weib so oft verletzt ward, zu kosten - Maria kam, um sich zu demütigen
vor der, die ihr nach dem Leben steht. Und die triumphieren will, wird
gedemütigt; die sich demütigen will, triumphiert, und zwar als Weib über das
Weib.\\\" (Eugen Kühnemann)
Im weiteren erfahren wir, daß außer Leicester auch Mortimer das Gespräch der
Königinnen belauscht hat. Er sieht in Maria nicht mehr die Königin, sondern nur
noch das Weib, das er zu besitzen begehrt.
Der Gang der Handlung steigert sich im 8. Auftritt in eine tragische Ironie, da
in dem Augenblick, als Mortimer den Rettungsplan vor Maria entfaltet, er gerade
durch einen Mitverschworenen vereitelt wird. Es ist ein Franzose, der auf
Elisabeth einen Mordanschlag verübt, der allerdings mißlingt.
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