Die Fabel wird in einer konkreten Situation und mit einer bestimmten Absicht erzählt. Am Beispiel des Aesop, dessen Fabeln untrennbar mit seinem Lebenslauf verbunden sind, lässt sich anschaulich der Realitätsbezug und die didaktisch - kritische Absicht der Fabel aufzeigen. Aesop zog durch die Länder Kleinasiens und Griechenlands - und erzählte seine Fabeln, in denen er soziale Ungerechtigkeiten und menschliches Fehlverhalten anprangerte. Selbst den Mächtigen gegenüber äußerte er Kritik in Form geistreicher Fabeln, und er versuchte, deren Verhalten durch seine Lehren zu beeinflussen. Dabei ergriff Aesop stets die Partei der Schwachen, Unterdrückten oder Misshandelten.
Seine kritische Haltung brachte Aesop häufig in Konflikt mit der Obrigkeit. Doch selbst in schwierigen Situationen äußerte er im Schutz der Fabeln seine Kritik. In Delphi geriet Aesop so in Streit mit der Priesterschaft, die seinen Einfluss auf das Volk fürchtete. Aus Angst vor dem Volk ließen die Priester ihn heimlich verhaften: Sie hatten eine goldene Schale aus dem Tempel des Apoll in sein Reisegepäck geschmuggelt und ihn als gemeinen Kirchenräuber verleumdet. Aesop wurde in den Kerker geworfen und zum Tode verurteilt.
Auf dem Weg zum Felsen, von dem Aesop hinabgestürzt werden sollte, erzählte er die berühmt gewordene Fabel von "Maus und Frosch\" - einerseits in der Absicht, seine eigene Situation zu veranschaulichen, andererseits, um die Priester zu warnen und sie von ihrem Vorhaben abzubringen.
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