Es ist zu berücksichtigen, dass \"Mathilde Möhring\" der letzte Roman Fontanes ist. Dieses in 17 Kapitel gegliederte Werk scheint viele Elemente früherer Werke zu kombinieren und enthält zu grossen Teilen autobiographische Elemente, auf die Fontane am Ende seines Lebens noch einmal zurückblickt. Fontane hat in diesem Werk viele der Probleme, die sich ihm im Laufe seines Lebens gestellt haben, noch einmal rückblickend analysiert und literarisch verwertet.
Hugo Grossmann's Konflikte kennt Fontane selber sehr gut. Als er 1876 seinen Posten als \"Ständiger Sekretär der Königlichen Akademie der Künste\" aufgibt, gerät er in eine ähnliche Situation wie Hugo. Seine Frau verzeiht ihm den Rücktritt von dieser Stellung nie mehr, da diese eine gesicherte finanzielle Zukunft garantiert hätte. Fontane rechtfertigt die Kündigung dieser Stelle in einem Brief an Mathilde von Rohr (man beachte den NAMEN !!!) wie folgt: \"Man kann nicht gegen seine innerste Natur und in jedes Menschen Herz gibt es ein Etwas, das sich, wo es mal Abneigung empfindet, weder beschwichtigen noch überwinden lässt\". Die Beamtenlaufbahn ist also weder für Grossmann noch für Fontane ein geeigneter Berufsweg. Der Unterschied ist allerdings, dass Hugo diesen Weg trotzdem geht und daran stirbt. Fontane hingegen hat rechtzeitig seinen Beruf gewechselt und ist Schriftsteller geworden. Seine Frau scheint auch eher an die finanziellen Vorteile zu denken, eine Eigenschaft, welche auch Mathilde hat.
Ich denke, dass Mathilde mit ihrem gebildeten Satz: \"In der Kunst entscheidet die Reinheit der Linie.\" Recht hat. Eine literarisch interessierte Person sollte sich voll und ganz der Literatur widmen, ein normaler Bürger sollte den bürgerlichen Karriereweg einschlagen. Rybinski und Schultze sind erfolgreich, der eine als Künstler, der andere als Rechnungsrat, weil sie in ihrem Beruf Erfüllung finden.
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