3.3.1. Inhaltlich
Nach den meist relativ autobiographischen Jugendgedichten wird das Thema der Judenvernichtung in Celans Gedichten (oft weiterhin verknüpft mit autobiographischen Elementen) bestimmend. Auch in "Todesfuge" ist explizit von "Juden" (als den Opfern) und von "Deutschland" (als Herkunftsland der Täter) die Rede, was die Thematik deutlich festlegt. Das vierzehn Jahre später entstandene Gedicht "Engführung" läßt sich ebenso als Text über die Judenvernichtung im Deutschen Reich lesen, erfährt aber insofern eine Ausweitung, als im Grunde jedes Verbrechen in der Geschichte (mit-)gemeint ist; insbesondere lassen sich Hinweise darauf finden, daß auch von der Gefahr eines atomaren Schlages, einer Atombombenexplosion gesprochen wird. Diese Art der Mehrdeutigkeit bestimmt das Wesen aller späteren Gedichte Celans. Außerdem läßt sich "Engführung" auch als metapoetisches Gedicht lesen, in dem die Ordnung der semiologischen Differenz (nach dem Zeichenmodell Saussures) einer Ordnung der ungeteilten Ganzheit gegenübergestellt wird. Die Verknüpfung von Sprachproblematik und historischer Erfahrung zieht sich durch das gesamte Spätwerk Celans.
3.3.2. Formale Aspekte und Sprache
Auf die Umsetzung des Fugenstils und der Technik der Engführung in den Gedichten wurde schon in den jeweiligen Interpretationen hingewiesen. "Todesfuge" verzichtet auf jegliche Interpunktion, bedient sich eines konsequent umgesetzten parataktischen Darstellungssystems und wiederholt und variiert - ganz dem musikalischen Prinzip der Fuge entsprechend - Satzteile und ganze Teilsätze.
In "Engführung" sind sowohl Interpunktion als auch Hypotaxe vorhanden. Allerdings präsentiert sich das Gedicht in einer besonderen typographischen Gestalt und verzichtet auf ein einheitliches lyrisches Subjekt (wie es noch in "Todesfuge" existierte ["wir"]) zugunsten von neun verschiedenen, einander ablösenden "Stimmen" . Die neun Stimmen verteilen sich auf neun Partien, die sich durch Vorstrophen, die Wortmaterial aus der jeweils vorangegangenen Strophe wiederholen, überlappen. Adornos Plan, den Weg des Bandes "Sprachgitter" von den "Stimmen" zur "Engführung" "als musikalische Gebilde zu erklären" fand Celan allerdings "eher belustigend" .
Während in "Todesfuge" immer wieder bestimmte Wortgruppen wiederholt werden, konzentriert sich "Engführung" auf die Wiederholung einzelner Worte: "Jahre. / Jahre, Jahre [...]". Besonders deutlich wird das in der fünften Partie:
"Kam, kam.
Kam ein Wort, kam,
kam durch die Nacht,
wollt leuchten, wollt leuchten.
Asche.
Asche, Asche.
Nacht.
Nacht-und-Nacht. - Zum
Aug geh, zum feuchten."
Das bewirkt eine Konzentration auf das einzelne Wort, wodurch dessen evokative Kraft und damit auch die Möglichkeit poetischer Erkenntnis gesteigert wird. Wieder wird deutlich, daß "Engführung" auf die Auslösung kreativer Impulse zielt.
Eine andere Funktion haben freilich die Wiederholungen in den jeweiligen Vorstrophen. Sie dienen dazu, die Übergänge zwischen den Partien zu verwischen; es soll - in deutlicher Anlehnung an die musikalische Technik der Engführung - eine "Fast-Gleichzeitigkeit" von Ende der vorangegangenen und Beginn der neuen Strophe (= Stimme) ausgedrückt werden, was durch die typographische Anordnung der Vorstrophen noch verstärkt wird.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist, daß sich in beiden Gedichten Reime finden lassen. In "Todesfuge" heißt es:
"der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau" (30f.)
Hier wird über die phonologische Ebene eine Identität angestrebt. Der Reim dient nicht zur Beschönigung, in ihm vollzieht vielmehr sprachmimetisch der Vorgang des Tötens.
In "Engführung" reimen im letzten Teil der sechsten Partie "kam", "Membran" und "schoß an", sowie in der fünften Partie "leuchten" und "feuchten". Interessant ist, daß es in einer Vorstufe der fünften Partie noch heißt:
"Es kam ein Wort, kam durch die Nacht,
wollt leuchten, wollt leuchten.
- Was Asche ist {,} ward, bleibt unentfacht, { - }
Zum Aug geh, zum feuchten!"
In einer überarbeiteten Fassung enden die Verse 1 und 3 beide auf "Nacht", bis in der Endversion das Wortmaterial auf zwei Strophen und neun Verse ausgedehnt wird und nur mehr "leuchten" und "feuchten" als erkennbarer Reim übrig bleiben, als einzige Verbindungslinie zweier gegensätzlicher Versgruppen.
Neologismen, die in Form von Komposita für die spätere Lyrik Celans kennzeichnend werden, finden sich in "Todesfuge" keine. In "Engführung" lassen sich hingegen durchaus einige ausfindig machen, etwa "Partikelgestöber", "Porenbau", "Tausendkristall" oder "Rauchseele". Schon Szondi machte auf die Mehrdeutigkeit dieser Komposita aufmerksam, in der er eine zusätzliche Steigerung der syntaktischen Ambiguität Mallarmés sah. Ab dem Band "Die Niemandsrose" lassen sich bei Celan vermehrt mehrteilige Nominalkomposita finden, "Engführung" markiert etwa den Wendepunkt.
Auch typische Schlüsselworte Celans finden sich in "Todesfuge" nur wenige ("Stern", "Auge"), verglichen mit "Engführung" ("Asche", "Nacht", "Schlaf", "Stein", "Wort" etc.).
Hinsichtlich der Technik der Wortdestruktion bildet "Engführung" wieder einen Wendepunkt im Gesamtwerk Celans. In "Todesfuge" und den früheren Gedichten ist noch kein Wortzerfall bemerkbar, mit "Engführung" aber etwa beginnend wird diese Technik zunehmend bedeutender (besonders in "Die Niemandsrose"). Die Wortzerlegung durch Enjambements wird in "Engführung" ab der sechsten Partie angewendet: "Par-/tikelgestöber", "ver-/ästelt", "Ho-/sianna". Aus den isolierten Gliedern einfacher Worte können so neue poetische Vokabeln entstehen, wie z.B. im Gedicht ". . . rauscht der Brunnen": "mit den Men, mit den Schen, mit den Menschen, [...]" (GWI, 237) oder in "Engführung" die Abspaltung der Vorsilbe "Ho" des Wortes "Hosianna" und ihre Wiederholung ("Ho, ho"). Durch Silbentrennung kann aber auch im einzelnen Wort eine mimetische Energie freigesetzt werden.
Dieses Stammeln und "Lallen" , das besonders im Band "Die Niemandsrose" mehrfach auftritt, kann auch als Ausdruck einer zum Problem gewordenen Spaltung zwischen Sinn und Gestalt der Worte verstanden werden, da es als Beschreibung des modernen dichterischen Sprechens auftritt.
Der Trend zu immer kürzeren, fragmentierten Versen im Gesamtwerk Celans läßt sich an den beiden besprochenen Gedichten exemplarisch ablesen. So beträgt die durchschnittliche Wortanzahl pro Verszeile in "Todesfuge" 10,3, in "Engführung" 2,8.
Außerdem erhält die typographische Gestalt der Gedichte eine zunehmend größere Bedeutung. In "Engführung" hat die besondere Anordnung der Vorstrophen ihre Funktion im Nachbilden einer Eigenheit der musikalischen Engführung der Fuge. Auch die graphische Gestaltung der Texte kann eine spezifische Form der Motivierung der Sprache sein, indem die Bedeutungen durch die Anordnung der Schrift visuell erfahrbar gemacht werden (Celan setzt diese Form der Motivierung hauptsächlich in den Gedichtbänden "Atemwende", "Fadensonnen" und "Lichtzwang" ein).
3.3.3. Zitate
"Goethes gesammelte Werke
sackhüpfen über den Strand"
Sowohl "Todesfuge" als auch "Engführung" enthalten Zitate und Anspielungen auf andere Texte. Schneider gab schon 1974 an, daß bei einem Durchschnitt von ca. 60 Gedichten pro Band der Anteil eindeutig fundierbarer Zitate 8-10 Stück betrage, also über 10%. Die Frage, von welcher Bedeutung die Kenntnis dieser Textbezüge ist, führte zu einer breiten Diskussion in der Celan-Philologie. Menninghaus kritisiert die Sucht, immer mehr Zitate und Anspielungen in Celans Gedichten aufzuspüren, ohne dabei über die Berechtigung oder Angemessenheit dieser Interpretationsmethode theoretisch Rechenschaft zu geben. Schon Szondi trennt bewußt Sachkommentar (biographisch-historische Anspielungen) und Interpretation und fragt, ob die gefundenen Anspielungen und Zitate überhaupt relevant für Lektüre und Interpretation sind.
Allgemein können zwei Gruppen von Zitaten unterschieden werden; von Celan markierte und ungekennzeichnete (in "Todesfuge" und "Engführung" handelt es sich ausschließlich um unmarkierte). Wenn ein Leser aber alle versteckten Referenzen kennen sollte, um Leser sein zu können, dann wäre Celans Dichtung ein "aleatorisches Versteckspiel mit und für gelehrte Leser" . Gadamer wendet sich schon früh vehement gegen diese Auffassung, er sieht Celans "Dichtung nicht als gelehrtes Kryptogramm für Gelehrte" und verzichtet in seinen Interpretationen auf "jede Information besonderer Art". Menninghaus meint sogar, daß das "Finderglück des Philologen eher ,Pech' für das Gedicht sein kann" .
Verständlich scheint seine Forderung, die Celan-Forschung müsse begründen können, "welchen poetischen ,Sinn' es macht, Dichtung auf einer super-enzyklopädischen Kenntnis verschiedenartigster, versprengter und zumeist unmarkierter Anspielungen zu fundieren" . Er stellt fest, daß Celan die Deutlichkeit von Verweisen im Prozeß des Arbeitens an den Gedichten zunehmend getilgt hat und fragt nach dem Grund dafür:
"[...] vielleicht ist es gerade das Geheimnis des Gedichts, daß es mögliche Anstöße seines Werdens im Bestand seines Daseins so sich assimiliert hat, daß der Weg zurück nur um den Preis der Dichtung selbst beschritten werden kann. Denn die Vorstellung eines decodierenden Zurück zu den vermeintlich kodierten Anlässen und Anspielungen [...] nivelliert Werk wie Lektüre auf ein Rätselspiel von Codierung und Decodierung, [...] die beide nur unter der Celan-fremden Voraussetzung reiner Eigentlichkeit (Präsenz) funktionieren und auf ein heute kaum noch vertretbares ,Konzept' von Sprache und Dichtung zurückfallen."
Deshalb verweist Menninghaus darauf, daß eine gefundene Anspielung geradezu kontraproduktiv sein könne und stellt dem ein "produktives Nicht-Wissen" entgegen: "Nicht-Wissen meint dabei keine Voraussetzungslosigkeit der Lektüre, kein Nichts-Wissen, sondern eine Differenz zum Setzen auf ,Entschlüsselung' durch abstrakt-singuläres Fakten-Wissen."
In den vorliegenden Interpretationen der Gedichte "Todesfuge" und "Engführung" wurde dennoch auf einige Zitate hingewiesen, da sie manche Stellen erst (wenn schon nicht aufschlüsselbar, so doch) zugänglicher machen - freilich auf die Gefahr hin, daß die betroffene Textstelle "jene Unbestimmtheitsvaleurs, die es im Spiel des Textes vielleicht gerade haben soll" , verliert - diese Gefahr geht aber jede Interpretation in gewissem Maß ein.
Eine positivere Haltung gegenüber dem Auffinden neuer Zitate nimmt L. Koelle ein, die - ganz im Gegensatz zu Menninghaus, der gegen die Ansicht polemisiert, Celans Gedichte zögen den Leser durch das Auffinden der Zitate "in einen Prozeß bildender Aneignung hinein" - Celans Auswahl der zitierten Texte, Daten und Orte als "Curricula der Gegen-Worte und -Zeichen" schätzt.
Eine mögliche Begründung für Celans "Anspielungswut" gibt O. Lorenz, wenn er - insbesondere bezüglich "Todesfuge" - vermutet, "daß Celans offenkundiger Eklektizismus motiviert sein könnte durch den Verzicht auf ein selbstverantwortetes Reden. Nur in den - zu einzigartigen Kunstwerken gefügten - Worten anderer hat er vom Nazi-Terror sprechen können und wohl auch wollen, und er hat damit bereits die Unmöglichkeit einer Rede über das Leid der Juden angezeigt." Für wie bedeutsam Lorenz die "Frage der Intertextualität" hält, zeigt seine Interpretation von "Engführung", in der er zu dem Schluß kommt, "daß Celans Gedicht nur eine ,Engführung' von Zitaten und Allusionen" sei.
3.3.4. Semantik
Problematik der Methode der Wortkonkordanz bei Celan
Oft wird versucht, mit Hilfe der Methode der Wortkonkordanz Gedichte Celans zu interpretieren; dieses Vorgehen setzt aber die Existenz eines in sich geschlossenen hieroglyphischen Zeichensystems in seiner Lyrik voraus. Obwohl eine auffallend häufige Verwendung bestimmter, relativ weniger Leitwörter festgestellt werden kann, zeigt sich aber, daß Celan seine Kernmetaphern eben gerade "nicht in einer konstanten Bedeutung [gebraucht]; als ,Übersetzungen ohne Originale' führen sie vielmehr ein dynamisches Eigenleben im Text und bilden lediglich einen Verweiszusammenhang untereinander." Wenn also in zwei verschiedenen Gedichten vom Augenmotiv die Rede ist, muß es doch nicht dasselbe bedeuten. Mit seiner radikalen Deutung von "Engführung" wollte schon Szondi zeigen, daß es nicht um den Sinn der Worte geht, sondern nur um ihre Funktion im Gesamtkontext des Gedichts. So soll auch - nach einem Bericht Gadamers - Celan bei "Leuten, die beim Interpretieren eines seiner Gedichte vom ,lyrischen Ich' redeten" mahnend gesagt haben: "Aber nicht wahr, das lyrische Ich dieses Gedichts!"
Es drängt sich also die Frage auf, welcher Art und Reichweite der Versuch sein kann, "mit einem Anspruch auf relative Allgemeinheit einige Elemente des semantischen Bewegungsraums von Celans Sprechen zu bestimmen" . Eine solche Allgemeinbestimmung kann jedenfalls unmöglich die individuelle Semantik eines Gedichts erschöpfen, auch ist sie das "Schalere" im Vergleich zu dieser; sie schärft aber gerade deshalb zugleich den "Blick für den von Celan in jedem einzelnen Gedicht zurückgelegten ,Weg'." Menninghaus sucht folglich nach Elementen von Celans Sprechen, an denen sich die generierenden "Uhrfedern" seines semantischen Bewegungsraumes so transparent machen lassen, "daß die Alternative einer unendlichen additiven Rekonstruktion der Semantik aller einzelnen Gedichte und einer schlecht summarischen, von Sprachgestalt und Wortbestand abgehobenen Durchschnittsbestimmung methodisch sinnvoll unterlaufen werden kann [...]." Er findet sie in stark betonten, in auffälliger Kontinuität gesetzten leitwortähnlichen "Topoi".
Jetzt stellt sich aber erst recht die Frage, ob identische Worte, die sogar überwiegend in ähnlichen Kontexten begegnen, als sich gegenseitig erhellende Parallelstellen gelesen werden dürfen, oder ob darauf verzichtet werden muß, um die Singularität der Gedichte zu wahren. Einzeln angewendet erweisen sich beide interpretative Verhaltensweisen als unbrauchbar. Eine Verabsolutierung der Gedichtimmanenz etwa wird dem Umstand nicht gerecht, daß bei Celan eine "intertextuelle Kommunikation der Gedichte oft integraler Bestandteil ihrer Intra-Kommunikation ist." Am deutlichsten zeigt sich das im zitierenden Erinnern fremder Autoren oder Theoreme - oder auch eigener Verse. Die häufig verwendeten leitwortähnlichen Topoi stiften ebenso einen intertextuellen Zusammenhang von Bezügen, was letztlich eine Verankerung des einzelnen Gedichts im Kontext aller Gedichte bewirkt. Diese "Konsistenzbildung" durch ein "Ineinanderspielen von Inter- und Intrakommunikation der Gedichte" geschieht jedoch "keineswegs in der Form eines rekurrenten Übernehmens einmal fertiger ,Chiffren'. Vielmehr baut jedes Gedicht [...] die Evokationskraft der identischen Worte jedesmal aufs neue und jedesmal auch anders auf." Das bedeutet also:
"[...] die intertextuelle Konsistenz ist auch bei den identischen, leitmotivähnlichen Worten keine additive oder gar deduktive, sondern allenfalls eine diskontinuierlich konstruktive."
Eine Interpretation muß also auf ein "übersetzendes Fixieren von (vermeintlichen) Bedeutungen" verzichten, es ist aber durchaus methodisch zulässig, "die dem Wortlaut wie dem Kontext nach parallelen ,Chiffren' auf die ihnen konfigurativ gemeinsame ,Richtung' transparent zu machen."
Ebendies soll an einigen Begriffen aus den Gedichten "Todesfuge" und "Engführung" im folgenden versucht werden.
Farbworte
In "Todesfuge" werden Farben primär dazu verwendet, Kontraste herzustellen: "dein goldenes Haar Margarete / dein aschenes Haar Sulamith". Auch in der Zentralmetapher "Schwarze Milch" werden schwarz und weiß einander gegenübergestellt. Dieser Schwarz-weiß-Kontrast läßt sich auch am Beginn von "Engführung" feststellen, wo der dunkle "Schatten der Halme" auf die ausdrücklich weißen "Steine" fällt, was auch ohne den Zusatz "Gras, auseinandergeschrieben" eine metapoetische Bedeutungsebene des Gedichts eröffnet. In "Todesfuge" hingegen fehlt noch die Dimension der Sprachreflexion, Farben stützen hier den Kontrast zwischen der grauen ("aschenes Haar") bzw. schwarz-weißen ("Schwarze Milch") Welt der Juden und der vergleichsweise bunten, farbigen Welt der Deutschen (goldenes Haar, blaue Augen). Das Wort "Asche" erscheint in "Engführung" losgelöst von seinem Gegenstück "Gold" in Verbindung mit dem "Wort" (GWI, 199) wie in vielen weiteren Gedichten Celans auch (GWI, 227; GWII, 158, 236 etc.). "Gold" bleibt aber als negativer Gegenpol erhalten, wenn auch nur in wenigen Gedichten erneut eine direkte Gegenüberstellung erfolgt (z.B. GWI, 227; GWII, 100):
"Boshaft wie goldene Rede [...]" (GWI, 35)
"Runder Stern, du schlingst die goldne Schleife.
Meiner Mutter Herz ward wund von Blei." (GWIII, 40)
"FLÜSSIGES GOLD, in den Erd-
wunden erkennbar, [...]"
Die Negativität der Farbe Gold in sprachreflexiven Kontexten belegen Formulierungen wie "getriebene[s] Gold[]" und "klaffende[s] Gold[]" (GWI, 110), die eine Verwandtschaft mit grellen Lichtmetaphern ("Lichtkeile" [GWII, 268]) nahelegen, indem sie auf die semiologische Differenz verweisen.
Der "Schatten der Halme"
Schon im Band "Mohn und Gedächtnis" werden Naturbegriffe immer wieder in Zusammenhang mit dem Wort "Wort" gebracht: "AUS Herzen und Hirnen / sprießen die Halme der Nacht, / und ein Wort, von Sensen gesprochen, / neigt sie ins Leben." (GWI, 70) Auch die Verwandtschaft der "Hand", die bei Celan häufig das "Gedicht" selbst symbolisiert, mit Halmen und Gräsern ("EINIGES HAND-/ÄHNLICHE, finster, / kam mit den Gräsern: [...]" [GWI, 236]) stützt diesen Zusammenhang. Verse wie "deiner Hände laubgrüner Schatten" (GWII, 274) drängen diese Bereiche auf engsten Raum zusammen und bekräftigen noch die sprachreflexive Bedeutungsebene des Schattens. Bucks Interpretation, Celan evoziere in "Engführung" nur "konkrete Gräser, konkrete Steine und konkrete Halme [...] als Elemente einer realen Landschaft" scheint damit fragwürdiger als zuvor.
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