Redeanalyse zur \"Sportpalastrede\" von Joseph Goebbels
Die mir vorliegende Rede wurde am 18. Februar 1943 von Joseph Goebbels, dem Reichspropagandaleiter der NSDAP, im Berliner Sportpalast gehalten. Sie wurde im Radio übertragen und ist eine der bedeutendsten politischen Reden der NS-Zeit.
Der Hintergrund dieser Rede besteht in erster Linie darin, das Nationalgefühl des deutschen Volkes nach der Niederlage in Stalingrad erneut zu entfachen und die Massen zu mobilisieren.
Die Rede weist stark appellative (beschwörende) und suasorische (überredende) Elemente auf, mit welchen eine gezielte Manipulation möglich wird. Außerdem kann die Rede allgemein als eher aufwertend, teilweise auch beschwichtigend charakterisiert werden.
Goebbels Ansprache ist eindeutig in drei Teile gegliedert. Die Eröffnung der Rede stellt die Einleitung in den folgenden Hauptteil dar.
Schon mit seiner Anrede \"Meine deutschen Volksgenossen und Volksgenossinnen! Parteigenossen und Parteigenossinnen!\" wendet er sich sowohl dem Publikum des Sportpalastes als auch den Radiohörern zu.
Seine ersten Sätze beginnen stets mit einer Art Selbstoffenbahrung, wie \"Ich weiß nicht...\", \"Ich möchte...\", \"Ich glaube...\", mit der Goebbels versucht, Nähe und Vertrauen zum Publikum aufzubauen. Bereits in der Einleitung tauchen Motive und Wörter auf, die sich im Folgenden sehr oft wiederholen werden. Die ständige Wiederholung einzelner Begriffe, z.B. \"das deutsche Volk\" (vgl. Z. 4,8), \"Führer\" (vgl. Z. 21,23), \"Sieg\" (vgl. Z. 23,29), totaler Krieg\" (vgl. Z. 36,37) scheint nicht willkürlich, sondern genau geplant worden zu sein. Um die Anwesenden und Zuhörenden für sich zu gewinnen, rühmt er in der Eröffnung der Rede \"Das im Nationalsozialismus erzogene, geschulte und disziplinierte deutsche Volk\" (vgl. Z. 7-9) und stellt sich mit dem Volk zumindest vorgeblich auf die gleiche Stufe, wenn er sagt \"Wir Deutschen\". Mit dieser Aussage unterstützt Goebbels seine Glaubwürdigkeit beim Publikum, gleichzeitig untergräbt er im folgenden allerdings wichtige Fakten zugunsten der NS-Regierung und der scheinbaren Siegessicherheit der Deutschen.
Es ist eindeutig, dass Goebbels mit seiner Rede versucht, zu manipulieren. Dafür spricht auch, dass die genannten Schlagwörter auffallend häufig zu bemerken sind. Dieser Eindruck bestätigt sich im Hauptteil der \"Rede zum Totalen Krieg\".
Die von Goebbels gestellten zehn rhetorischen Fragen bilden den Höhepunkt der Rede .
Mit den ersten fünf Fragen stellt Goebbels nicht nur die Engländer als Feinde Deutschlands dar. Das Wort \"Engländer\" (vgl. Z. 20,26,30,35,39) scheint eher ein Sammelbegriff für alle westlichen Mächte zu sein, die Deutschland gegenüber zudem auch noch feindlich gesinnt sind. Mit dieser Abwertung des Begriffs spielt Goebbels wahrscheinlich auf die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation ausgehend von Churchill und Roosevelt am Anfang des Jahres 1943.
Darüber hinaus ist auffällig, dass Goebbels seinen an das Publikum Fragen den Schein eines Volksentscheides verleiht, indem er feierlich verkündet, dass seine Zuhörer nun die gesamte Nation repräsentieren würden.
Er beginnt die ersten fünf Fragen stets mit \"Die Engländer behaupten,...\" und schließt dann eine seiner rhetorischen Fragen an, um sich der Aufmerksamkeit und Zustimmung der Zuhörer zu vergewissern. Dabei ist jedoch auch nicht außer Acht zu lassen, dass alle im Sportpalast Anwesenden überzeugte Nationalsozialisten waren, die Auswahl der Gäste also kein Zufall war. Diese Tatsache zeigt die Scheinheiligkeit des NS-Regimes auf. So sind die Jubelstürme, auch nach der Frage zum \"totalen Krieg\" kaum verwunderlich.
Die letzten fünf Fragen gestaltet Joseph Goebbels in seiner Rede dahin gehend, dass er auf beschwörende Art und Weise versucht, das Publikum von der Notwendigkeit der Mobilisierung jeglicher Kräfte zu überzeugen. So wendet er sich an die anwesenden Frauen und ruft dazu auf, sich freiwillig zum Arbeitseinsatz zu melden, damit ihre Männer in den Krieg ziehen könnten um für ihr Vaterland zu kämpfen (vgl. Z. 50-53).
Dem Appell an die Frauen schließt sich eine Drohung an, die bezeugt, dass der, \"wer sich am Krieg vergeht, den Kopf verliert\". Mit dieser Warnung möchte Goebbels erneut darauf aufmerksam machen, dass gegen Regimegegner strenge Sanktionen verhängt werden. Diese Aussage dient zur vorsorglichen Einschüchterung derer, die noch letzte Zweifel in Bezug auf Führerstaat hegen. In der letzten Frage geht es um falsche Versprechungen, die Goebbels tätigt, um die erwähnten Skeptiker zu überzeugen. Seine Beteuerungen und Gelöbnisse drückt er mit Antithesen, wie \" Hoch und Niedrig und Arm und Reich\" (vgl. Z. 61) aus, um hervorzuheben, dass die genannten Forderungen für alle Bevölkerungsschichten Gültigkeit haben.
Zum Abschluss der Rede betont Goebbels abermals die Bedeutung dieses scheinbaren Plebiszits (vgl. Z. 61-66). Er ruft zu einer Art Vereidigung auf den Führer aus und fährt damit fort, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, welche er mit zahlreichen stilistischen Mitteln beschreibt. Goebbels versteht es auch, dem Volk Hoffnung zu geben, indem er immer wieder auf den sicheren und \"endgültigen Sieg\"(vgl. Z.78) zu sprechen kommt. Was er jedoch verschweigt, ist die Tatsache, dass Deutschlands Truppen zu Beginn des Jahres 1943 vor Stalingrad kapitulieren musste. Insgesamt ist das Jahr \'43 aus deutscher Sicht als Rückzug von allen Fronten zu beschreiben. Zum wiederholten Male versucht Goebbels im Folgenden darzustellen, dass der Staat und das Volk zusammengehören würden und eine Einheit bilden müssten(vgl. Z. 67-69). Damit verstärkt er erneut den Eindruck beim Publikum, es hätte ein gewisses Mitbestimmungsrecht. Der Eindruck, den Goebbels damit bei den Zuhörern hinterlässt, wirkt sich wiederum auf das Denken aus und ist somit als Manipulation zu verstehen, weil er falsche Tatsachen vortäuscht und nicht haltbare Versprechungen macht.
Der finale Aufruf \"Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!\" (vgl. Z 93) entspringt den zuversichtlichen Versprechungen, mit denen Goebbels seine Zuschauer entlässt, damit sie möglichst die Aussagen in Erinnerung behalten, die ihnen eine positive Zukunft versprechen.
Goebbels nutzt in der Sportpalastrede ohne Zweifel Ideologie- und Propagandasprache, welche sich durch wiederholende Schlagwörter, relativ vereinfachte Sprache und teilweise bewusst vage oder irreführende Formulierungen auszeichnet.
Die Sportpalastrede ist ein historisch gesehen wichtiges Dokument, das von der Skrupellosigkeit propagandistischer Effekte zeugt und Joseph Goebbels zu einem der Hauptverantwortlichen für die Verbrechen der NS-Regierung macht, da er sich der Wirkung seiner Worte durchaus bewusst gewesen zu sein schien.
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