Oskar Kanehl bezeichnete sich selbst als Dichter des Proletariats. Er schrieb: "...Meine Gedichte... wollen helfen, die Selbstbewusstseinsentwicklung der Arbeiterklasse vorwärts zu treiben zu dem Ziel der Befreiung der Arbeiterklasse, die das Werk der Arbeiter selbst, als Klasse sein muss." Er war der Meinung, dass es nicht zeitgemäß wäre, von gewaltloser Menschenverbrüderung zu träumen. Deshalb sah er den Sinn in seinen Werken, die Klassengegensätze zwischen Bourgeoisie und Proletariat, die seiner Meinung nach eine revolutionäre Lösung forderten, zu vermitteln.
In seinem Gedicht "Der Prolet" macht er dies auf zugespitzte Weise deutlich. Er zeigt die aktuelle Hierarchie-Ordnung auf und deutet die Macht einer Revolution an. Bewusst benutzt Kanehl keine Namen, sondern bezeichnet den Proleten nur als "Der", um damit zu verdeutlichen, dass es jedem so geht - niemand ausgeschlossen ist - und will somit die gesamte Arbeiterschaft ansprechen. Ebenfalls verallgemeinert er die Bourgeoisie ab dem zwölften Vers mit "er" oder "sie" (Plural). Dabei fiel auf, dass er - bei der Bourgeoisie ebenso wie beim Proletariat - nur die Männer anspricht. Dies kann ich mir nicht als ein bewusst vom Autor eingesetztes Mittel erklären. Die Anapher sowie der Parallelismus der ersten Verse ist nicht zu übersehen. Die trockene Aufzählung der unangenehmen Tätigkeiten (Pflichten) eines "Proleten" soll beim Rezipienten eine immer bewusster und deutlicher werdende Zustimmung erreichen. Der Leser oder Zuhörer soll sich nach der 18. Zeile sagen: "So ist es! So geht es mir!" Der darauf folgende Abschnitt beschreibt die Gleichgültigkeit der Bourgeoisie gegenüber den Arbeitern um die Revolutionsbereitschaft zu erhöhen und die letzten beiden Verse geben die Lösung des Konflikts.
Damit erfüllt dieses Gedicht voll und ganz die Ziele der proletarisch-revolutionären Literatur: Aufzeigen der unzulänglichen Umstände für die Arbeiterklasse und Aufforderung des Proletariats zum Kampf gegen diese Umstände.
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