In seiner Erzählung benutzt Böll eine Frauengestalt, die sich in einer bestimmten Gesellschaft zurecht finden muss. Er hat hier das Thema Sensationsjournalismus aufgegriffen. Ähnlichkeiten mit der "Bild Zeitung" nennt er "weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich" (S.5). Böll stellt eine Gesellschaft vor, in der eine Zeitung gnadenlos das Leben eines Menschen ausschlachten und ruinieren kann, ohne dass der betroffene Mensch sich dagegen wehren kann. Das Thema Massenmedien und deren Machenschaften wird hier geschickt und nachvollziehbar aufgearbeitet und dem Leser drastisch vor Augen geführt. Dem Leser werden die Gefühle der Katharina nachvollziehbar. Die Katharina, die fleißig und strebsam, aus schwierigen Verhältnissen stammend, ihr Leben in den Griff bekommen und organisiert hat, wird von der "ZEITUNG" als "Mörderbraut", als "Räuberliebchen", als "kaltblütig" und "herzlos" dargestellt. Der Zeitungsleser empfindet Verachtung und Abscheu vor Katharina, die "ihren Mann verlassen hat, weil sie hoch hinaus wollte". "Unser bescheidenes Glück genügte ihr nicht, ... wie es ein redlicher Arbeitsmann zu bieten hat." Hiermit will die "ZEITUNG" ihren Lesern vermitteln, dass sie sich auf die Seite des "kleinen Mannes" stellt und falsche Vorstellungen von Sozialismus im Keim ersticken muss. In den 70er und 80er Jahren wurde von der Springerpresse die Angst vor Sozialismus und dem Kommunismus geschürt Dies geschieht im sprachlichen Bereich mit kurzen leichtverständlichen Sätzen und gleichzeitig wird eine Parteilichkeit des Lesers herausgefordert. Zitate werden verdreht oder total verfälscht (S.41) "So musste es ja kommen, so musste es ja enden" satt "warum musste es so kommen, warum musste es so enden", oder läßt Brettloh, den Exmann der Katharin sagen:" So müssen falsche Vorstellungen von Sozialismus ja enden"( S. 41) Es wird ein Freund- Feind-Verhältnis aufgebaut. Auch heute verwendet die "Bild-Zeitung" diese Techniken: das Sprachniveau ist niedrig, Schlagzeilen werden fett gedruckt, sowie grammatikalische Verkürzungen genutzt (z.B. Mörderbraut verstockt).
Für einen selbst stellt sich das Problem dieser Verkürzungen insofern, als dass sich die Schlagzeilen der "Bild Zeitung" ins Gedächtnis einprägen, ob man will oder nicht. Die Titelseiten der Bild Zeitung werden in jedem Kaufhaus, in jedem Geschäft, jedem Besucher vor Augen gehalten. Der Mensch der in die Mühle der Springerpresse geraten ist, muss damit rechnen, dass seine persönliche Ehre und seine beruflich Existenz verloren sind. Dies hat Böll dem Leser Im Fall der Katharina Blum vor Augen geführt und damit eine Hetze auf seine eigene Person in Kauf genommen.
Ich finde an diesem Buch besonders interessant, dass anhand der Gefühlslage der Katharina, die Auswirkungen der Regenbogenpresse nachzuempfinden sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Bild-Zeitungs-Leser, dieses Buch lesen würden. Da "Katharina Blum" sowohl als Theaterfassung aufgeführt, als auch verfilmt wurde, gab es in den 70er und 80er Jahren heiße Diskussionen um die Machenschaften der Bild-Zeitung. Heinrich Bölls Buch barg zum damaligen Zeitpunkt einigen Zündstoff in sich, denn kein Text erfuhr soviel Aufmerksamkeit, Zustimmung und Ablehnung zugleich. Bis heute hat sich aber an den Strategien der Boulevardpresse nichts geändert, die Bild-Zeitung ist immer noch die meistgelesenste Zeitung und die Pressefreiheit ein unangetastetes Thema, die Menschenwürde wird mir Füßen getreten.
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