Werther Folie 3
Da der Roman zur Hauptsache aus Werthers Briefen an Wilhelm besteht, fehlen dem Leser die Vorkenntnisse: Man erfährt nichts Genaues über Werthers Aussehen, sein Alter oder seinen Werdegang. Vermutlich ist er jünger als zwanzig und von ansprechendem Aussehen, denn er gefällt nicht nur Lotte. Von seiner Familie werden nur Mutter und Tante erwähnt.
Werther besitzt weitläufige Kenntnisse - er spricht Griechisch und kennt berühmte Kunsttheoretiker ebenso wie anerkannte Theologen der Zeit. Er neigt zur Reflexion, zur gedanklichen Erfassung der Welt, wie seine Vorliebe für Sentenzen bestätigt. Werther steht der Wissenschaft skeptisch gegenüber und setzt eher auf sein Gefühl als auf den Verstand. Seine künstlerische Begabung zeigt sich darin, dass er zeichnet und die Literatur liebt, zumal Homer und Ossian, den er auch übersetzt.
Um sein finanzielles Auskommen braucht er sich nicht zu sorgen, er stammt aus einer Familie des gehobenen Bürgertums. Nicht um Geld zu verdienen tritt er in die Dienste des Gesandten, sondern weil er von Lotte weg will. Doch wäre es verkehrt, in Werther den verwöhnten Sohn aus gutem Hause zu sehen, der es sich leisten kann, sein Leben der Liebe zu widmen.
Werthers Vorliebe für Kunst und Natur hat damit zu tun, dass er der Gesellschaft und dem Verhalten der Menschen unter einander in manchem kritisch gegenüber steht. Er leidet nicht nur an der Liebe, der Titel des Romans bezieht sich auch auf Konflikte im sozialen Bereich. Werther kritisiert, dass sozial Höhergestellte sich vom einfachen Volk fernhalten. Er kennt diesen Hochmut nicht. Er macht sich darüber lustig, wie jeder strebt, in der Hierarchie aufzusteigen, und wie wichtig es ist, einen Stuhl näher am Grafen oder Prinzen sitzen zu dürfen. In stört der Streit, der aus der Konkurrenz entsteht, und die Angeberei mit der eigenen hohen Geburt. Werther akzeptiert nicht, dass Herkunft wichtiger sein soll als Charakter, Bildung oder Fähigkeit.
Werther sucht sich seinen Gott in der Natur und Trost in der Literatur. Er lehnt Religion und deren Praxis nicht ab, er ist auch kein Atheist. Das Problem ist, dass Werther für seine Zeit zu modern ist, als dass er sich christlicher Tradition kritiklos unterordnen könnte.
Lotte
Lotte wird von Werther als besonders hübsch empfohlen. Sie bekennt ihre Leidenschaft für Musik und Tanz und sie liest gerne Romane, in denen sie sich wiederfindet. Da sie für dieselben Autoren schwärmt, weiss Werther, dass sie ihm seelenverwandt ist.
Während Werther auf sich gestellt ist, bewegt sich Lotte in einem festen sozialen Rahmen, der ihr Halt gibt. Lotte ist eine gute Christin. Dass sie in christlichen Moralvorstellungen erzogen wurde, trägt dazu bei, dass sie Albert die Treue hält.
Albert Folie 4
Goethe stellt Albert als Kontrastfigur zu Werther dar. Der Gegensatz zeigt sich in Einstellung und Lebenserfolg:
Während Werther bei Hofe scheitert, ist Albert dort erfolgreich
Während Werther Selbstmord akzeptiert, lehnt Albert in ab
Während Werther auf den Seiten der Leidenschaften steht, vertritt Albert die Vernunft
Während Werther von Stimmungen abhängig ist, bleibt Albert immer er selber
Trotz guter Eigenschaften wirkt Albert auf den Leser etwas zu solide gesetzt. Und das nicht nur, weil er aus Sicht Werthers geschildert wird. Albert ist der rationalere und strebsamere Typ, ihm fehlt es aber an Werthers Feuer und Phantasie.
Gewiss ist der zuverlässige und in sich ruhende Albert eher derjenige, mit dem sich eine Familie gründen lässt, während man sich den sprunghaften Werther in dieser Rolle schwer vorstellen kann.
Johann Wolfgang Goethe
Goethe wurde am 28.08.1749 in Frankfurt am Main als Sohn eines kaiserlichen Rates geboren. Er studierte in Leipzig und in Strassburg und liess sich 1771 in Frankfurt als Anwalt nieder. 1788 schloss er einen Liebesbund mit Christiane Vulpius, die ihm 1789 den Sohn August gebar und die er 1806 heiratete. Die Freundschaft zu Schiller seit 1794 regte Goethe zu sehr fruchtbaren Schaffen an. Er starb am 22.03.1832 in Weimar.
"Die Leiden des jungen Werther" ist das Werk eines jungen Autors: Als es 1774 erscheint, ist Goethe keine 26 Jahre alt. Vor seinem ersten Roman hat er Gedichte und das Drama "Götz von Berlichingen" geschrieben, das in ähnlicher Weise den Konflikt eines Individuums mit seiner Zeit thematisiert. Im späteren Werk verschieben sich die Akzente: Goethe fordert eher die Eingliederung des Einzelnen in die Gesellschaft als deren Rücksicht auf Ihn, da das Individuum nur so zur Reifen kommen könne.
Bekannte Werke von Goethe sind:
Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795-96)
Faust (1808-32)
Wilhelm Meisters Wanderjahre (1821-29)
Die Leiden des jungen Werthers (1774)
Die Thematik
Das Kernthema dieses Romans ist sicher die Liebe Werthers zu Lotte. Die Liebe zu Lotte verändert Werthers Leben. Zum Beispiel vergisst er Raum und Zeit, sucht ständig nach Beweisen ihrer Zuneigung und kann sie nicht vergessen, worunter er schliesslich auch leidet. Die Liebe ist im Roman ein absolutes Gefühl. Sie befreit Werther von Selbstzweifeln, von Zweifeln an der Welt und am Menschen.
Weitere Themen die Werther in seinen Briefen verwendet, um gewisse Umstände zu kritisieren oder klar und verständlich zu machen, sind Religion, Gesellschaft und Kunst.
Goethes Roman erregte Skandal, weil er das Recht des Individuums anerkennt, einem als Qual empfundenen Leben ein Ende zu setzen. Werther, der ebenso leidenschaftlich wie unglücklich liebt, bringt sich um, ohne dass diese Tat vom Autor kritisch kommentiert würde. Ein Teil des Publikums empörte sich darüber, da es die christliche Lehre verinnerlicht hatte, wonach Gott das Leben schenkt und der Selbstmörder die schwere Sünde der Undankbarkeit auf sich lädt.
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