Zweig schrieb die Schachnovelle vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Ära in Deutschland und in Österreich. Die Novelle ist eine Rahmenerzählung. Der Ich - Erzähler befindet sich auf einem Auswanderungsschiff, das nach Südamerika unter-wegs ist. Unter den Passagieren befindet sich auch der Schachweltmeister Czentovic, ein Mann, dessen einziges Talent im Schachspiel besteht, das er mechanisch wie eine Maschine ausführt. Er kann keine einzige Schachpartie auswendig, sondern er übt täglich. Als ein reicher Amerikaner, irischer Abstammung, von seiner Anwesenheit erfährt, fordert er ihn zu einem Schachduell gegen ihn und einer Gruppe anderer Passagiere auf. Czentovic, der sich als einfältiger Mensch entpuppt, ist erst durch ein hohes Honorar dazu bereit. Als die Schachpartie für den Amerikaner hoffnungslos verfahren scheint, mischt sich ein anderer Passagier in das Spiel ein und rettet, zur Verblüffung aller, ein ehrenhaftes Remis. Czentovic, unangenehm berührt von diesem Vorfall, fordert nun seinerseits den Passagier zu einer Revanchepartie heraus. Es wird für den kommenden Tag festgesetzt. Inzwischen erfährt der Erzähler näheres über die unbekannte Person. Es ist Doktor B., der Inhaber einer bekannten Wiener Anwalts-kanzlei ist, die sich hauptsächlich mit der Vermögensverwaltung von Klöstern befaßte. Um an dieses Vermögen heranzukommen, wird Dr., B. vom nationalsozialistischen Regime in Einzelhaft gestellt und pausenlos verhört. Was Dr. B. am meisten trifft, ist, daß man ihm jegliche, geistige Tätigkeit verwehrt. Eingesperrt in ein spärlich möb-liertes Hotelzimmer entkommt er dem Wahnsinn nur, indem er ein Buch stiehlt. Zu seiner Enttäuschung stellt sich heraus, daß es ein Schachkompendium ist. Zuerst formt er sich Figuren aus Brotteig und spielt mit diesen provisorischen Hilfsmitteln auf der gemusterten Bettdecke. Schon bald aber braucht er diese Dinge nicht mehr. Er spielt sie auswendig in seiner Phantasie. Doch als er beginnt, gegen sich selbst zu spielen, verfällt er in ein Nervenfieber, das ihn an den Rand des Wahnsinns treibt. In der Klinik, in die er eingeliefert wird, erwirkt er seine Entlassung. Seine Ärzte warnen ihn aber vor dem Schachspielen, da höchste Gefahr besteht, daß er wieder in dieses Nervenfieber verfällt. Schließlich muß Dr. B. ins Ausland emigrieren.
Trotz dieser Warnung seiner Ärzte nimmt Dr. B. die Herausforderung gegen Czentovic an. Während des Spieles wird Dr. B. immer wieder zornig, weil Czentovic so lange überlegt, einen Zug zu setzen. Trotzdem gewinnt Dr. B. souverän. Czentovic aber hat sich inzwischen diese Zermürbungstaktik zu Nutze gemacht und fordert ein 2. Spiel als Revanche. Durch diese bewußte Verzögerung des Spieles bringt er Dr. B. beinahe wieder an den Rand einer Nervenkrise. Da greift der Erzähler ein und Dr. B. gibt das Spiel auf, entschlossen, nie mehr ein Schachbrett auch nur zu berühren.
Persönliche Wertung:
Stefan Zweig zeigt in dieser Novelle nicht nur die Greueltaten des nationalsozialis-tischen Regimes, sondern auch die Konfrontation von zwei gänzlich verschiedenen Charakteren. Der plumpe, fast tölpelhafte Czentovic, der mit viel Bauernschläue seine einzige Begabung verkauft und für den Schach reine Mechanik bedeutet, steht dem typischen Geistesmenschen Dr. B. gegenüber, für den Schachspielen hohe Kunst bedeutet. An diesen beiden zeigt Zweig, wie leicht es für einen plumpen, ungehobelten Geist ist, einen sensiblen, wirklich klugen Menschen zum Scheitern zu bringen.
Mir hat dieses Buch ausgezeichnet gefallen und ich habe es binnen einem Tag ausgelesen. Es fasziniert mich, daß ein Autor soviel Spannung in eine Geschichte einbauen kann und das auf knapp 100 Seiten komprimiert. Ich kann diese Novelle wirklich nur jedem weiterempfehlen, weil sie den Leser nicht mehr losläßt, bis man sie ausgelesen hat.
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