Abseits:
Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen,
Die Vögel schwirren aus dem Kraut -
Die Luft ist voller Lerchenlaut.
Ein halb verfallen niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen,
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen,
Sein Junge auf dem Stein davor,
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
Kaum zittert durch die Mittagsruh
Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten.
- Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit
Die erste Strophe des Gedichts gibt ein allgemeines Bild der sommerlichen Heide. Der Duft der Kräuter scheint die Lebensgeister zu lähmen, aber dennoch regt sich geschäftiges Leben: Käfer, Bienen und Vögel sind voller Bewegung. In sommerliche Stille sind auch die Menschen miteinbezogen, die in dieser naturnahen Welt leben.
Die Stilmittel des Dichters, die Wortwahl und der Reim sind schlicht und einfach. Der Rhythmus ist weich und musikalisch. Wird noch in der ersten Strophe ein verschleiertes Stimmungsbild gezeichnet, so geht die zweite in Einzelheiten über, die keinen ´Tiefsinn´ haben, sollen darstellen was der Dichter in dem einen, einzelnen Augenblick sieht, von dem er schreibt. Storm schildert ein Bild natürlichen Lebens, wobei er eine gewisse Stimmung aufkommen läßt. Doch er bietet uns keine Fotografie. Das unterscheidet den Realismus vom Naturalismus:
Der Realismus verklärt noch, wählt noch aus, was sich zu einer einheitlichen Wirkung zusammenschließt. Der Naturalismus versucht, ein vollständiges, ganz exaktes Bild zu zeichnen, in dem auch das Uneinheitliche und Häßliche nicht fehlen.
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