Eines Tages, als Hermann Hesse gerade elf Jahre alt ist, geht er von der Schule nach Hause. Er fühlt Unbehagen, und er ahnt, das etwas geschehen müßte. Er weiß aber nicht, wieso er so fühlt. Weder hatte er schlecht geschlafen, noch hatte er mit seinem neuen Freund Oskar Weber gestritten. Über den beginnt er dann auch nachzudenken. Er mach sich klar, daß er ihn nicht liebt, Oskar ist eher ein Vorbild für ihn. Ihn scheinen die Schläge in der Schule nicht weh zu tun, er steht gesicherter in der Welt. Es hilft nichts, auch wenn er mehr in der Schule weiß, besser gekleidet ist und klüger ist, die Tore in so eine Welt bleiben Hermann verschlossen. Er fühlt, daß er sich nur deswegen an Oskar anschließt, um auch in diese Welt einzudringen.
Plötzlich verspürt der Knabe Angst und Unsicherheit vor einer Strafe, obwohl er doch gar nichts gemacht hatte. Da niemand im Wohnzimmer ist, geht er in den Raum seines Vaters. Er öffnet die Tür zum Studierzimmer, aber die Stube ist lehr. Er geht trotzdem in den Raum. Da er leise schleicht, hört er jeden Herzschlag. Er hatte sich schon des öfteren in die beiden Zimmer geschlichen, und hatte sie schon öfters erforscht. Jetzt wird ihm bewußt, daß das dieses Böse ist, was er schon vorher gespürt hatte. Trotzdem faßt er den Gedanken zur Flucht nicht. Insgeheim hofft er, daß der Vater kommt um ihn zu befreien, doch er taucht nicht auf. Er geht weiter bis zum Schreibtisch. In einer Schale liegen kleinere Sachen, und der Junge Hermann Hesse steckt zwei Stahlfedern in die Westentasche, obwohl er sie nicht braucht. Dann schleicht er leise bis ins nebenan gelegen Schlafzimmer des Vaters. Der Junge öffnet eine Kommode, und nimmt sich ein paar Pastillen. Er öffnet noch eine weiter Lade und findet einen Kranz von weiß bezuckerten, getrockneten Feigen. Eigentlich will der Bub nicht, aber er kann nicht widerstehen, und einige Feigen in den Mund. Darauf stürzt der Kleine in sein Zimmer, selbst überrascht über diese Tat. Es dauert nicht lange, da läutet die Tischglocke zum Essen. Auf die Frage nach dem Befinden lügt Hermann dem Vater vor, daß er Kopfweh hätte und geht nach dem Essen in sein Zimmer. Der Bub weiß nicht was er tun soll, und beginnt erneut über seinen Diebstahl nachzudenken. Er hatte sich schon öfter vorgestellt, wie er sich an der Welt rächen könnte. So war ihm ein Mord an seinem Vater vorgeschwebt, er hätte sich aber so benommen, wie der einzige echter Verbrecher den er jäh gesehen hatte: aufrichtig, von seiner Tat überzeugt. Sogar im Himmel hätte er sich dann vor dem ewigen Richter nicht gebeugt.
Plötzlich läutet eine Glocke, es ist zwei Uhr. Hermann bemerkt, daß er schon in der Schule sein müßte, es wird wohl morgen eine Strafe geben. Er geht aus dem Haus in den Garten und läuft dann in der Gegend herum. Der Kleine beginnt zu überlegen, ob er überhaupt noch einmal nach Hause gehen kann. Auf dem Weg in die Stadt trifft er seinen Freund Oskar Weber. Die zwei beginnen sich zu streiten, da Hermann im Moment nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Es dauert nicht lange, da schlagen sie sich. Der Kleine Hesse läßt seine ganze Wut aus, und in diesem Streit findet er wieder einen Sinn, er vergißt die Geschichte mit den Feigen. Am Vaterhaus angekommen will er hineingehen, da er dort Schutz erwartet, doch da kommen die Gedanken an sein vergehen wieder. Er geht trotzdem hinein. Seine Mutter begrüßt ihn gleich, der Vater aber wirkt ruhig und beherrscht. Im Bett bemerkt er dann, daß es ihm eigentlich lieber wäre, wenn es der Vater bereits entdeckt hätte. Dem kleinen Jungen wird das lange Warten schon zu viel.
Am nächsten Morgen hat Hermann seine Sündtat zwar noch nicht vergessen, doch es kommt ihm alles nicht mehr so real vor, alles ist in die Ferne gerückt. Nach der Messe steht der Vater plötzlich im Zimmer. Der Junge hatte sein Eindringen gar nicht bemerkt. Hermann Hesse bekommt Angst, der Vater redet ihn auf die Feigen an. Doch der Kleine beginnt zu lügen, er behauptet, daß er sie vom Konditor gekauft hätte. Darauf gehen die zwei zum Konditor, denn der müsse ja wissen, von wo die Feigen kommen. Erst kurz vor dem Eingang gibt der Junge zu, daß er sie nicht vom Konditor gekauft hatte. So gehen die zwei wieder nach Hause. Dort angekommen fragt der Vater, wieso Hermann es nicht gleich zugegeben hätte. Er antwortet nicht, erst auf die direkte Frage, ob er sie gestohlen hatte, nickt der Bursche. Den Rest des Nachmittages wird der Junge in der Dachkammer eingesperrt, was ihn jedoch nicht besonders stört, da es dort eine Kiste mit alten Büchern gibt, die nichts für kleine Kinder sind. Am Abend versöhnen sich Vater und Sohn endlich wieder. Hermann Hesse ist sicher, daß der Vater ihm vollkommen verziehen hat, aber ob er ihm vollkommen verziehen hat, weiß er nicht.
STOFF
Das Buch "Kinderseele" handelt von der Kindheit Hermann Hesses. Es zeigt, wie sich der kleine Junge verhält, er stellt etwas an, was er eigentlich nicht will, trotzdem kann er sich nicht wehren. Dieses Buch ist wahrscheinlich auch aus der psychologischen Sicht interessant, da es den Beginn der Loslösung von der Authoritätsperson Vaters darstellt.
SCHAUPLATZ
Die Handlung dieses Werkes spielt in Calw. Hermann Hesse lebt mit seinem Vater, seiner Mutter und seinen Geschwistern in einem Haus. Er wird streng religiös erzogen, da sein Vater Priester und seine Mutter eine Missionarstochter ist.
FIGUREN
Der Vater ist streng, Hermann Hesse fürchtet sich aber nicht von den Bestrafungen, vielmehr hat er Angst, seinen Vater zu enttäuschen. Er ist für ihn wie ein Richter, was der Vater für gut hält ist gut, und was nicht, das nicht. Der Junge hat großen Respekt, aber trotzdem versucht er zu rebellieren und sich gegen ihn aufzustellen. Selbst als das Verhör des Vaters ausweglos scheint, gibt er nicht auf, und lügt ihn an. Erst im wirklich ganz letzten Augenblick gibt er seine Tat zu. Daraufhin bestraft der Vater den Jungen, verzeiht ihm aber, was diesem wohl das wichtigste ist.
Die Mutter kann den kleinen Hermann Hesse gut verstehen, er kann bei ihr Schutz und Trost finden. Trotzdem denkt der Bursche im Zeitpunkt nach der Tat nicht an sie, er fühlt sich nur verantwortlich gegenüber seinem Vater.
Oskar Weber ist Hermanns Freund. Sein Vater ist Lokomotivführer und er wächst in einer Arbeiterschicht auf. Gerade das imponiert den Jungen Hesse und macht Oskar für ihn als Freund interessant, da er ganz anders wie er ist. Im Moment der Bedrängnis nach seiner Tat will er aber nichts mehr von ihm hören, er bemerkt, daß Oskar vielleicht nicht der richtige Umgang für ihn ist. Er ist vielmehr mit sich selbst beschäftigt, als seinem Freund nachzueifern.
ERZÄHLFORM
Das Buch ist in der Ich-form aus der Sicht des elfjährigen Burschens geschrieben. Hermann Hesse erzählt im Präteritum, der Leser wird aber trotzdem in das Geschehen miteingegliedert.
ZUGANG
Das Werk berichtet von der Kindheit des kleinen Jungens, und man kann sich leicht in den Burschen hineinleben, man fühlt regelrecht mit.
VERSTÄNDNIS
Da das Buch mit langen, nicht zu kompliziert gegliederten Sätzen ausgestattet und mit knappen 70 Seiten und der relativ großen Schrift kurz ist, dürfte das Verständnis kein Problem schaffen.
WERTUNG
Ich habe das Buch mit großem Interesse gelesen, da es den Gefühlszustand des Bubens gut spiegelt. Der innere Drang ist so groß, daß der Bursche eine Tat begeht, die er eigentlich schon vor der Ausführung bereut. Danach bekommt er sofort ein schlechtes Gewissen dem Vater gegenüber, und macht die ganze Welt für seinen Handlung schuldig. Die Handlung des Buches ist eigentlich nicht besonders komplex, aber da Hesse die Gefühle des Jungens genau beschreibt ist das Lesen erst wirklich spannend. Wenn man dieses Buch in die Hand nimmt, und zu lesen beginnt, kann man es nicht mehr weglegen. Ich bin mir sicher, daß für Hermann Hesse dieses Erlebnis besonder wichtig war, und die Umsetzung der Handlung in diese Erzählung ist ihm brilliant gelungen!
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