Arno Holz siedelte die Handlung von "Die Familie Selicke" in dem von ihm bevorzugten Rahmen an, nämlich der Großstadt. Diese Umgebung bietet sich an um am Beispiel einer durchschnittlichen, armen Familie die gesellschaftlichen Missstände aufzuzeigen und ins Bewusstsein der Menschen zu rufen.
Die Familie Selicke steht repräsentativ für die tausenden anderen Familien in der damaligen Zeit die unter ähnlichen Bedingungen zu leben hatten. Der Großteil der Bevölkerung am Ende des 19. Jahrhunderts vegetierte nämlich unter menschenunwürdigen Umständen dahin. Die sozialen und wirtschaftlichen Entbehrungen führten in einer Vielzahl von Familien zu Alkoholmissbrauch und all den Begleiterscheinungen die dieser mit sich bringt.
Da es in der Absicht von A. Holz lag diesen Umstand auf möglichst drastische und aufrüttelnde Weise darzustellen, wählte er eine sehr realitätsnahe Form der Beschreibung. Deswegen ist "Die Familie Selicke" dem so genannten konsequenten Naturalismus zuzuordnen.
A. Holz brachte seine Vorstellung von Kunst einmal auf die knappe Formel: Kunst=Natur-X, wobei er immer danach strebte diesen Faktor "X" möglichst gering werden zu lassen und so eine Darstellung nah an der Realität zu erreichen.
So wählt er zum Beispiel nicht etwa eine besonders schöne, geschliffene Sprache, sondern der Schreibstil erinnert bisweilen an ein wortwörtlich niedergeschriebenes Protokoll der Dialoge, mit allen Auslassungen und unvollständigen Sätzen die darin vorkommen. Dies ist gut zu erkennen in einer Aussage von Gustav Wendt in der er die Situation in der sich die Familie Selicke befindet sehr aufgebracht schildert. S.26/27. lesen
Wie überzeugt A. Holz vom streng naturalistischen Schreibstil war zeigt sich auch in der Tatsache, dass er "D.F.S." mit seinem Freund Johannes Schlaf zusammen verfasste.
Da er sich in seiner Darstellung möglichst nah an der Realität halten wollte und sich damit selbst in seinem künstlerischen Freiraum beschnitt, wurde die Aussagekraft des Stücks auch nicht dadurch geschmälert, dass es von zwei verschiedenen Autoren verfasst wurde.
Aufgrund ihrer Naturtreue kann man also "Die Familie Selicke" auch als Milieustudie begreifen, mit der A.Holz beabsichtigte, die allgegenwärtigen Missstände in der Gesellschaft anzuprangern und so seinen Beitrag zu einer Verbesserung der Lebensumstände vieler seiner Zeitgenossen gemäß seinem sozialistischen Weltbild zu leisten.
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