Iphigenie ist die einzige Frau in diesem Drama. Sie ist Vermittlerin zwischen den Männern, zwischen der göttlichen und humanen Welt und denkt nicht lange nach, was sie tun soll. Sie folgt ihren Gefühlen und ist sicher ihrer Verplichtungen voll bewusst. Ihr Charakter besteht aus reiner weiblicherEmpfindung. Ihre Stärke liegt in gefühlsmässigen Handlungen. Bei König und Volk ist Iphigenie gern gesehen, zumal sie als göttliches reines Weib gilt. Sie kann sich verstellen und kann auch die Wahrheit nicht verschweigen. Je ruhiger sie wird, desto mehr fühlt sie das Unrecht. Iphigenie steht in ständigem Zwiespalt zwischen Bruderliebe und Treue zum König und zur Göttin. In Gebeten zu den Göttern findet sie Kraft und Mut, doch bald findet sie ihre im Gehorsam gegen die Gottheit wurzelnde innere Freiheit und Sicherheit wieder.
Orest ist der Bruder Iphigeniens. Zu Beginn möchte dieser einen Sühnetod sterben, um Erlösung von seinen Qualen zu erlangen. Die Wahnvorstellung, dass die Erinnyen ihn verfolgen, hat seine Freude und seinen Tatendrang vernichtet. Nur sein Freund Pylades kann ihn zu der gemeinsamen Fahrt ins Land der Taurer überreden, wo er nach Weissagung des Apoll Erlösung finden soll. Orest ist in seiner Natur ein Spiegel Iphigeniens. Ihm sind \"krumme Wege\" zuwider. Er erlebt, wie sein Gegenspieler Thoas eine inner, starke Wandlung: aus dem kranken, wahnsinnigen Mann wird ein Tatkräftiger mit viel Lebensmut. Sein Edelmut zeigt sich, als er vorschlägt, das immerwährende Problem (Streit zwischen Griechen und Skythen) durch einen persönlichen Zweikampf zu lösen. Dadurch gewinnt Orest seinen Gegner Thoas für sich und seine Sache.
Pylades ist der Freund Orests. Er ist das Musterbild eines altgriechischen Helden. Er folgt seinem Verstand und ist so allen kommenden Situationen gewachsen. Klugheit, List und Berechnung bewahren ihn vor unvohergesehenen Schwierigkeiten. Er kann sich in anderen Personen einfühlen und ihnen Trost schenken oder sie zurückweisen. Seine einzige Lebensaufgabe ist, dem Freund zur Seite zu stehen, ihm zu raten und zu helfen.
Thoas steht zwischen Orest und Iphigenie und ist der Gegenspieler Orests. In erster Linie ist er König vonTaurien, dessen Wille immer über Tun und Handeln Iphigeniens steht. Doch als edler Mann steht er weitgehend unter dem Einfluss Iphigeniens. Hinter diesem Edelmann ist dennoch der Barbar zu finden, der alles, was er nicht bekommt, mit Gewalt erzwingen will. Obwohl das Vorhaben zur Flucht aufgekommen ist, lässt er sie ziehen, weil er einem früheren Versprechen gegenüber Iphigenie Wort hält. Dies zeigt den Einfluss, den sie auch beiseinem Barbarentum auf Thoas ausübt. Thoas hat über sich selbst gesiegt und legt nun endgültig das barbarische Verhalten ab und wird ein edler Mensch und König .
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