Im Frühjahr 1946 folgte die Aufnahme in das Hamburger Elisabeth Krankenhaus. Die behandelnden Ärzte antizipierten, aufgrund des schweren Krankheitsverlaufes des 25jährigen, dass Wolfgang Borchert nur noch etwa ein Jahr zu Leben habe.
Ungeachtet dessen arbeitete Borchert, wann immer sein Zustand es ermöglichte. 24 Prosatexte vollendete er in jenem Jahr, u.a. \"Die Hundeblume\", in der die Erfahrungen der Gefangenschaft zu einem sich wiederholenden Ereignis (der tägliche Hofgang) verdichtet wurden.Auch seine Gedichtsammlung \"Laterne, Nacht und Sterne\" (Gedichte aus den Jahren 1940 - 1945) veröffentlichte er im gleichen Jahr.
Borchert entwickelte eine ambivalente Haltung seiner Krankheit gegenüber.
Er kämpfte gegen sie an, schöpfte zwischendurch Hoffnung doch noch zu gesunden und mochte auch von Besuchern und Freunden nicht über seine Krankheit befragt oder gar ihretwegen bemitleidet werden.
Gleichzeitig vermochte er sogar, auch diesem Leiden etwas positives abzugewinnen: \"... wenn ich nicht ins Gefängnis gekommen wäre, hätte ich keine Hundeblume geschrieben - wenn ich nicht krank geworden wäre hätte ich überhaupt kein Wort geschrieben. Das Leben ist doppelseitig wie ein Fisch: Manchmal blinkert die Unterseite ganz silbrig.\"
Im Januar 1947 schrieb er schließlich das Schauspiel \"Draußen vor der Tür\". Innerhalb weniger Tage erarbeitete er das Drama um den Kriegsheimkehrer \"Beckmann\", der keinen Platz mehr in der satten und vergessenden Nachkrieggesellschaft findet und dessen fragender Schrei:
\"Gibt den keiner Antwort?
Gibt keiner Antwort???
Gibt denn keiner, keiner Antwort ???
zum Schluss unbeantwortet bleibt.
Das Stück wurde bereits 3 Wochen später als Hörspiel gesendet und erwies sich sofort als ein sensationeller Publikumserfolg. Die Hörer nahmen Anteil und identifizierten sich mit diesem Stück.
Borchert schreibt, immer wieder von Fieberschüben geschüttelt, unbeirrt weiter.In den nächsten Monaten entstehen 22 weitere Erzählungen. Er gibt nicht nur seinen eigenen Erfahrungen Ausdruck, sondern denen einer ganzen Generation. Seine Kurzgeschichten versetzen den Leser oftmals direkt in eine Situation hinein, beschreiben das Grauen der Zerstörung indirekt und Ausschnittweise, lassen Personen agieren, welche die größeren Zusammenhänge nicht verstehen oder nicht verstehen können (z.B.Kinder) .
Borcherts Leiden indes verschlimmerte sich weiter, so dass besorgte Freunde, trotz aller bürokratischen Hürden der Nachkriegszeit, eine spezielle Weiterbehandlung
in der Schweiz durchsetzten.
Gegen Ende September reiste der Kranke in das Clara- Spital nach Basel. Die erhoffte Verbesserung des Gesundheitszustandes blieb jedoch aus. Der immer schwächer werdende Wolfgang Borchert erfuhr in den Wochen in Basel noch viel Anerkennung für seine Arbeiten durch Kritiker, Leser und Bewunderer. Doch er litt unter der Isolation als Deutscher, den man in dem Schweizer Krankenhaus mit dem besiegten Nazideutschland identifizierte. Auch dass ihm weder seine engsten Freunde noch seine Eltern besuchen und Beistand leisten konnten, betrübte ihn.
Im Oktober schrieb Borchert seine letzten Zeilen: Das Antikriegsmanifest \"Dann gibt es nur eins!\"
Am 20 November 1947 stirbt der Dichter in dem Baseler Krankenhaus, - einen Tag vor der Uraufführung seines Schauspiels \"Draußen vor der Tür\", in den Hamburger Kammerspielen.
Ein Mann, der einer belogenen und im Kriege verheizten Generation eine Stimme gab und den höchsten Preis dafür bezahlte: Sein Leben. Ein Werk, das aktuell ist und bleibt, solange es Machtmissbrauch und Krieg gibt.
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