Dürrenmatt will mit dieser tragischen Komödie dem Leser die geldgierige Gesellschaft des 20. Jahrhunderts zeigen. Denn wie so oft auch in der Realität, geht es in diesem Stück hauptsächlich um Geld, missbrauchte Liebe und die schmutzigen Taten der Menschen, die damit verbunden sind.
Die Multimillionärin Zachanassian (=alte Dame), die ihre Finanzen mehr oder weniger durch schlaue Heiratspolitik erlangt hat, bietet als Rache (für den Missbrauch ihrerseits; sie wurde von Ill geschwängert und sitzengelassen) der verarmten Stadt Güllen eine Milliarde, die sie nur dann erhält, wenn einer ihrer Bewohner den ehemaligen Liebhaber von ihr tötet. Und so entsteht ein gewaltiges Misstrauen zwischen dem so angesehenen Bürger Ill und seinen Freunden und Bekannten. Vorerst wirkt der Geschäftsmann (der aber seit Jahren nichts mehr verdient) sehr gelassen und versucht seine Tat abzutun, indem er sie dem Vergangenen zugehörig erklärt. Doch als ihm immer mehr Leute gestehen, dass sie seine Handlung nicht verstehen bis verabscheuen, beginnen langsam die Schuldgefühle in ihm zu erwachen und er verliert allmählich den Verstand. Auch hier zeigt uns Dürrenmatt, dass auch ein gerissener, wenn nicht auch krimineller Mensch Angst bekommt und sich nach einiger Zeit von ihr beherrschen lässt. Daher ist ein wichtiges Thema die Schuld und all ihre schrecklichen Zustände, die der Mensch mit ihr erlebt.
Zusammengefasst ist Geld die Macht, die alles beherrscht und meistens können sogar schreckliche Taten damit abgetan werden. In dem Fall ist es die Gerechtigkeit, die verlangt wird und leider auch käuflich ist bzw. die Menschen, die diese hervorbringen sollten.
Claire Zachanassian: ... Eine Milliarde für Güllen, wenn jemand Alfred Ill tötet.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 49)
Die Bürger Güllens, die dieser Macht nicht widerstehen können, erscheinen daher nicht richtig böse, sondern eher schwach und daher verständlicher.
Der einzige, der in dem Chaos noch sein Humanitätsgefühl behält, zumindest für längere Zeit, ist der gebildete Lehrer, doch auch dieser gesteht seine Schwäche und führt dem Leser daher vor Augen, dass niemand dieser Kraft widerstehen kann.
Siehe Vorausdeutung Zitat S. 103
3.b) Darstellung des Werkes
- stilistische Mittel
Der größte Gegensatz in diesem Stück ist eigentlich der Reichtum, denn während die Stadt Güllen sich nur noch mehr verschuldet und gar nicht aus ihrem Trott herausfindet, führt die geschiedene Multimilliardärin das schönste Leben mit Dienern und jeglichem Luxus, den sie sich nur vorstellen kann. Sie verschenkt mühelos 4000 Einheiten ihres Geldes, wobei nicht genannt wird, um welche Währung es sich handelt.
Daher versuchen die Stadtbewohner mit allen Mitteln von der Zachanassian Geld zu erhalten.
Und letztendlich ist es genau dieser Spalt zwischen reich und arm, der die Menschen überhaupt auf den Gedanken bringt, einen Menschen für Geld zu töten. Kein Mensch ist fehlerfrei und schon gar nicht, wenn es um Geld geht.
Weiters ist es sehr verwunderlich, dass sich die Positionen der Personen in diesem Stück während der Handlung stark verändern: So erscheint uns die Zachanassian zunächst als Wohltäterin, bevor sie ihr unmoralisches Angebot einbringt. Von dort an wird sie zur Rachesüchtigen, die sich nur mit ihrem Geld die erwünschte Gerechtigkeit erkaufen kann, da ihr Ill das Leben zerstört und nie versucht hat, sich zu entschuldigen oder es irgendwie gut zu machen. Und obwohl sie so viel Geld besitzt, ist sie nicht glücklich.
Die Stadtbewohner scheinen zuerst loyal gegenüber Ill zu sein, doch sie können aufgrund ihrer misslichen Lage der Versuchung des Geldes nicht widerstehen und werden somit zu geldgierigen und blutrünstigen Bestien, die jegliche Humanität hinter sich lassen.
- Ähnlichkeit
Unverkennbar in diesem Theaterstück sind die Namen der Ehegatten und Diener der Zachanassian, wobei sich der Name des jeweiligen Ehegatten dem des Butlers anzupassen hat, wie die alte Dame selbst erklärt.
Auffallend bei dieser Ähnlichkeit ist jedoch, dass sich bei den Namen nur immer der erste Buchstabe des Namens ändert und sich so folgendes daraus ergibt:
Toby und Roby, die Gangster aus Amerika
Koby und Loby, die Entmannten und Geblendeten
Der Butler Boby
Ehegatte VII = Moby, Ehegatte VIII = Hoby, Ehegatte IX = Zoby
- Vorausdeutungen
Von Freunden zurückgestoßen, sucht Ill Zuflucht bei der Polizei, beim Bürgermeister und auch beim Pfarrer, doch auch jene Bürger verfallen der Geldsucht, was den 65-jährigen noch mehr verunsichert.
Dürrenmatt lässt durch Symbole wie den entlaufenen schwarzen Panther der Zachanassian, der erschossen wird, schon erahnen, dass auch Ill bald dieses Schicksal widerfahren wird, denn früher nannte Claire Zachanassian ihren Liebhaber oft "schwarzer Panther", was das ganze darauf hinaus laufen lässt, dass diese Frau Ill zeigen will, was sie ihm wünscht und als Ill dann wirklich stirbt, bezeichnet sie ihn wieder als ihren Panther:
"Er ist wieder so, wie er war, vor langer Zeit, der schwarze Panther."
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 131)
Vielleicht steht dieses Raubtier aber auch für die Gewalt und Brutalität im Menschen, alles Erdenkliche zu tun, um (in dem Fall) Geld zu erlangen. So denkt auch Ill die Jagd nach dem ausgebrochenen Tier betreffe ihn.
Der Lehrer übernimmt die Rolle des Botschafters, indem er behauptet, dass die Leute, die Ills Tod wünschen, nicht besser sind als dieser selbst und macht mit jener Aussage einiges klar:
"Man wird sie töten. Ich weiß es, von Anfang an, und auch sie wissen es schon lange, auch wenn es in Güllen sonst niemand wahrhaben will. Die Versuchung ist zu groß und die Armut zu bitter. Aber ich weiß noch mehr. Auch ich werde mitmachen. Ich fühle, wie ich langsam zu einem Mörder werde. Mein Glaube an die Humanität ist machtlos. Und weil ich es weiß, bin ich ein Säufer geworden. Ich fürchte mich, Ill, so wie sie sich gefürchtet haben. Noch weiß ich, daß auch zu uns einmal eine alte Dame kommen wird, eines Tages, und dann mit uns geschieht, was nun mit Ihnen geschieht,..."
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 103)
Durch dies wird auch wieder die Aussichtslosigkeit der Lage beschrieben, da der sonst so gerechte und gebildete Lehrer selbst zugibt, wie auch er langsam den Drang nach dem Geld verspürt.
Letztens wird der Tod Ills, nach der gut umschmückten Gerichtsverhandlung, als ein "Tod aus Freude" bezeichnet, was eher die Freude der Bürger wiederspiegelt, die erfreut über das Geld sind, das sie erhalten.
Eine weitere Vorausdeutung für den Tod Ills ist wohl der Sarg, der ständig geschmückt wird. Auch die Aussage Zachanassians gibt uns deutlich eine Erwartung vor:
Claire Zachanassian: Schafft das Gepäck und den Sarg unterdessen in den >Goldenen Apostel |