Paganini übertraf nicht nur an technischer Virtuosität all seine Vorgänger, sondern auch seine Persönlichkeit war von dämonischem Zauber.
Mit genialem Scharfblick griff er die technischen Errungenschaften seiner Vorgänger, deren tastenden Versuche, neue Wege zu wandeln, wieder auf und schuf sich auf dieser Grundlage einen eigenen Stil, eine ganz neue Technik. Er ahmte andere Instrumente nach. Das Pizzicato als Ausdrucksmittel erweitert den Rahmen des auf der Geige Darstellbaren. Durch geschickte Kombination dieses Pizzicato mit melodischen Passagen und dem Flageolett, das er durch alle Lagen des Instruments in höchster Vollendung anwendet, täuschte er eine gewisse Mehrstimmigkeit vor. Paganini hat die Entwicklungsmöglichkeiten der Violintechnik restlos erschöpft und seinem Instrument die letzten Geheimnisse entlockt. Seinen Nachfolgern blieb bis zum heutigen Tag auf technischem Gebiet nichts mehr zu entdecken übrig.
Eine sehr anschauliche Vorstellung von Paganinis Kunstfertigkeit gewinnt man aus der eingehenden Besprechung, die der Pariser Musikkritiker Fétis nach des Künstlers erstem Auftreten in Paris in seiner Zeitschrift \"Revue musicale\" 1831 gegeben hat. Paganini ließ sich zunächst mit einem Konzert hören, das für das Orchester in Es, für die Sologeige aber in D gesetzt ist, wobei das Instrument dann einen halben Ton höher gestimmt wird. Hierdurch erzielt Paganini glanzvollere Töne und kann technische Schwierigkeiten überwinden, die ihm in der wirklichen Es-Dur-Tonart unüberwindlich wären, da ihm Leersaiten jetzt Möglichkeiten bieten, deren er sonst beraubt gewesen wäre. Seine Hände sind groß, dürr und sehnig, und all seine Finger besitzen infolge rastlosen Trainierens eine unglaubliche Gelenkigkeit und Geschlicklichkeit. Infolge dieser Gelenkigkeit scheint Paganini den Daumen auch über dem Griffbrett der Geige zusammenzukrampfen zu können, um ihn beim Zupfen der vierten Saite zu benutzen. Der Ton, den er dem Instrument entlockt, ist im allgemeinen schön und rein, ohne besonders groß zu sein, mit Ausnahme von wenigen Effektstellen. Die Flageolettöne, die man immer als ein wirkliches Hilfsmittel für den Geiger ansah, spielen in Paganinis Spiel eine wichtige Rolle. Sein Fingersatz ähnelt in nichts dem üblichen Schulgebrauch. Er beendet fast nie seine Triller, und er führt sie, was anderen Geigern unbekannt ist, in vielen Lagen mit dem kleinen Finger aus. Die Doppelgriffgänge im Glöckchenrondo und die Anwendung des Springbogens sind etwas vollkommenes Neues und haben nichts mehr von der gebräuchlichen Form eines Violinkonzerts. Zweierlei ist dabei an Paganinis Ausführung der Dinge besonders zu beachten: die ungetrübte Reinheit der Doppelgriffe auch bei in rasender Geschwindigkeit ausgeführten Stücken, und die fabelhafte Sicherheit, mit der der Bogen immer senkrecht auf die Saiten fällt, wie groß auch die Intervalle sein mögen. Eine für die Wunder dieses einzigartigen Spiels besonders günstige Körperbeschaffenheit genügt nicht zur Erlangung und Erklärung solcher Resultate: dazu gehörten in gleichem Maß ununterbrochene, angestrengte gründliche Studien, ein zum Entdecken der Geheimnisse des Instrumentes fähiger Instinkt und diese unerschütterliche Willenskraft, die einzig jedes Hindernis siegreich überwinden kann.
Auch der Kapellmeister Carl Guhr veröffentlichte 1831 eine längere mit zahlreichen Notenbeispielen versehene Abhandlung: \"Über Paganinis Kunst, die Violine zu spielen.\" Paganini benutzte möglichst dünne Saiten, - deshalb sein verhältnismäßig kleiner Ton - da diese für sein Flageolettspiel, das Pizzicato der linken Hand und das von ihm angewandte Höherstimmen der Saiten um einen halben Ton, ja des G zuweilein um eine kleine Terz, erforderlich war. Von den anderen Meistern der Geige untscheidet er sich hauptsächlich durch: die besondere Stimmung seines Instrumentes, die eigentümliche Bogenführung, das Pizzicato der linken Hand in Verbindung mit dem Spiel mit dem Bogen, häufige Anwendung des Flageoletts in einfachen wie in Doppeltönen, das Spiel auf einer Saite und Nachahmung des Zusammenspiels mehrerer Instrumente. Die eigentümliche Stimmung ermöglichte es ihm, Passagen und Akkordfolgen, die in der Tonart, in der die Komposition gesetzt war, unmöglich ausführbar gewesen wären, mit Leichtigkeit zu spielen. So war bei den Stücken für die G-Saite dieses stets in B statt G gestimmt, wodurch die Schwierigkeiten sich wesentlich verringerten. Die Lösung des vielerörterten \"Geheimnisses\", das Paganini gehütet haben soll, dürfte wohl am ehesten hier zu suchen sein. Bei Werken mit Orchester waren die Saiten seiner Geige stets einen halben Ton höher gestimmt, als die seiner Begleiter, dadurch war es ihm möglich, in den glänzenderen und für die Flageolettöne günstigeren Tonarten A- und D-Dur zu spielen, während das Orchester ihn in den weniger hellen Tonarten B- und Es-Dur begleitete. Der rechte Arm liegt ganz fest am Körper und bewegt sich beinahe niemals. Freien Spielraum hat nur das sehr gekrümmte Handgelenk, das sich äußerst leicht bewegt und mit der größten Schnelligkeit die elastischen Bewegungen des Bogens leitet. Nur bei stark herausgerissenen Akkorden, wobei der Unterteil des Bogens nahe am Frosch gebraucht wird, hebt er die Hand und den Vorderarm etwas höher und den Ellbogen vom Körper ab. Im \"Perpetuum mobile\" spielte er ganze Partien mit einem Bogenstrich, das Staccato auf- und abwärts in unglaublicher Vollendung. Dabei wurde meist nicht jede Note durch einen eigenen Druck oder Stoß der Armmuskeln hervorgehoben, vielmehr hüpfte der einmal auf die Saite geworfene Bogen bei stetiger Fortführung des Armes, gewissermaßen vermöge seiner eigenen oder der Saite Elastizität auf und nieder, wie ein über den Wasserspiegel geschleudertes Steinchen. Als ebenso kunstvoll erwies sich Paganinis Applikatur der linken Hand. Seine außerordentlich geschmeidige Hand ermöglichte es ihm beispielsweise mit den drei ersten Fingern der Linken den Baß zu zupfen, während die beiden anderen auf den oberen Saiten eine Melodie spielten. Im Flageolettspiel leistete er Ungeahntes und baute es in einfachen und Doppelflageolettönen, Doppeltrillern, chromatischen Gängen bis zur Grenze des Unmöglichen aus, wobei die unbedingte Reinheit der Intonation und die Staunen erregende Sicherheit der Ausführung den hier leicht peinlichen Eindruck des Gekünstelten gar nicht aufkommen ließen. Das Spiel auf der G-Saite vereinfachte sich, wie schon erwähnt, durch Heraufstimmen auf B oder gar H. Auf die Menge verfehlten diese Kompositionen, die meist mit einem Rezitativ beginnen, dann ein Thema bringen und mit Variationen endigen, nie ihre Wirkung, und diese Spezialität des Spielens auf einer Saite hat dem Künstler zuerst Weltruhm verschafft.
|