Expressionismus
Einleitung:
Als "Expressionismus" wird die künstlerische Epoche von 1910 bis 1925 bezeichnet. Der Begriff Expressionismus stammt aus dem Lateinischen und ist aus den beiden Wörtern "ex" ( ) und "primere" ( ) zusammengesetzt. Übersetzt werden kann der Expressionismus mit dem deutschen Wort "Ausdruckskunst". An beiden Bezeichnungen kann man erkennen, dass es sich bei dieser Stilrichtung um den Ausdruck von inneren Gefühlen, Meinungen und Erlebnissen nach außen hin geht.
Der literarische Expressionismus ist vor allem in Deutschland zu finden. Gründe dafür sind sicherlich die großen Ereignisse und Turbulenzen und Umbrüche, in denen sich Deutschland zu dieser Zeit befand. Einfluss auf den Expressionismus nahmen sicherlich das Kaiserreich, der Erste Weltkrieg und die darauf folgende Weimarer Republik. Unter Kaiser Wilhelm II. erlebte Deutschland eine unruhige Zeit: innenpolitische und soziale Probleme wurden vernachlässigt, die Militarisierung verstärkt und eine turbulente Außenpolitik verfolgt. Dem Dreibund Deutschlands mit Italien und Österreich-Ungarn standen der Pakt Russlands mit Frankreich und die "Entente cordiale" Frankreichs mit Großbritannien gegenüber. Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges war Deutschland aufgrund seiner turbulenten Außenpolitik von Gegnern umgeben.
Auch nach dem Ersten Weltkrieg befand sich Deutschland in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Lage: der Versailler Vertrag bedeutete für Deutschland einen enormen Rückschlag und auch Gebietsabtretungen und Verluste von Auslandsvermögen stürzten die deutsche Wirtschaft in ein tiefes Loch. Mit der 1923 eingetretenen Inflation wurde das Vertrauen der Bürger in den Staat sicher schwer erschüttert und gelangte an einem Tiefpunkt an.
Vertreter, Ziele und Motive:
Die zumeist jungen Literaten des Expressionismus wollten mit ihren Schriften auf Probleme aufmerksam machen, die Menschen wachrütteln und dabei den Gefühlen freien Lauf lassen.
Man könnte erwarten, dass die kleinbürgerlichen Schichten, also die Opfer der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Missstände, die ersten Vertreter der neuen Literaturrichtung waren. Die kritischen Autoren stammen allerdings eher aus den bürgerlich-gebildeten Schichten und besuchten Gymnasien oder Universitäten. Sie nahmen am ehesten die erstarrte Bildung und die Widersprüchlichkeit zwischen den Idealen der alten Lehre und der Realität wahr.
Diese Junge Generation kritisierte die aktuelle Ordnung. Sie wollte ihr Missfallen und ihre Ansicht über die aktuelle Situation ausdrücken und verlangte nach Erneuerung und Aufbruch. Aufgrund des historischen und politischen Hintergrunds herrschte eine Furcht vor der Bedrohung der geistigen Werte durch technischen Fortschritt, Bürokratie und Militärgewalt. Aus dieser Furcht entwickelte sich die Vorstellung von einer Idealwelt, die die Expressionisten schaffen wollten. Die jungen Dichter traten für einen kompletten Bruch mit der Vergangenheit ein - mit dem Ziel, sich selbst zu finden und die Welt zu retten. Sicher lag diesem Ziel die Tatsache zugrunde, dass ein Großteil der Dichter den Ersten Weltkrieg miterlebten und selbst als Soldaten Dienst leisten mussten.
Kennzeichen und Ausdrucksform des Expressionismus:
Viele Dichter wendeten sich bewusst gegen:
· die alten Traditionen der Vätergeneration
· gegen die Unterordnung der Kinder gegenüber den Eltern (Vater-Sohn-Konflikt)
· gegen Mechanisierung und Industrialisierung
· und gegen die engstirnige Gesellschaft, die einem die Möglichkeit der Selbstverwirklichung nahm.
Daraus ergaben sich die Forderungen nach:
· sozialer und politischer Umstrukturierung
· der Rückkehr zur Gefühlswelt und dass der Ausdruck eigener Gefühle im Mittelpunkt stehen sollte
· Verwirklichung einer Idealwelt, in der es eine große Verbrüderung der Menschen geben sollte und in der ein menschenwürdiges Dasein ohne Kriege möglich sein sollte.
Da unter den Expressionisten ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl herrschte, bildeten sich rasch Vereinigungen wie der "Charon". Viele Expressionisten fühlten sich dazu berufen, die Welt zu retten. Aus diesem Grund wurden von den Vereinigungen Zeitschriften herausgegeben wie "Die Aktion" oder "Der Sturm" (Folie auflegen), in denen die Expressionisten ihre Gedanken und Forderungen verkündeten.
Kennzeichen der expressionistischen Lyrik:
Das Ziel, sich revolutionär gegen alte Traditionen der Vätergeneration zu wenden, findet man auch in der expressionistischen Ausdrucksform wieder.
Die traditionelle Bildungssprache sollte aufgelöst werden, durch:
Auflösung der herkömmlichen Wort- und Satzstrukturen
Unverbundene Aneinanderreihung (Reihungsstil) von einzelnen, unzusammenhängenden Bildern
Wortneuschöpfungen
Worthäufungen
Der Dadaismus als eine Ausprägung des Expressionismus:
Mit der Eröffnung der Züricher Kleinkünstlerbühne "Cabaret Voltaire" im Jahre 1916 entstand die revolutionäre literarisch-künstlerische Bewegung des Dadaismus. Das der Kindersprache entnommene Wort "Dada" (Holzpferdchen) war die zynische Antwort auf die Werte und Worte der durch den ersten Weltkrieg fragwürdig gewordenen kleinbürgerlichen Kultur. Der Legende nach, wurde einmal ein Federmesser in ein deutsch-französisches Lexikon gesteckt, das den Blick auf das Wort "Dada" lenkte und somit zur Namensgebung führte. Allerdings waren sich selbst die Dadaisten nicht einig darüber, was "Dada" zu bedeuten hatte.
Einig war man sich jedoch darüber, dass die menschliche "Vernunft" es so weit gebracht hatte, dass sich beispielsweise ganze Völker in Kriegen vernichten und dass daher eine "Rückkehr der menschlichen Naivität" und ein "Verzicht auf jede Logik" gefordert werden sollte. Diese Forderungen sind - wie bereits im allgemeinen Teil zum Expressionismus angesprochen - auch im Schreibstil der Dadaisten erkennbar. Worte oder Sätze wurden ohne logischen oder grammatikalischen Zusammenhang aneinander gereiht oder das Ergebnis eines Werkes war absurd oder aussagslos.
Ein Beispiel hierfür findet sich in Kurt Schwitters Gedicht "An Anna Blume" von 1919. Deutlich ist die Auflösung der bisherigen Bildungssprache zu erkennen und ebenfalls der Verzicht auf jede Logik. Das Gedicht gipfelt einmalig und völlig unerwartet in der erschütternden Feststellung:
"Man kann dich auch von hinten lesen, und du, du Herrlichste von allen, du bist von hinten wie von vorne: "a-n-n-a"."
Wichtige Vertreter des Dadaismus:
· Hans Arp (1887 - 1966)
· Richard Huelsenbeck (1892 - 1974)
Drama und Dramatiker des Expressionismus:
Ø Im Drama konnten expressionistische Schriftsteller ihre Ideen der Wandlung wirkungsvoll demonstrieren.
Ø Die Personen werden nicht als individuelle Wesen dargestellt, sondern typisiert dargestellt ("Mann", "Frau" etc.)
Ø Meist wurde ein junger Mensch ins Zentrum gesetzt, der Konflikte mit der engstirnigen Gesellschaft austrug.
Frank Wedekind "Frühlings Erwachen", Carl Sternheim "Tabula Rasa", Ernst Barlach "Der tote Tag"
Lyrik und Lyriker des Expressionismus:
Sprache ist of stakkatohaft und erscheint in ungewohnten Rhythmen.
Motive: Tod, Angst, Krieg, Melancholie
Gottfried Benn, Else Lasker-Schüler, Georg Trakl, Ernst Stadler
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