Die anfängliche Diskussion über die Lektüreerfahrung verlief recht lebhaft. Viele hatten den Text fast \'hintereinander weg\' gelesen und schon mit Angehörigen oder Freunden darüber gesprochen. Eine Studierende hatte direkt nach der Lektüre eine sehr impulsive Stellungnahme niedergeschrieben. Schlinks Roman hatte offensichtlich die meisten Studierenden in - für eine Schullektüre - ungewöhnlichem Maße emotional berührt - und auch polarisiert. Auf dem einen Pol, dem die Mehrzahl der Kursteilnehmer anhing, war ein für mich in dieser Intensität erstaunliches Bemühen festzustellen, Hanna Schmitz zu verstehen, ihre Handlungen aus den damaligen Umständen und speziell aus ihrem Analphabetismus zu erklären und Schuldvorwürfe ihr gegenüber zu relativieren bzw. abzuwehren.
Ein kleinerer Teil der Studierenden, der den anderen Pol bildete, hob dagegen entschieden die individuelle Verantwortung Hannas als erwachsener Mensch hervor, die sie auch in ihrer damaligen Lage hätte zeigen müssen. Das Dilemma des Erzählers zwischen Verstehen und Verurteilen (s.o.) spiegelte sich so auch im Kurs wider.
|