Als ich das Buch zu lesen begann, dachte ich mir schon, dass diese mysteriöse Person, die da am Anfang verhaftet wird schon Stiller sein wird. Ich zweifelte nie daran, dass er nicht Stiller sein könnte - ich denke mal, dass der Autor genau das erreichen wollte. Denn jeder andere (außer Knobel) zieht ja auch nie in Erwägung, dass er nicht Stiller sei. So beginnt man sich regelrecht in das Buch hineinzulesen. Man handelt genau so wie es die Figuren in diesem Roman auch tun.
Was ich nicht verstehe, ist der Sinn, der hinter den Geschichten steckt, die dieser Stiller in seiner Zelle dem Wärter Knobel und dem Verteidiger erzählt. Denn sie sind alle erlogen. Zudem finde ich das genau solche Passagen das Buch unnötig in die Länge ziehen. Die Geschichten sind zwar gut erzählt und anfangs auch noch recht interessant, doch diese - meiner Meinung nach - viel zu genauen Beschreibungen finde ich recht unnötig. Das macht das ganze Buch etwas langwierig. Vor allem darum weil er ca. 5 solcher "überflüssiger" Geschichten bis aufs genaueste erzählt.
Was mich persönlich noch "stört" an diesem Werk ist folgendes. Es kommen sehr viele Stellen vor, die eigentlich voll und ganz von Emotionen beherrscht werden. So geht Stiller fremd, mit der Frau des Staatsanwaltes Rolf. Julika liegt im sterben und Stiller gibt sich ziemlich gelassen. All diese Szenen sind relativ "kühl" geschrieben. Dh. es wird nur relativ wenig mal geschrieen, geschimpft oder sonst irgendwie Wut, Trauer, Eifersucht etc. zur Geltung gebracht. Das brachte mich dazu, dass ich während des Lesens schon dachte, jetzt sag doch endlich mal laut und deutlich was Sache ist. Ich will damit nicht sagen dass es in einem Werk, Kraftausdrücke und vulgäre Ausdrücke unbedingt von Nöten sind. Doch so wie bestimmte Situationen in diesem Roman geschildert werden, sind sie mir persönlich einfach zu lasch. So kommt es als Rolf schon erfahren hat, dass seine Frau Sibylle fremd geht, zu folgender Szene, als sie sagt sie geht zu einer Freundin:
"Eine Wut mit präzisem Grund zu haben, so eine Wut, die man nicht zu sublimieren brauchte, so eine richtige und sogenannte Stinkwut....." (S. 229)
Hier kommt es, glaube ich, zum ersten mal vor, dass ein wenig Emotionen auch mal in klare Worte gefasst werden.
Im Großen und Ganzen möchte ich also sagen, dass in diesem Werk sehr viel gedacht, und relativ wenig ausgesprochen wird, eine Tatsache, die mir persönlich weniger zusagt.
|