Im Rahmen der Facharbeit muß dieser Aspekt äußerst pointiert abgehandelt werden. Es ist nur möglich, einzelne Schwerpunkte, die für die Aussage der Arbeit von größerer Wichtigkeit sind, zu thematisieren.
So finden z.B. die Familienstruktur von Edgar, die Entwicklung der Dreickesbeziehung genauso wenig Beachtung, wie der durchaus sehr interessante Charakter von Einzelpersonen, wie z.B. von "Old Zeremba" .
Eine zentrale und oft diskutierte Interpretationsfrage ist, ob Edgars Scheitern auf einer individuellen Fehlleistung beruht oder ob diesem gesellschaftliche Ursachen zu Grunde liegen.
So wird in verschiedenen kritischen Stellungnahmen zu Plenzdorfs Werk Edgar als ein arbeitsfauler Außenseiter der Gesellschaft dargestellt, dessen Denkweisen nicht repräsentativ für die Meinung der DDR - Jugend seien.
Die Kritik kann jedoch nicht nur durch die hohe Identifikationsbereitschaft der DDR - Jugend mit Plenzdorfs Hauptcharakter, sondern auch durch eine vertiefende inhaltliche Interpretation widerlegt werden, wie der eingehende Blick in den Text beweist.
6.1 Edgars Integration in die Gesellschaft
Es gilt zu beachten, daß Edgar lange Zeit die Rolle eines vorbildlichen Musterknaben spielt, sein Sinneswandel ist eine Reaktion auf negative Erfahrungen. Diese sind, auch relativiert durch die Retrosperspektive, die Lehrmethoden des Ausbilders Flemming, die kleinbürgerlichen Moralvorstellungen seiner Mutter oder allgemein das ihm von der Gesellschaft auferlegte Rollenverhalten, berechenbar und angepaßt zu handeln. Edgar legt Wert darauf, als Individuum ernst genommen zu werden. Beispiel hierfür ist sein Ärger über die falsche Aussprache seine Namens: "Wibau" . Als besonderer literarischer Kunstgriff von Plenzdorf darf die Wahl des Namens angesehen werden, da er als Metapher für individuelles Freiheitsstreben der Hugenotten gilt.
Es lassen sich somit objektive Gründe finden, die zeigen, daß Edgars Verhalten als ernstzunehmende Kritik an realen Einschränkungen seiner persönlichen Freiheit zu deuten ist. Sein Verhalten nur als persönlich motivierte jugendliche Unmutsäußerung zu behandeln, ist demnach unzureichend.
Durch die insgesamt jedoch etwas blasse Dieter-Figur wird der Kontrast unterschiedlicher Lebensauffassungen und Verhaltensweisen verdeutlicht. Dieter gilt als Vertreter der kleinbürgerlich - spießigen Erwachsenenwelt. Seine Wert - und Normenvorstellungen sind identisch mit den vorbildlichen Charaktereigenschaften des "positiven Helden", so wie sie von der Kulturpolitk eigentlich verbreitet werden sollten. Edgars Abneigung gegenüber dieser Figur, die ihre Bücher nach der Größe ordnet , stellt also nicht nur spezielle Kritik an dessen Ordnungssinn dar, sondern - allgemein gesehen - Kritik an vorherrschenden Tendenzen der kleinbürgerlichen Bequemlichkeit sowie dem ausgeprägten Funktionärsdenken.
Aus Geldmangel und aus Langeweile wendet sich Edgar nach dem kurzen Leben in Abgeschiedenheit der Baubrigade zu. Ihm wird bewußt, daß er sich auf Dauer nicht den gesellschaftlichen Forderungen entziehen kann. Aus der Retrosperspektive kommentiert Edgar sein eigenes Verhalten: "Ich hatte auch nichts gegen den Kommunismus und das, [...] aber gegen alles andere" .
Dieses verdeutlicht, daß Edgar nicht gänzlich gesellschaftsablehnend eingestellt ist, sondern nur einzelne Elemente als objektive Mißstände kritisiert. Doch auch in der Brigade wird er schnell zum Außenseiter, da er sich ihren Forderungen und Meinungen nicht anpassen oder unterordnen will. Er provoziert seine Kollegen durch Werther - Zitate oder erledigt seine Arbeit nicht gewissenhaft.
Als Außenseiter schafft er es nicht, Anerkennung zu gewinnen. Der Versuch der Eingliederung endet schließlich in einer Verstärkung der ablehnenden Haltung Edgars gegenüber der Gesellschaft. Edgar:
Ich hatte nichts gegen Arbeit. Meine Meinung dazu war: Wenn ich arbeite, dann arbeite ich, und wenn ich gammle, dann gammle ich.
Auf sich allein gestellt versucht er nun, durch die Farbspritzpistole Bestätigung zu erhalten, und somit den Weg in die Gesellschaft zu finden. Zwischenzeitlich wird er jedoch durch Fürsprache eines Kollegen wieder in die Brigade aufgenommen. Obwohl er nun Konflikte mit der Gesellschaft vermeidet, ist diese Anpassung nur scheinbar. Er arbeitet weiter an der Farbspritze, auch um sich selbst zu bestätigen, und nicht ausschließlich, um der Allgemeinheit einen Nutzten zu erweisen. Dieser Sachverhalt zeigt aber auch, daß Edgar sehr wohl versucht, sein Leben auf die Gesellschaft auszurichten. Seine individuellen Bestrebungen sind jedoch zumindest vorübergehend unvereinbar mit den Gedanken der Gesellschaft. In seinen Absichten zeigt er sich aber auf keinen Fall einseitig als "arbeitsfauler Außenseiter".
6.2 Edgars Scheitern
Durch das Beschäftigen mit dem nebellosen Farbspritzgerät verdeutlicht Plenzdorf den Versuch seiner Hauptfigur, etwas selbständig zu erarbeiten, mit dem Ziel, seinem Leben in der Gesellschaft einen Sinn zu geben. Edgar unterwirft sich somit auch einem gewissen Leistungsdruck, der jedoch von ihm selbst bestimmt ist. Gleichzeitig befindet er sich damit deutlich auf dem Weg der Anpassung. Das tragische Ende ist somit nicht als "letzte Konsequenz des Einzelgängertums" zu verstehen, sondern wird von Plenzdorf verwendet, um zu zeigen, wie wenig Edgar auf dem Weg zu seiner individuellen Freiheit von den sozialistischen Gesellschaftsstrukturen unterstützt wird, sondern eher kontraproduktiv durch
den von außen erzwungenen Zeitdruck eingeengt wird.
Plenzdorf bestätigt dieses selbst, indem er bei einem Interview auf die Frage: "Wir wollen das Stück spielen als Warnung an alle, die es angeht, so mit Edgar und seinesgleichen umzugehen. Was sagen Sie dazu?" mit "schon recht" antwortet.
Die Deutung, daß das Ende die Konsequenz der gesamten Erzählung ist, bekräftigt Plenzdorf, indem er sagt, daß der Tod Edgars nicht als "realer Fakt oder tragischer Fakt", "sondern vielmehr als ein "Einen-Gedanken-zu-Ende-Denken" zu sehen ist und verdeutlicht, daß Edgar seinen Platz nicht im gesellschaftlichen Kollektiv finden kann. Die Wirkung des "offenen Endes" besteht laut Rolf Fieguth aus einem "Ausrufezeichen hinter dem unausgesprochenen Postulat nach einer Integration in die sozialistische Gemeinschaft, in der sich Sensibilität und Anderssein bewahren ließen".
Einen beachtlichen Schuldanteil am Scheitern Edgars trägt somit die Gesellschaft, da sie die Talente und Fähigkeiten des Individuums nicht fördert, sondern vielmehr fürchtet und unterdrückt.
Demenstprechend läuft eine der letzten Sätze von Edgar aus dem Jenseits wieder auf Distanz zur Gesellschaft hinaus: "Aber ich wäre doch nie wirklich nach Mittenberg zurückgegangen"
Im Vergleich zu Goethes Roman spielt das Liebesverhältnis bezüglich des Todes nur eine untergeordnete Rolle.
6.3 Edgar im Vergleich mit Werther
In dem Briefroman "Die Leiden des jungen Werther" wird der Leser durch die gewählte Perspektive in die Gedanken des Hauptcharakters versetzt. Beide Autoren haben durch die Auswahl von Erzählstil und Sprache versucht, Strömungen der jeweiligen Zeit aufzunehmen, um somit eine Identifikation des Lesers mit dem Inhalt zu ermöglichen bzw. zu erschweren.
Diese jeweiligen Strömungen können am besten verdeutlicht werden, betrachtet man die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Werke:
Eine deutliche Parallele von Goethes Hauptcharakter Werther und Plenzdorfs Titelfigur Edgar W. ist das Ablehnen gesellschaftlicher Zwänge. Durch die Gesellschaft fühlen sich beide Charaktere in ihrer Freiheit eingeschränkt.
Die Ursachen der Ablehnung sowie die Verwirklichung des individuellen Lebenswegs gehen auf zeit - und gesellschaftliche Umstände zurück.
So zieht sich Goethes Werther zurück, weil das Verstandesdenken und die Moralvorstellung seiner Umwelt ihn an dem Ausleben seiner intensiven Gefühle hindert. Werther stellt somit das Genie des Sturm und Drangs dar, welches sich nach einem irrationalen Lebensgefühl sehnt.
Die Form der Selbstverwirklichung vollzieht sich bei Goethe im Zurückziehen in die Natur, bei Edgar Wibeau äußert sie sich in einem isolierten Leben in einer Laube in Ostberlin.
Aber auch die Moralvorstellungen und die Gefühlsebene der jungen Menschen werden von Plenzdorf den zeitlichen Umständen angepaßt. Dieses wird besonders deutlich, vergleicht man die Liebesverhältnisse beider Werke: Sowohl Edgar als auch Werher geraten in ein Dreickesverhältnis, welches bei Plenzdorf aus der Konstellation Edgar - Charlie - Dieter besteht, bei Goethe aus der Gruppierung Werther - Lotte - Albert. Bei einer nähren Betrachtung erscheinen diese Parallelen jedoch als oberflächlich. Besonders offensichtlich werden die Unterschiede, betrachtet man die Auswirkung der Liebesverhältnisse auf die jeweilige Hauptperson.
Da Goethes Werther von der Liebe vollkommen erfüllt wird, leidet er auch dementsprechend unter der Trennung. Die Liebe Werthers zu Lotte steigert sich so sehr, daß er von ihr behauptet "Sie ist mir heilig" und über sich selbst sagt "Ich bin kein Mensch mehr". Es wird deutlich, daß die Liebe jegliche gesellschaftliche Konventionen übersteigt.
Werther ist sich jedoch auch darüber bewußt, daß sich seine Gefühle jeglicher Rationalität entziehen und nicht die realistischen Umstände seines Liebesverhältnis beachten. Zu spät wird ihm deutlich, daß er den Normenkodex der Gesellschaft nicht überwinden kann, seine gesellschaftliche Eingliederung wird endgültig unmöglich.
Zwar empfindet auch Edgar Zuneigung, entgegengesetzt zu Werther leidet er jedoch nicht so stark an der letztendlich unerfüllt bleibenden Liebe. Ihm gelingt es, sich mit der Situation abzufinden.
Mit diesem Unterschied zeigt Plenzdorf die jugendliche Lebensprämisse seiner Zeit auf, denn Edgar äußert eine andere Einstellung gegenüber Gefühlen als Werther. Er analysiert diese nicht und trauert ihnen auch nicht hinterher. Aus diesem Grund entsteht für ihn auch kein Konflikt, der ihn zur Selbstzerstörung treibt.
6.4 Das "offene Ende"
Am Ende beider Werke steht der Tod der jeweiligen Titelfigur. Bei Werther geschieht dieses durch einen Selbstmord, bei Edgar durch einen Unfall. Im letzteren ist jedoch mehr als nur eine Verkettung von unglücklichen Zufällen zu sehen. Vielmehr muß man die bewußt verwendeten Parallelen zwischen beiden Werken weiterführen, indem man den jeweiligen Tod als Scheitern an der gesellschaftlichen Wirklichkeit interpretiert. Das Scheitern an sich, ist jedoch wiederum persönlichkeits - und gesellschaftsbedingt. Aus dem unterschiedlichen zeit - und gesellschaftsspezifischen Kontext ergibt sich ein unterschiedlicher Romanausgang.
So ist Werthers Selbstmord eine notwendige Konsequenz, da die gesellschaftlichen und persönlichen Differenzen unüberbrückbar erscheinen. Schuld am Scheitern wird sehr deutlich der Gesellschaft gegeben.
Diese eindeutige Schuldzuweisung kann Plenzdorf nicht aussprechen, da die Kulturpolitik eindeutige Systemkritik zensiert. Er muß sich hier also gesellschaftlichen Umständen anpassen und das Ende auf Auslegung verfassen, um überhaupt sein Werk veröffentlichen zu dürfen. In diesem Sinn ist von einem "offenen" Ende zu sprechen, das die Frage nach dem Schuldanteil auf gesellschaftlicher bzw. individueller Seite erst stellt.
Dieses bestätigt Plenzdorf selber mit der Aussage:
Durch die ungeheure Breite der Assoziationsmöglichkeiten [ist das Werk] bewußt auf Auslegbarkeit geschrieben [...] .
Mit seinem Werk überträgt Plenzdorf die Werther - Thematik auf die Moderne. Aus Goethes Stück eliminiert er den historischen Kontext und setzt das Thema in die Gegenwart. So übernimmt Plenzdorf die Lebensprämisse der jungen DDR - Generation, und läßt sie in ihrem eigenen gesellschaftlichen Umfeld agieren. Dadurch kommen die wesentlichen Abänderungen zu Goethes Lektüre zustande. Er zeigt somit, daß der schon von Goethe festgestellte Gesellschaftskonflikt zu jeder Zeit möglich ist, die Lösungen und Ursachen jedoch auf die jeweiligen gesellschaftlichen Umstände bezogen werden müssen. Um dieses zu erreichen, läßt Plenzdorf realistische Lebensumstände in sein Werk fließen.
Beide Figuren repräsentieren weiterhin die Lebensvorstellung sowie die Wünsche und Ziele der jeweiligen Generation. Dieses ist bei Werther besonders die Auffassung von Natur, Kunst oder Liebe, bei Edgar der Musikgeschmack, das Tanzen oder die langen Haare. Die unterschiedliche Auffassung der Liebesverhältnisse bestätigen diese Erkenntnis.
Trotz aller Änderungen hat Plenzdorf jedoch den Werther - Typus, nämlich einen nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung strebenden jungen Menschen von Goethe übernommen. Dessen Differenzen mit der Gesellschaft führen auch in den "Neuen Leiden" zu einem tragischen Ende. Das ähnliche Scheitern an der Gesellschaft wird direkt durch die Werther - Zitate bestätigt, die im Verlauf der Handlung Edgars Gefühlszustand verdeutlichen. Die Differenzen mit der Gesellschaft sowie die Isolation aus ihr lösen bei beiden ähnliche Gefühle aus. Führt man diese Parallelen weiter, so müßte auch Edgars Tod Kritik am gesamten System bedeuten. Direkt aussprechen kann Plenzdorf ein solches Fazit jedoch nicht, da er sich durch die Zensurmaßnahmen der Politik im gewissen Maße an die Gesellschaft anpassen mußte. Die Werther - Rezeption ermöglicht Plenzdorf aber in gewisser Weise der DDR - Zensur zu entgehen, möglicherweise ist hiermit das für Plenzdorf wichtigste Motiv der Werther - Rezeption benannt.
6.5 Zusammenfassung - Plenzdorfs Intention
Trotz seiner aufklärenden Intention äußert Plenzdorf keine konkrete Kritik an dem sozialistischen Regierungssystem. Auch versucht er durch den bereits analysierten Erzählstil eigentlich keine Identifikation mit dem Einzelgänger Edgar zu erzeugen, da ihm Objektivität sehr wichtig ist. Seine Absicht faßt Plenzdorf selbst in folgender Aussage pointiert zusammen:
Es ist für mich keine Frage, daß man die Wirklichkeit nach ihrer Deckung mit den Idealen immer wieder befragen muß .
Wie sein Hauptcharakter Edgar ist er nicht gegen das System, sondern spricht sich lediglich gegen die reale Umsetzung aus.
Betrachtet man den Einfluß von Salingers Werk "Der Fänger im Roggen", so verdeutlicht Plenzdorf mit seiner Person Edgar die Sehnsüchte jugendlicher Menschen. Er stellt das Problem des Generationskonfliktes dar und beschreibt deutlich das ablehnende Verhalten von Jugendlichen gegenüber den tradierten Normen der Erwachsenengeneration. Ferner kritisiert er das Erziehungs - und Ausbildungswesen.
Die Goethe Rezeption hat jedoch gezeigt, daß es für Plenzdorf wichtiger ist, den Typus eines auf Selbverwirklichung strebenden Menschen in den sozialistischen Hintergrund zu übertragen.
So kommt es, daß Edgar zur einen Hälfte ein rebellischer, provozierender Jugendlicher wie Holden ist, zur anderen Hälfte aber auch ein ernst zu nehmender Mensch wie Goethes Werther - Figur, dessen Individualität mit Tendenz zum Genialen in einen Konflikt mit der Gesellschaft gerät.
Außerdem beinhaltet sein Werk realitätsträchtige Details und führt zu einer Darstellung der DDR- Wirklichkeit, die als Hintergrund der gesamten Handlung dient.
Es kommen also drei wichtige Strömungen in seinem Werk zusammen, die nicht immer nahtlos ineinander übergehen.
Diese sind die von Salinger übernommenen Zeitprobleme junger Menschen, Goethes Werther - Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft und die sozialistische Wirklichkeit, auf die alles bezogen wird und in der die Ursachen für Edgars Scheitern gefunden werden müssen.
Jeden Teil einzeln zu betrachten wäre falsch und würde Plenzdorfs Intention verfehlen. In Verbindung gesehen kann man sie jedoch zu dem gemeinsamen Schluß zusammenführen, daß Plenzdorf in seinem Werk "Die neuen Leiden des jungen W." ein Plädoyer für eine Weiterentwicklung der sozialistischen Gesellschaft hält. Um seine Intention zu verstärken greift er zu Mitteln des Dramatischen, wie zum Beispiel an Edgars Tod zu sehen ist. Ihm ist es wichtig durch Provokation und Übertreibung eine große öffentliche Resonanz zu erzielen. Heute liegt das Werk in einer Theater- einer Film, einer Hörspiel, und einer Prosafassung vor. Das Werk soll Menschen aller Schichten und Altersgruppen ansprechen. An sie gerichtet formuliert er die Forderung nach einer liberaleren und toleranten Gesellschaft, dessen Mitglieder sich individuell selbstverwirklichen können. Hierzu dienen seine Erfahrungen aus dem Bereich des Theaters und seiner Arbeit bei der DEFA.
Diese Intention Plenzdorfs läßt - etwas abstrakter gesehen - in Bezug auf seine Umgebung deutlich seine Beeinflussung durch das marxistische - leninistische Studium erkennen. Denn auch Marx vertritt die Einstellung, daß nicht die Gesellschaft einen Menschen prägt, sondern Menschen die Gesellschaft gestalten. Genau dieses dialektische Prinzip stellt Plenzdorf in seinem Werk dar, indem das Spannungsfeld zwischen Anpassung und Auslegung zum Thema wird.
Diese Beziehung zwischen Einzelmensch und Gesellschaft steht im Mittelpunkt seines Werkes, denn die Möglichkeit individueller Selbstverwirklichung ist das zentrale Anliegen von Plenzdorf. Nur ein selbständig denkender Mensch ist in der Lage, Dinge kritisch zu betrachten und auch das Kollektiv einer Gesellschaft zu prägen.
Alle Elemente der Regierung, die darauf ausgelegt sind, Menschen angepaßt und konform zu machen und somit Individualität zu unterdrücken, werden von Plenzdorf kritisiert. Zu diesen gehört beispielsweise die Erziehung, das Bildungssystem oder die Kollektivarbeit in der DDR. Würden sich diese Elemente in Plenzdorfs Sinne ändern, so könnte eine sozialistische Gesellschaft entstehen, in der Menschen individuell Denken und Handeln könnten.
Mit dieser Intention wendet er sich durch Edgar Wibeau direkt an die Menschen in der DDR. Denn sie wären in der Lage gewesen durch ein anderes Bewußtsein und Verhalten konkret solche Veränderungen herbeizuführen.
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