Textgebundene Erörterung: Hans Magnus Enzensberger 05.03.07 \"Unsere Landessprache und ihre Leibwächter\" Hans Magnus Enzensberger äußert sich in seinem 1979 in der Zeit publizierten Essay \"Unsere Landessprache und ihre Leibwächter\" Zum voranschreitenden Sprachwandel und den daraus resultierenden Beschwerden sogenannter Sprachhüter, die den Verfall des Deutschen voraussehen und die Richtigkeit der Sprache festzulegen versuchen. Enzensberger verzichtet auf eine neutrale Einleitung und Hinführung zum Thema. Stattdessen wählt er einen direkten Einstieg in seinen auf sarkastische Art und Weise Kritik verübenden Artikel, indem er sofort seine Stellung verdeutlicht: Er macht all denen , die verzweifelt versuchen , die Sprache zu schützen , den Vorwurf, selbsternannte Sprachhüter zu sein , die über mangelnde Deutschkenntnisse jammern und betont , dass es diese Hüter zwar schon seid je her gegeben hat, ihr Handeln aber bis heute ohne Erfolg geblieben ist, ihre lautstark geäußerte Kritik bezeichnet er als aufdringlich. Er hält fest, dass die Sprache keine Hüter braucht, da grade die Jargons und Trendwörter sie lebendiger machten.
Hier räumt er jedoch ein , dass auch er die Jugendsprache teilweise nicht akzeptiert und diese ihn sogar deprimiert. Um aufzuzeigen, dass die Umgangssprache wesentlich verständlicher und ihm persönlich lieber ist, als das komplizierte Amtsdeutsch, fügt er in seinen Artikel einen in \"Beamtendeutsch\" geschriebenen Textauszug ein , der durch seine übertrieben bürokratisch wirkende Sprache seine Stellung wie von selbst bekräftigt. Des Weiteren betont Enzensberger durch einen metaphorischen Vergleich, dass die Sprache einen ständigen Wandel erlebt, der jedoch nicht zwangsweise einen Sprachverfall, sondern vielmehr einen Sprachprozess darstellt. Ein abschließendes Urteil, in dem er noch einmal kurz seine Stellung zusammenfasst, rundet den Essay ab. Durch den plötzlichen Einstieg in das Thema wird der Leser sofort aufmerksam. Mit Hilfe einer Ellipse ( Z.
1: \"Die üblichen Klagen zuerst .\") macht er seine Absicht deutlich, sich diesbezüglich kurz zu fassen. Er setzt dem Leser dieses Klagen über mangelnde Deutschkenntnisse als bekannt voraus und möchte sich nicht lange mit ihnen aufhalten, da sie einem , seiner Meinung nach, \"schon zum Halse heraus hängen\" (vgl. Z. 20 ff) . Er benennt kurz die Kläger und \"Jammerer\" - Bildungsexperten, Professoren und Chefs (Z.
3 f)-, die über einen umfangreichen Wortschatz verfügen und daher denken, sie könnten anderen vorschreiben, in welcher Art sie sich verbal auszudrücken hat. Seine Kritik manifestiert sich in einer geschickt gewählten Metapher: \"Gralshüter der Muttersprache\" (Z. 10). Durch das kirchliche Bild des Gralshüters verleiht Enzensberger der Sprache eine stark überzeichnete, dogmatische Bedeutung und ironisiert somit die Sprachverfechter. Gralshüter verbindet man mit etwas heiligem, mittelalterliches und zugleich mythisch Überhöhtem. Sie fühlten sich berufen , den Heiligen Gral des Jesus zu schützen.
An dieser Stelle tangiert die Metapher mit Enzensbergers Vorstellung von der Berufung der Sprachhüter, die von niemanden darum gebeten, versuchen , die \"heilige Muttersprache\" zu schützen und zu wahren. Enzensberger verurteilt durch diese Metapher das konservative und veraltete Handeln der Sprachkritiker. Ein weiteres Bild aus dem kirchlichen Bereich ist das der \"Apostel des guten , wahren und richtigen Deutsch\" ( Z.30 f), die eine verschworene Gemeinschaft darstellen und meinen , die Wahrheit verkünden zu müssen. Auch dies soll sich auf die Sprachhüter beziehen. Er fährt fort, indem er die Beschwerden solcher Wächter des Deutschen aufzählt (Z.
11-13). Diese zitiert er nicht ,sondern benutzt Anaphern (diese, dieser) und Ausrufezeichen am Ende jeder Aussage , um die Ausdrücke zu betonen (z.B. Z. 11 \"Dieser Amerikanismus!\"). Es klingt übertrieben und zieht diese Beschwerden ins Lächerliche.
Ein Grund für den Verfall der deutschen Sprache sei der Amerikanismus, so die Aussage vieler Sprachkritiker. Um diesen Aspekt zu karikieren, benutzt er selbst ein englisches Wort (s.Z.15: \"scene\"), und provoziert damit die Sprachhüter. In einer Hyperbel erwähnt er die \"berüchtigten Zwanzigjährigen, deren Wortschatz kaum über achthundert Vokabeln hinausgeht\" (Z.16 ff) und verwendet hier zur Verdeutlichung der Struktur ihrer Grammatik einen, zumindest aus damaliger Sicht, Aspekt der Jugend: den Kaugummi.
Mit diesem bildlichen Vergleich wird deren Grammatik als verformbar dargestellt. Enzensberger begibt sich auf verschiedene Ebenen, um die Sprache und ihre Kritiker darzustellen. Auffällig ist, dass die Sprache sich im Verlauf des Essays zunehmend verjüngt, die Sprachhüter als Kontrast hierzu werden durch verschiedene Mittel älter gemacht. Zunächst zeichnet er das Bild von der Sprache als altersschwache Patientin. Die Kritiker hingegen sind muskulöse Pfleger, die ?eilfertig herbeispringen? (vgl. Z.
24), um sich um die Patientin -also die Sprache- zu kümmern. Diese Metapher aus dem Bereich der Medizin wertet die Sprache zu etwas herab, das geheilt werden muss. Verjüngt wird die Sprache durch ihre Lebendigkeit und Jugend (s.Z. 40). Sie wird personifiziert (Z.
41f: \"Sie pfeift darauf, von ihnen reingehalten und beschützt zu werden\"); was hervorhebt, dass sie eigenständig ist und niemanden benötigt, der sie vor \"Verschmutzung\" und \"Verrohung\" bewahrt die Sprache habe \"keinen Bock\" auf Überwachung (vgl. Z. 44 f) Mit diesem der Jugendsprache zuzuordnenden Ausdruck provoziert Enzensberger wieder einmal die Verfechter der Reinheit der deutschen Sprache. Den Höhepunkt der Verjüngung erreicht die Sprache, als sie sich \"mit Vandalen einlässt\", wie beispielsweise einem Teenager, der von zu Hause ausreißt. Auf der anderen Seite lässt Enzensberger die Sprachhüter immer älter werden. Zu Beginn noch muskulöse Pfleger, werden sie zu hageren Schulmeistern (s.
Z. 36 f), zu \"arthritischen Leibwächtern\" (Z.40), um Herrn Doktor (gemeint ist Herr Doktor Konrad Duden, der für Konservativität und Alter steht) bis hin zu Opa Duden. Die Vorschriften der Sprachhüter bezeichnet Enzensberger als die \"Rache der Impotenten\", also derer, die mal zynisch gesagt bisher nichts bewirkt haben und auch nie etwas bewegen werden. Die Verjüngung der Sprache bewirkt ihre Aufwertung, konträr hierzu werden die Sprachhüter durch ihre Veralterung abgewertet. Die Bewachung der deutschen Sprache durch diese selbsternannten Hüter betitelt der Autor als \"akademische Wach- und Schließgesellschaft\" (Z.
43). Die damit angedeutete Unterdrückung des Wandelprozesses der Sprache schließt sich aus der Interpretation des Rezipienten, der bei Wach- und Schließgesellschaft vermutlich erstmal an wegschließen denkt, die Hüter stellen die Sprache sozusagen unter \"Hausarrest\". Enzensbergers Text wirkt karikierend, sarkastisch und provokant. Durch Vergleiche , Metaphern und die insgesamt sehr direktem oft jargonhafte Sprache (z.B. \"Penner und Huren\", Z.
55) übt er Kritik an der \"Verbohrtheit und Besserwisserei\" (s.Z.32 f) der Sprachwächter. Zwischendurch verwendet er auch einen lateinischen Ausdruck in Form eines Anakoluths - \"sit venia verbo\" ( Z.44, wenn der Ausdruck es erlaubt) - , der demonstriert, dass Enzensberger keinesfalls die Zugehörigkeit zum Bildungsbürgertum leugnet. Sein Artikel ist gespickt mit vielen Andeutungen und Hintergründigkeiten, die nur ein literarisch gebildeter Mensch durchschauen kann.
Doch trotz dessen nimmt sich Enzensberger, im Gegenteil zu den Kritikern, nicht heraus, aufgrund seines Wortschatzes und seiner Bildung belehrend zu sein und sich auf eine \"richtige\" Sprachweise festzulegen. Er ist der Auffassung, dass man der Sprache freien Lauf lassen sollte, Sie sei lebendig und somit vergänglich. Er findet die veschiedenen Jargons und Slangs zwar auch teilweise vulgär, doch benutzt er sie auch selbst. Er verwendet Ausdrücke der von den Sprachhütern kritisierten und verrohten Sprache (z.B. \"Knastbrüder\", \"Flippies\", Z.
54 f) und nimmt ihnen dadurch die Ernsthaftigkeit. Er spricht sich nicht für die Jugendsprache aus, denn oft zuckt auch er zusammen , wenn er sie hört. Doch trotzdem begibt er sich selbst auf die jugendliche Sprachebene (Z.65 ff: \"Kids\", \"abchecken\"), ist aber wesentlich zurückhaltender als in den Passagen , in denen er an den \"Besserwissern\" Kritik übt. Seine Sprache wird insgesamt milder und sachlicher, da sich auch seine Intention ändert. Es kommt ein neuer Aspekt ins Spiel: Er will nicht mehr kritisieren und provozieren , sondern lediglich seine Meinung authentisch wiedergeben.
Seine Sprache wird unspektakulär, denn er ist nicht mehr auf Effekte aus. Er sieht einen Sprachwandel doch ist dieser für ihn noch längst kein Verfall. Besonders wichtig scheint Enzensberger die Einbeziehung des Rezipienten in seine Meinung zu sein. Er bindet den Leser mit ein (Z.60: \"unsereinen\", Z. 63: \"wir\") und macht seinen Artikel somit gesprächsartig.
Er spricht von \"sensiblen Ohren\" (Z.62), die jeder hat und möchte damit bezwecken, dass die Leser die Vorschriften der Sprachhüter hinterfragen und sie nicht bedingungslos huldigen. Der Rezipient soll merken, dass er von den selbsternannten Sprachwächtern bevormundet wird. Enzensbergers Tipp ist, die Schriftsätze dieser Herren in den Papierkorb zu stopfen (vgl. Z.76 f).
\"Stopfen\" ist hier der passende Ausdruck, da er in einem Beispiel -einem Textauszug aus der Beamtensprache- deutlich aufweist wie lang und veschachtelt die Sätze dieser \"Schreibtischtäter\" (Z.104 f) sind. Er wählt zudem kein beliebiges Zitat , sondern eines zur Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung. Der Inhalt dieses komplizierten, in Amtsdeutsch verfassten Zitates lässt sich auch auf die Sprachhüter übertragen, die die Menschen anklagen, die zum Sprachverfall beitragen, da sie nicht die geltenden Gesetze beachten (vgl. Z. 93 f).
Zum Ende seines Essays formuliert er seine eigene Meinung, die er anhand eines metaphorischen Vergleiches ausschmückt. Die Slangs, Jargons und die Jugendsprache sind dem Autor wesentlich lieber als das Beamtendeutsch der Sprachhüter. Diese Jargons sind \"wie die Lilien auf dem Felde\"(Z.101), denn sie gedeihen und verwelken ebenso schnell wieder. Dies veranschaulicht die Vergänglichkeit der Sprache. Es entstehen immer wieder neue Slangs und Ausdrücke, die aber nicht ewig bestehen, sondern sich irgendwann zu einem \"Komposthaufen\" (Z.
102) wandeln. Diese Metaphorik lässt darauf schließen, dass der Autor statt eines Verfalls einen Prozess sieht, der nicht nur schnell vergänglich sein, sondern auch Hoffnung auf etwas neues machen kann und einer Sprache Lebendigkeit und Facettenreichtum verleiht. Die formale Sprache jedoch werde nur noch komplizierter mit ihren \"Bandwurmsätzen\" und entwickele immer mehr \"Glieder, Haken und Saugnäpfe\"(Z.105 f), so Hans Magnus Enzensberger. Die Intention des Autors sticht klar aus seinem sarkastischen Artikel heraus: Er warnt vor einer verklemmten und starren Stellung gegenüber der Sprache. Sie werde sich immer verändern.
Diese Entwicklung solle man nicht zu ernst nehmen und sich von sogenannten Sprachkennern keine \"richtige\" Sprache aufdrängen lassen. Die Sprache dürfte kein Machtinstrument sein, aufgrund derer man in einen Kontrollwahn verfällt. Besonders wichtig ist des Weiteren auch die kritische Stellung gegenüber Kritikern , da sie keine Autoritäten seien sollten, die einem Vorschriften machen. Seine, von mir bereits zu Beginn genannten Thesen, stützt Enzensberger mit zahlreichen Beispielen und Belegen. Die Argumentationsstruktur weist deutlich auf, dass sich der Artikel vor allem mit der Kritik an den Sprachwächtern beschäftigt. Von seiner Meinung weicht der Autor hier kein einziges Mal ab, sondern bekräftigt sie noch durch seine sarkastische und provokante Sprachwahl.
Seine Auseinandersetzung mit den sogenannten Sprachhütern empfinde ich als zu einseitig und verallgemeinernd. Zwar erwähnt er zu Anfang die Kläger -Bildungsexperten, Professoren und Chefs- , doch vermeidet er leider, mit ausreichend argumentativen Zitaten ihre Kritik zu Sprache und Sprachwandel deutlich zu erläutern, die wie ich finde, nicht immer blos \"Besserwisserei\" ist. Zum Beispiel haben Geschäftsleiter oft Grund genug, sich über den Sprachverfall zu beklagen: Viele Bewerbungen, die bei ihnen eingehen, sind in einem solch fehlerhaften Deutsch verfasst, das man nur auf unzureichende sprachliche Kompetenzen , insbesondere bei Jugendlichen schließen kann. Menschen, die alltäglich, vor allem schriftlich, mit der deutschen Sprache konfrontiert werden, werden mit Sicherheit nicht grundlos ihre zunehmende Veränderung beklagen. Doch auf der anderen Seite ist auch der Vorwurf Enzensbergers nicht von der Hand zu weisen, der die Kritiker als selbsternannte Sprachhüter schimpft. Viele äußern sich lauthals und mit erhobenem Zeigefinger zum \"falschen\" Deutsch- Doch wer legt fest, was \"richtiges\" Deutsch ist? Und sprechen jene Kritiker selbst eine einwandfreie Sprache? Herr Dr.
Konrad Duden hebt Enzensberger besonders hervor. Schließlich legte dieser die Richtigkeit der deutschen Sprache im Duden fest. Sein Handeln kritisiert der Autor mit der Begründung, Duden wäre der Sprache, die nicht die seine war, zu nahe getreten. Dieses sehe ich anders: Es war richtig, dass jemand die Sprache auf eine allgemein gültige Richtigkeit festlegt, da sie sonst von jedermann nach seinen Vorstellungen verform worden wäre, was, so meine feste Überzeugung, ohne Zweifel auf Dauer zu erheblichen Verständigungsschwierigkeiten geführt hätte. Enzensberger bezeichnet die Sprache als lebendig und ihren Wandel als Prozess: Die Sprache sei lebendig und verändere sich durch immer neu dazukommende Wendungen unaufhörlich. Diese Wendungen kämen und gingen und man bräuchte sich keine Sorgen um einen Sprachverfall machen.
Hier mag der Autor Recht haben, denn viele Trendwörter, die wie aus dem Nichts entstanden sind, sind auch genauso schnell dorthin wieder verschwunden, denn Zeit prägt Sprache ebenso unaufhörlich wie die Gesellschaft. Die verschiedensten Gesellschaftsbereich finden vor Neologismen keinen Halt mehr , allen voran die Politik. Das ist Lebendigkeit der Sprache, wie Enzensberger sie charakterisiert. Das eine solche Lebendigkeit keineswegs nur Vorteile mit sich bringt, zeigt sich klar an ihrer doch erschreckenden Vitalität seid der Zunahme der Bedeutung von elektronischen Medien. In Kurznachrichten und \"Chat-Rooms\" wird die Sprache auf ein Minimum reduziert, es wird bewusst auf Personalpronomen verzichtet, Abkürzungen und sogar das weglassen einzelner Buchstaben ( Aus \"habe\" wird \"hab\" etc.).
Diesen Trend empfinde ich als reale Bedrohung für unsere Sprache und werde meine Stimme nicht gegen jene erheben , die andere Menschen darauf aufmerksam machen! Da Enzensberger nur verallgemeinernd von \"selbsternannten Sprachhütern\" spricht und dafür als menschliches Beispiel nur Konrad Duden, aber sonst niemanden von Aktualität nennt, ist seine Kritik für mich nicht immer ganz schlüssig und nachvollziehbar. Zwar führt er in den Zeilen 11-13 einige vermeintliche Aussagen dieser Kritiker auf, da er sie aber keiner Person zuordnet wirken diese für mich haltlos und überzeichnet und nicht als ernstzunehmende Belege einer Kritik zu erkennen. Enzensbergers Kritik an der Jugendsprache, die er als erschreckend und deprimierend beschreibt, zeigt für mich eine Realitätsferne des Autors, der nicht weiter auf die Funktion der Jungendsprache eingeht, sie allen Anschein nach nicht versucht um ihrer selbst willen zu betrachten und somit lediglich seine Meinung vermittelt, ohne diese schlüssig zu begründen. Jugendsprache ist für mich ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Kultur, sie dient ihrer Generation vor allem zur Abgrenzung gegenüber den Erwachsenen. Jugendliche schaffen somit oftmals ihre eigene Identität, ihre Sprache kann provozieren und alle ausgrenzen , die ihrer nicht fähig sind. Sie ist Spiegel von Innovationsfreude und Liberalität der Jugend.
Besonders zweifelhaft stehe ich Enzensbergers Argument gegenüber, dass es Sprachhüter sied je her gegeben hat, aber ihnen Erfolg bisher versagt geblieben sind. Sie hätten nichts weiter als \"Dünkel\" und \"Verbohrtheit\" (Z.32) hervorgebracht. Betrachtet man den sozialen Wandel der Sprache, so hat sich sehr wohl etwas getan. Früher waren die sozialen Unterschiede besonders an der Sprache erkennbar. Die unteren sozialen Schichten entwickelten ihre eigenen Milieu-Sprachen, was heute natürlich immer noch so ist, wenn auch längst nicht mehr so ausgeprägt.
Die gehobene Sprache, das Latinum, beherrschten nur Menschen, die sich Bildung leisten konnten. Da aber die gehobenere Sprache schon immer als das Ideal galt ( bestimmt auch bei Sprachhütern , die auf ihre Richtigkeit hinwiesen), wurde es von der Gesellschaft angestrebt, diese zu erlernen. Seitdem die Bildung aber für jeden zugänglich ist, ist auch für jeden der (z.B. von Herrn Dr. Duden) festgelegte Standart der Sprache erreichbar.
Eine einheitliche, aber natürlich nicht völlig eingrenzte Sprache behebt soziale Unterschiede und biete Verständigungsmöglichkeiten zwischen allen Menschen. Doch sollte man dem Kontrollwahn der Sprache nicht völlig verfallen , denn dieses würde nur zu völlig übertriebenen Maßnahmen wie z.B. dem Verbot des Gebrauches von Anglizismen führen. Abschließend stimme ich Hans Magnus Enzensberger in einem weiteren , nicht zu verachtenden Punkt zu: Der Sprachwandel ist kein Sprachverfall, sondern ein ewig existierender Prozess, der in dem Individualitätswunsch eines jeden Menschen seinen Motor findet und erst mit dem Ausfallen von diesen sein Ende findet.
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