Aus der großen Masse der Schwanksammler und Volksbuchschreiber hebt sich als
einmalige Persönlichkeit JÖRG WICKRAM hervor, den man mit Recht als Vater
des deutschen Prosa-romans bezeichnen kann. WICKRAM lehnt es ab, seine
Motive aus lateinischen oder fran-zösischen Quellen zu schöpfen oder einfach
mittelalterliche Ritterepen in Prosa aufzulösen. Er verfasst selbsterfundene
Romane. Da er auch bewusst Reim und Vers fallen lässt, wird er der Schöpfer
des ersten deutschen Prosaromans.
In seinen Romanen mischen sich ritterliche Elemente mit dem kraftvollen
Selbstbewusstsein des aufstrebenden Bürgertums. Neu ist bei ihm das
Aufstiegsmotiv, das immer wirksam bleibt. Er liebt es, die neuen
Bildungsideale des Bürgertums darzustellen, wie sie durch Hu-manismus und
Reformation geformt werden. Werke WICKRAM´s sind "Der Goldfaden", "Von guten
und bösen Nachbarn" und "Rollwagenbüchlein".
Jedoch findet der deutsche Kunstroman keinen Nachfolger. Das Bürgertum wird
durch den Adel verdrängt, dieser zeigt nur Liebe für die fremdländische
Literatur und greift begierig zum Amadisroman, der die alten Ideale des
Rittertums mit Abenteuerlichem, Dämonen-haftem und Galantem zum
aristokratischen Bildungsideal der Zeit verschmelzt.
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