Ursprünglich verfasst noch im Jahr des Kriegsendes, ist der maßgebende Ton in "Der Pianist" von Wladyslaw Szpilman fernab von Verbitterung und Rachegefühlen. Szpilman schildert die zwei Jahre Überlebenskampf in einem von Grund auf nüchternen Ton, der auf das Wesentliche in der Erzählung blicken lässt. Denn trotz der gewählten Ich-Form ist das Werk frei von tiefen Emotionen. Schier trocken und eindeutig kommentarlos gibt der Erzähler das Leben im Warschauer Ghetto wieder. Szpilman beschreibt alles - den beginnenden Hunger, die Menschen, die Ehre und Anstand für einen letzten Rest Reichtum verraten, die Grausamkeit der Deutschen, die täglich steigende Zahl der Toten - mit lakonischer Ironie und beinahe unbeteiligter Distanz.
Szpilman, der Autor der Autobiographie, tritt erst allmählich in Erscheinung. Wie ein stiller Beobachter des Geschehens fokussiert er die täglichen Veränderungen um ihn herum und ist doch zugleich Teil dieser Ereignisse. Und gerade diese neutrale Erzählposition verleiht ihm die Glaubwürdigkeit, hier keine von Emotionen verschleierten Erinnerungen wiederzugeben, sondern eine authentische Wahrheit.
Je mehr sich Szpilmans Lebensgeschichte chronologisch der Flucht vor der deutschen Besatzungsmacht nähert, desto individueller wird die Beschreibung. Spätestens dann, wenn der Protagonist sich ganz alleine im ausgeraubten und leerdeportierten Ghetto wiederfindet, wird auch dem Leser klar: Jetzt geht es endgültig um das nackte Überleben. Vielleicht mag der Vergleich unangebracht erscheinen, aber Szpilmans Leben, sei es die geheime Unterbringung in einer leeren Wohnung oder das Versteck auf einem Dachboden - liest sich beinahe wie ein spannender Thriller.
Und obwohl die endgültige Rettung von Anfang an bekannt ist, leidet der Leser mit dem flüchtenden Szpilman, sieht ihn vor Hunger fast sterben, fühlt die Einsamkeit und die bohrende Frage nach einem Ende, egal welcher Art. Umso unverhoffter kommt am Ende die letzte Rettung durch den deutschen Soldaten Hosenfeld. Diesen hat Szpilman am Ende seiner Erzählung sogar ein Denkmal gesetzt. Indem er seinen eigenen Memoiren Auszüge aus Hosenfelds Briefen an die Familie anfügte, erzeugt er das Bild eines Deutschen, wie ihn sich viele gewünscht hätten.
|