Er hatte einen Beruf, er verdiente Geld und er war unabhängig.
Er brauchte die Opfer der Mutter nun nicht mehr zu beanspruchen.
Trotzdem schrieb er täglich an seine Mutter und diese anwortete
immer mit dem Satz: "Schick die Wäsche" und er wußte, daß er dieses
Wäscheband nicht zerreißen durfte.
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Es war eine Zeit voller Arbeit. Erich Kästner schrieb satirische
Gedichte, politische Glossen, Stories, Reportagen, Feuilletons,
Theaterkritiken und Kunstkritiken. Und wieder einmal machte er
sich an seine Doktorarbeit. Diesmal mit dem Thema "Die Erwiderungen
auf Friedrichs des Großen Schrift". 1925 erhielt Kästner mit dieser
Arbeit den Titel Doktor der Philosopie.
Doch kurz darauf brach ein jäher Wirbelsturm los. Kästner publizierte
ein erotisch, satirisches Gedicht in der "Plauener Volkszeitung"
und es begann mit "Du meine Neunte, letzte Symphonie! Wenn du
das Hemd an hast mit rosa Streifen ..." und das an Beethovens
100. Todestag.
Berlin, Kästners Durchbruch
Daraufhin ging er nach Berlin, wo ihm der Posten eines Theaterkritikers
einer Berliner Zeitung angeboten wurde. Da er nun wieder einmal
vom Existenzminimum leben mußte, denn die Stelle als Theaterkritiker
brachte nicht sehr viel ein, suchte er noch Arbeit beim Ullstein
Verlag.
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Am liebsten schrieb er von je her im Cafe. Dort wurde ihm auch
von der Zeitung "Montag Morgen" angeboten, ein wöchentliches Gedicht
abzuliefern. Er schrieb über die erste Berliner Zeit:
Nun bin ich zirka 31 Jahre
und habe eine kleine Versfabrik.
Ach, an den Schläfen blühn schon graue Haare,
und meine Freunde werden langsam dick.
Ich setze mich sehr gerne zwischen Stühle.
Ich säge an dem Ast, auf dem wir sitzen.
Ich gehe durch die Gärten der Gefühle,
die tot sind, und bepflanze sie mit Witzen.
In Berlin traf er sich öfter mit den Herausgebern und Mitarbeitern
der "Weltbühne", zum Beispiel Kurt Tucholsky, Alfred Polgar, Morus,
Rudolf Arnheim, ...
Entscheidend war auch die Freundschaft mit der Witwe Jacobsohn,
welche Kästner ermunterte für ihren Kinderbuchverlag zu schreiben.
Er machte sich an die Arbeit und es erschien das Buch "Emil und
die Detektive", welches 1928 erschien und ein großer Erfolg wurde.
Kurz darauf erschienen auch die Gedichtbände "Herz auf Taille"
und "Lärm im Spiegel", welche Kästner mit einem Schlag berühmt
machten und endlich als deutschen Lyriker anerkannten.
Die Kritiker schrieben über Kästners Gedichte: "Lyrik unserer
Zeit kann gar nicht anders aussehen. Kästner schreibt Verse, die
ebenso lebensnahe und zeitgemäß wie künstlerisch durchgebildet
und unnachahmlicher Prägnanz formuliert sind". Auch die Kritik
des Literarhistorikers Heinz Kindermann war interessant:
"Mit eisiger Ruhe spricht Kästner in seinen polemischen Gedichten
die Anklagen gegen die Zeit aus, aber niemals ohne Zukunftsaussichten.
Stets bereit, den Gegner durch überlegene Ironie zu Fall zu bringen
und dennoch hinter dieser mitleidlosen, bewußt parteiisch eingestellten
Geste zu helfen, brutal in seiner Überehrlichkeit und dennoch
feinsten, unsagbaren Seelenregungen zugänglich".
Jedes Jahr erschien von ihm etwas Neues. 1929 das Hörspiel "Leben
in dieser Zeit", ein satirisches akustisches Großstadtgemälde.
Ein zweites Kinderbuch folgte, "Pünktchen und Anton", und 1930
der dritte Gedichtband "Ein Mann gibt Auskunft". Im gleichen Jahr
wurde "Emil und die Detektive" dramatisiert in Berlin aufgeführt.
Der erste Herr "Grundeis" war Theo Lingen. Bald darauf inszenierte
ein junger Regisseur seinen ersten Film von Erich Kästner und
dieser hieß "Dann schon lieber Lebertran".
1931 erschien sein erster großer Roman, vom Autor "Der Gang vor
die Hunde" genannt. Der Verlag lehnte den Titel ab und man einigte
sich auf "Fabian, Geschichte eines Moralisten".
1931 wurde Kästner in den PEN gewählt. Er erhielt die "Ehrende
Erwähnung" bei der Kleist-Preisverteilung.
Kästners Erfolg war ungewöhnlich und es gab keine Fehlschläge.
Es folgte nun "Der 35. Mai", ein Kinderbuch, abenteuerlich und
märchenhaft wie sein Titel. 1932 spielte man "Pünktchen und Anton"
bei Max Reinhardt und sein vierter Gedichtband "Gesang zwischen
den Stühlen" wurde publiziert. Anschließend erschienen die Kindergedichtbände
"Arthur mit dem langen Arm", "Das verhexte Telefon" und der Roman
"Das fliegende Klassenzimmer".
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Von seinem ersten Erfolg bis zu seinem literarischen Scheintod
im Dritten Reich blieben ihm genau sechs Jahre. Er begründete
seinen Ruf als Zeitkritiker, Lyriker und als Kinderbuchautor.
Dann kam das Dritte Reich und wie viele anderer Autoren wurden
auch Kästners Bücher verboten.
Lakonisch berichtete Erich Kästner in seiner Rede über das Verbrennen
von Büchern: " Der Feldmarschall und Reichspräsident kapitulierte
in der Potsdamer Garnisonkirche. Das geschah am 21. März. Zwei
Tage später kapitulierten mit Ausnahme der Sozialdemokraten, die
Parteien in der Krolloper. Eine Woche später wurden die Länder
gleichgeschaltet. Am 1. April wurde der Judenboykott inszeniert.
Er war eine mißglückte Inszenierung, und man setzte das blutige
Stück vorübergehend vom Spielplan ab. Am 7. April wurden die Gauleiter
als Reichsstatthalter herausstaffiert. Am 2. Mai wurden die Gewerkschaften
aufgelöst. Am 10. Mai brauchte man wieder Feuer. Für die Bücher".
Am 27. Februar 1933, Kästner war auf einer Ferienreise, kehrte
er trotz Warnungen seiner Freunde, offiziell mit einem Zug nach
Berlin zurück. Sein Motto:
Ich bin ein Deutscher aus Dresden in Sachsen.
Mich läßt die Heimat nicht fort.
Ich bin wie ein Baum, der, in Deutschland gewachsen,
wenn´s sein muß, in Deutschland verdorrt.
Kästner schrieb später: "Ich blieb um Augenzeuge zu sein". Der
rechthaberische Bürger wollte Zeuge des Unrechts werden, das am
bürgerlichen Recht geschah. Und zwar am Ort der Tat. In einem
Punkt jedoch behielt er recht: Er hatte ein früheres Ende der
Diktatur erwartet, und dieser Irrtum kostete ihn zwölf Jahre seines
Schriftstellerlebens.
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