"Wie bei den Schriftstellern Günter Eich und Ilse Aichinger zeigt sich auch in den Hörspielen Ingeborg Bachmanns die typische Tendenz zur Gleichnishaftigkeit, zur metaphysichen Überhöhung der existentiellen Nöte des Menschseins sowie eine eher romantische Gesellschaftskritik. Das Literarische Hörspiel der 50er Jahre ist eine Kunstform, die nur in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext angemessen bewertet werden kann. Dem allmählichen Verschwinden des Subjekts soll mit den Mitteln der Kunst entgegengewirkt werden.
Das Interesse namhafter Lyriker am Hörspiel stellt in den 50ern eine durchaus typische Zeiterscheinung dar.
Anspruchsvolles ästhetisches Niveau kann durch die Popularität des Rundfunks einer großen Zahl an Rezipienten zugänglich gemacht werden. Außerdem sind die Literaten fasziniert von den spezifisch künstlerischen Möglichkeiten des Mediums durch die moderne Radiotechnik. Lyrisches und diskursives Sprechen treten in ein besonderes Verhältnis zueinander. Die technischen Möglichkeiten bieten die Chance zur Darstellung eines differenzierten und vielschichtigen Bildes der Wirklichkeit. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die spielerische Verarbeitung von Zeit- und Wirklichkeitsebenen durch die Suggestion von Gleichzeitigkeit. Deshalb wird auch der Traum und dessen gespanntes Verhältnis zur Wirklichkeit zum inhaltlichen Schwerpunkt der Hörspiele der 50er Jahre.
Das in den 50ern dominierende Hörspiel wird häufig auch als "Hörspieltyp der verinnerlichten Imagination" bezeichnet, da sich die Schriftsteller immer weiter von der gesellschaftlichen Wirklichkeit in einen mystischen Irrationalismus entfernen. Sie ziehen sich in ihren Werken ins Abgeschiedene, Befremdliche und Unerklärliche zurück und verlieren sich in einer glatten Sprache, die sich völlig ins Dichterisch-Unverbindliche auflöst. Aber anders als bei Ingeborg Bachmanns Lyrik handelt es sich bei ihren drei Hörspielen keineswegs um dunkle Texte, deren Gehalt sich erst auf endlosen Umwegen durch die Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts angemessen rezipieren läßt, sondern um relativ eindeutig strukturierte Sinnbilder. Doch das Hörspiel rechnet mit der Einbildungskraft des Zuhörers und eröffnet auf diese Weise zahlreiche Deutungsmöglichkeiten. Trotzdem treten die Grundkonstanten Bachmanns Schreibens, die Utopieproblematik und ein konfliktgeladenes Geschlechterverhältnis, in ihren charakteristischen Konstellationen in den Hörspielen wieder auf. Die Utopie im Hörspiel "Der gute Gott von Manhattan" deutet sich in der Unmöglichkeit des Austritts aus der Gesellschaft an. Der Gegensatz von Wirklichkeit und Möglichkeit spitzt sich dramatisch zu. Das Geschlechterverhältnis betreffend, ist es für Ingeborg Bachmann bezeichnend, daß es der Mann ist, der seine Liebe verrät, während die Frau, ihrem Gefühl hingegeben, zugrunde geht.
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