Im allgemeinen ist zu sagen, daß die Sprache im vorliegenden Drama erfreulich "normal" ist, d.h. keine
dichterischen oder lyrischen Umschreibungen enthält. Somit ist das Buch auch ohne Vorkenntnisse in der Materie durchweg zu verstehen. Das einzige, was dem Leser ins Auge fällt sind die rhetorischen Mittel, die Dürrenmatt anwendet und die Art, wie er Verhaltensweisen und Charakter von Personen hervorhebt, indem er ihre Sprache verändert:
Sehr auffällig an der Haupfigur des Stücks, Claire Zachanassian, ist die Art und Weise, wie sie mit anderen Personen umgeht. An dem Verhalten gegenüber ihren Gatten (und ihrem gefolge) wird dies besonders deutlich, da sie mit ihnen fast ausschließlich im Imperativ redet. Wendungen wie "Denk nach, Moby" (S.26) oder "geh forschen" sind keine Ausnahmen. Auch ihre Andeutungen und teilweise auch ihre Doppeldeutigkeit fällt ins Auge. Die Güllener sind z.B. sehr verwundert, als sie den Arzt fragt, ob er auch Totenscheine ausstellt und als dieser die Frage mit "ja" beantwortet, vorschlägt in Zukunft Herzschlag festzustellen (S.30). Ähnliche Szene wiederholen sich im übrigen auch beim Polizisten und dem Turner. Daß dies Andeutungen auf den Mord sind ist zu diesem Zeitpunkt weder den Güllenern noch dem Leser klar, was das Interesse des letzteren intensivieren dürfte. Ein weiteres Beispiel für Claire Zachanassians Doppeldeutigkeit findet sich in der Szene, als sie und Ill aneinander vorbei reden. Im Bezug auf den Mord ist auch dies nicht die einzige Textstelle.
Ill: Schön, daß du gekommen bist.
Claire Zachanassian: Das habe ich mir immer vorgenommen (S.25).
Ill: Nun wird sich alles ändern.
Claire Zachanassian: Gewiß.
(S.38)
Auch hier ist deutlich, daß Claire Zachanassian das "gewiß" anders wertet als Ill. Sie sieht als Veränderung den Tod Ills und er den rein finanziellen Aspekt.
Auch gemeinsamen Erinnerungen, sozusagen die Rückblenden, von Ill und Claire im Konradsweiler Wald heben sich vom Rest des Textes ab. Die Erinnerungen sind im allgemeinen "schöner" fomuliert, geprägt von Liebe eben.
Beispiel:
Ill: Wäre doch die Zeit aufgehoben, mein Zauberhexchen. Hätte uns doch das Leben nicht getrennt.
(S.39)
Auch Claire Zachanassians Kälte und Gefühlslosigkeit wird mehr als einmal durch ihre Sprache deutlich. So redet sie z.B. relativ "locker" über ihre Unfälle und ihre Protesen, als würden sie ihr nicht sehr viel ausmachen.
Bereits das im Vorfeld von Claire Zachanassians Ankunft zu beobachtende Auftreten der Güllener als "sprachliches Kollektiv" ist auffällig. Niemand von ihnen spricht einen Satz zu Ende, sondern erst die Äußerungen aller (meisten vier) Güllenern ergeben ein ganzen Satz bzw. eine vernünftige Aussage.
Beispiel:
Der Erste: Der >Rasende Roland |