Christa Wolf beschäftigt sich in ihrem Roman "Der geteilte Himmel" zum ersten mal mit der Problematik um "das Recht des Einzelnen auf Selbstverwiklichung und auf sein Aufbegehren gegen die Entfremdung, Vereinzelung und Bürokratisierung des Lebens in der modernen Industriegesellschaft." Die Teilung des Himmels Deutschlands steht also nicht im Vordergrund. Die beiden Hauptfiguren sollen auch nicht für die verschiedenen politischen Systeme des geteilten Deutschlands interpretiert werden, sondern eher als Beispiele für zwei verschiedene Lebensarten in einer modernen Massengesellschaft. Christa Wolf spricht die vermeintlichen und tatsächlichen Unzulänglichkeiten in der DDR-Gesellschaft durchaus mutig an. Dabei ist interessant, dass die Hauptfigur der Erzählung, Rita, nicht aufgrund ihrer gefestigten sozialistischen Überzeugung in ihre Heimat zurückkehrt. Es ist vor allem auch die Angst, nicht klarzukommen, die Frustration über die eigenmächtige Entscheidung ihres Geliebten, in den Westen zu gehen, bis hin zur liebgewonnenen Brigade im Waggonwerk. All das Gründe, die einem \"normalen\" Menschen durchaus näher liegen als die idealisierte Vorstellung einer gerechten, sozialistischen Gesellschaft.
Ihre Erzählung lässt sich nicht auf eine simple und unglückliche Liebesgeschichte reduzieren; in ihr geht es um das Generationsproblem in der sich konstituierenden Gesellschaft, um das Verhältnis von der Arbeit und menschlicher Entfaltung, um das Dilemma der nationalen Spaltung und dann eben auch um die Entscheidung zwischen einer persönlichen Liebe und dem gesellschaftlichen Auftrag des Einzelnen. Individuum und Gesellschaft sollte auch nach diesem Werk ein zentrales Thema in den Büchern Christa Wolfs bleiben.
Zusatzinformation:
Obwohl der Roman am Anfang als politisch gewagt und teilweise unsachlich galt, bekam er eine Breite Zustimmung aus Politik und Wirtschaft "mit Zustimmung von allerhöchster Stelle stimmte alles, was Rang und Namen hatte, darin überein"². Das Buch wurde ein voller Erfolg. Es wurden insgesamt 160 000 Exemplare gedruckt. Schon bald wurde der Roman dann ins Rumänische, Serbische, Kroatische, Polnische, Ungarische, Bulgarische, Tschechische und Russische, aber auch ins Englische, Französische, Spanische, Finnische und Japanische übersetzt. Und nur ein Jahr nach der Erstveröffentlichung in Buchform drehte die DEFA unter Regie von Konrad Wolf den Spielfilm "Der geteilte Himmel".
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