Kundera hat die politische Geschichte seines Landes in exemplarischer Weise miterlebt und erlitten. 1948 trat er wie so viele Intellektuelle voller Enthusiasmus in die kommunistische Partei ein, aus der er bereits 1950 wegen individualistischer Neigung ausgestoßen wird. Die bitteren Erfahrungen mit dem stalinistischen System führen Kundera zu grundsätzlichen Fragen. Im Stalinismus verkehrten sich für ihn die Tugenden, auf denen der Kommunismus ursprünglich beruhte, ins Gegenteil. In einer Rede vor dem Schriftstellerkongreß, der den Prager Frühling vorbereitete, sagte Kundera über den Stalinismus, die Erfahrung mit ihm eröffne...
unglaubliche Blicke auf das Wesen der menschlichen Werte und der menschlichen Würde. Was ist die Geschichte, und was ist der Mensch in der Geschichte, und was ist der Mensch überhaupt? Auf keine dieser Fragen kann man nach dieser Erfahrung noch antworten wie bisher.
Diesen Fragen geht Kundera in seinen Romanen nach. Das Politische interessiert ihn nur insofern, als es \'Erkenntnisse über das existentielle Dilemma des Menschen ermöglicht. Dies zeigt er am Beispiel von Teresa und Tomas in seinem Werk \"Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins\": Beide halten sich im Zentrum der Ereignisse des Jahres 1968 auf, erleben die Phase der liberalen Reform und erst recht das kommunistische Unterdrückungssystem samt dem verbreiteten Opportunismus. Sie müssen erkennen, wie sich nach der Invasion das ganze Land in ein \"imaginäres Rußland\" (159) verwandelt. Als Tomas sich weigert, seinen Ödipus - Artikel zu widerrufen und Selbstkritik zu üben, macht er die Erfahrung, daß man auf seine Ehrlosigkeit und nicht auf seine Ehrlichkeit setzt , daß seine Vorgesetzten und Kollegen ihn fallenlassen. Kundera läßt keinen Zweifel, daß dieser spätstalinistische Kommunismus ein \"Verbrecherregime\" (168) ist.
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