Er aß von ihrem Tellerchen,
trank von ihrem Becherchen,
schlief in ihrem Bettchen.
Ein Märchen??
In den Ansätzen ja, doch in der Ausführung nein.
Ein junger Mann wird plötzlich aus seinem Lebensrhythmus geworfen, findet sich in einer verschneiten Landschaft wieder, in der Fremde. Es ist Nacht und er friert.
Wohin nun ???
Er hat kein Gepäck, keine Papiere und kein Geld. Er kann sich nicht verständigen, denn er beherrscht die Sprache des Landes kaum.
Fiebernd und Fröstelnd verschlägt es ihn in ein Wohnhaus, wo er sich zwischen Styroporplatten schlafen legt. Am Tag schleicht er sich in die Wohnung einer jungen Frau. Dort ißt und trinkt er, wäscht sich im Badezimmer der Unbekannten, und bricht immer tiefer in das Leben der Frau ein, ohne daß sie etwas von dem ungebetenen Gast ahnt.. Er verliebt sich auch noch in sie, in ihren blonden Haarschopf aus der Sicht von schräg links oben und den Geruch in ihrer Wohnung. Er bewegt sich behutsam in ihrem Reich, will die Ordnung nicht zerstören und sich selber auch nicht bemerkbar machen. Er behandelt ihre Sachen wie die seinen. Für ihn ist es der Himmel auf Erden in ihrer warmen Wohnung zu sein. Er scheint unbemerkt zu bleiben, doch dann vergißt er sein Hemd ....
Köhlmeier stellt uns die Frage, wie weit wir mit mit unserem Voyarismus gehen wollen. Die Person im Buch sträubt sich anfangs gegen seine Neugierde, will die Privatsphäre der Unbekannten schützen, doch schafft sie es nicht, sich dem inneren Trieb zu widersetzen. Er will mehr wissen über sie, über ihr Leben, ihre Gewohnheiten. Er studiert ihre Fotos und liest ihre Bücher. Dabei hilft ihm der Spassmacher. Ein kleines Männchen in seinem Kopf, das die Personifikation der Neugierde dastellt. Es stiftet ihn an, immer weiter in die Sphäre der Fremden einzudringen.
Mit diesem Roman zeigt M. Köhlmeier, daß er nicht nur auf dem Gebiet der griechischen Heldensagen zuhause ist, sondern sich auch als Autor raffinierter Romane bewährt. Mit sprachlicher und psychologischer Raffinesse läßt er den Akteur von seinem Erlebnis mit der Unbekannten erzählen. Nur aus einem Blickfeld betrachtet er die Handlung, nämlich aus dem des Eindringlings. Im ganzen Buch dominieren die inneren Monologe, die Gedanken des jungen Mannes. Man könnte fast meinen, daß er ein Zwiegespräch mit seinem Gewissen führt. Die Sprache und Art in der diesr Roman geschrieben ist, ist einfach. Die Wortwahl ist ebenso wie die Handlung einfach, doch der Gedanke dahinter ist grandios.
Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen erzählt M.Köhlmeier von uns. Von den Gedanken die wie hegen, wenn wir die Möglichkeit haben unbemerkt zu beobachten. Das ist genau der Punkt, der mir an diesem Buch so gut gefallen hat. Der Autor erzählt uns maskiert als Kindermärchenerzähler eine Erwachsenengeschichte, bei der man manchmal rote Ohren bekommt.
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