Der Zuschauer soll sich nicht mit den Gestalten und dem Geschehen auf der Bühne identifizieren. Er soll Distanz zum Geschehen haben und dadurch zum Nachdenken über die gesellschaftliche Verhältnisse, ihrer Veränderbarkeit und die Notwendigkeit ihrer Veränderung angeregt werden. Man könnte Brechts episches Theater als eine Art philosophisch, aufklärerisches Lehrdrama bezeichnen.
Das Zuschauerverhalten, welches sich Brecht von dem Publikum des epischen Theaters erhofft, kann anhand der folgenden Tabelle gut nachvollzogen werden:
Der Zuschauer des dramatischen Theaters sagt: Der Zuschauer des epischen Theaters sagt:
Ja, das habe ich auch schon Gefühlt. Das hätte ich nicht gedacht.
So bin ich. So darf man es nicht machen.
Das ist nur natürlich. Das ist höchst auffällig, fast nicht zu glauben.
Das wird immer so sein. Das muß aufhören.
Das Leid dieses Menschen erschüttert mich, weil es keinen Ausweg für ihn gibt. Das Leid dieses Menschen erschüttert mich, weil es doch einen Ausweg für ihn gäbe.
Das ist große Kunst: Da ist alles selbstverständlich. Das ist große Kunst: Da ist nichts selbstverständlich.
Ich weine mit den Weinenden, ich lache mit den Lachenden. Ich lache über die Weinenden, ich weine über die Lachenden.
aus Hauptmann/Slupianek, Brecht. Ein Lesebuch für unsere Zeit, S.385
Es soll nicht Furcht oder Mitleid geweckt werden, sondern lehrreich gezeigt werden, wie sich der Mensch verhält oder verhalten soll. Zu diesem Zweck laufen Brechts Stücke nicht wie im aristotelischen Theater üblich zu Höhepunkt, Katastrophe und Lösung zu, sondern werden immer wieder argumentierend z.B. durch Songs unterbrochen. Der Schauspieler muß aus dem Illusionsstil gelöst und der Zuschauer zum Nachdenken über das gezeigte angeregt werden. Der epische Schauspieler darf sich nicht vollends in seine Rolle vertiefen. Er ist nicht die Person, die gezeigt wird, er spielt sie nur.
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