Reger ist ein alter Mann, der 30 Jahre lang jeden 2. Tag ins Kunsthistorische Museum geht, sich in den Bordolone-Saal setzt und dort Tintorettos "Weißbärtigen Mann" ansieht. Er kann dort nachdenken und seine Gedanken ordnen. Seine Frau ist vor kurzem gestorben und das hat sein Leben gewaltig verändert.
Reger ist der Prototyp Thomas Bernhards für eine neue Auffassung der Kunstbetrachtung. Er macht die Kunst der Kunstausübung lächerlich, in der er selbst die Kunst der Kunstvernichtung ausübt. Die sogenannten "Alten Meister" sind für Reger Dilettanten, die höchstens einmal einen Geistesblitz hatten und einen Teil eines Gemäldes richtig gemalt haben, nie jedoch ein vollkommenes Werk geschaffen haben.
Reger greift alle an, die mit der Kunst zu tun haben, die Ausübenden und die Interpreten, er lässt nichts unversucht, zu beweisen, dass die Kunst lächerlich ist, und doch ist ihm die Kunst Lebensinhalt und Lebenselexier.
Er greift auch jene an, die diese Kunst bewundern, ohne sich eingehend mit ihr beschäftigt zu haben, jene, die an einem Tag durchs Kunsthistorische Museum rennen, alles ansehen und doch nichts gesehen haben. Dadurch wird die Kunst in einen gottähnlichen Zustand erhoben, an ihr wird nicht gezweifelt, sie scheint vollkommen, da sich niemand mit ihr so eingehend beschäftigt hat, um über sie wirklich zu urteilen.
Auch Atzbacher ist ein häufiger Besucher im Kunsthistorischen Museum und man könnte ihn wohl einen Freund Regers nennen. Er ist mehr als nur der Aufzeichner der Regerschen Tiraden, er ist Regers Widerpart. Obwohl man über seine Person nur sehr wenig erfährt, erahnt man doch, dass Atzbacher Reger sehr ähnlich sein wird, ist er einmal in seinem Alter. Er ist überaus gebildet und teilt oft die Meinung seines Mentors.
Er schreibt offensichtlich seit Jahren an einem Buch, das er aber aus Perfektionismus und der Angst vor dem Versagen nicht herausgeben will. Denn nach Regers (und seiner) Kunstauffassung wäre Atzbacher dann selbst einer dieser dilettantischen Kunstausübenden, die auch Atzbacher stillschweigend verachtet.
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