Max Frisch wurde am 15.05.1911 in Zürich geboren.Er studierte Germanistik und Architektur.Vor der Absolvierung
seines Architektenstudiums schrieb er das erste Buch "Jürg Reinhart".Seine Romane beschäftigen sich außer mit den
Fragen nach Schuld, Macht und Gerechtigkeit mit dem Problem der Identität, der Freiheit, sich nicht anders verhalten
zu können, und dem Ausbruch aus den Klischees.1942 eröffnete er ein Architektenbüro.Frisch unternahm
ausgedehnte Studienreisen durch Europa, nach Mexiko und in die USA.1960-1965 lebte er in Rom.Am 4.April 1991
starb Frisch in Zürich an Krebs.
Max Frisch erhielt den Georg-Büchner-Preis und den Friedenspreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels .
Weitere Werke:
Bin oder die Reise nach Peking, Santa Cruz, Die Chinesische Mauer, Tagebuch 1946-1949, Graf Öderland, Don Juan
oder die Liebe zur Geometrie, Stiller, Homo Faber, Andorra, Wilhelm Tell für die Schule, Tagebuch 1966-1971,
Montauk, Triptychon
Der Einakter "Biedermann und die Brandstifter" ist in 6.Szenen eingeteilt.Innerhalb der Szenen bilden die simultan
vorhandenen Schauplätze Stube und Dachboden, zwischen denen häufig gewechselt wird, Untereinheiten.
Hauptpersonen:
Gottlieb Biedermann, Josef Schmitz, Willi Eisenring, Knechtling
Inhalt:
In einer Stadt kommt es immer wieder vor, daß sich Untermieter in ein Haus einnisten und dann dieses Haus
niederbrennen.Gottlieb Biedermann ist sich sicher, daß ihm soetwas nie passieren kann.Eines Tages dringt ein lästiger
Besuch in sein Heim:der Ringer Josef Schmitz, ein Mensch von triefender Sentimentalität und höhnischer
Verschlagenheit, bittet um Obdach auf dem feuergefährlichen Estirch.Biedermann sträubt sich, erliegt aber der
Schmeichelei, mit der Schmitz seine Spießermentalität, seinen Egoismus, sein Mißtrauen, schlechtes Gewissen und
sein Sicherheitsdenken geschickt zu manipulieren weiß.Er wirft den Ringer nicht hinaus.Herr Biedermann ist aber
nicht immer so nachgiebig, wie es hier scheint.In seinen eigenen geschäftlichen Angelegenheiten zeigt er sich als
kalter, nüchterner Rechner.Seinen Angestellten Knechtling, der offensichtlich eine Erfindung in Biedermanns
Haarwasserfabrik gemacht hat und der sich durch eine Beteiligung an der Ausnutzung der Erfindung eine
wirtschaftliche Verbesserung seiner Lage verspricht, wird rücksichtslos von Biedermann gekündigt und damit seiner
Existenzgrundlage beraubt.Er empfiehlt Knechtling, entweder sich einen Anwalt zu nehmen, was Knechtling finanziell
gänzlich unmöglich ist, oder sich unter den Gasherd zu legen.Das Verhalten Biedermanns gegenüber Knechtling
macht ihn zu potentiellem Mörder, da sein ehemaliger Angestellte seinen Rat befolgt und Selbstmord begeht.
Nachdem sich Schmitz immer stärker in die Häuslichkeit Biedermanns gedrängt hat und sich von seiner Frau ein
Frühstück servieren läßt, kündet er seinen Helfershelfer, den ehemaligen Kellner Willi Eisenring an.
Die ganze Nacht lang sind die beiden Brandstifter damit beschäftigt, Benzinfässer auf dem Dachboden zu stapeln, um
das Feuerwerk sachgemäß vorzubereiten.Als Biedermann den Neuankömmling und Schmitz aus dem Haus weisen
will, da seine Frau Babette durch das Gepolter der herangerollten Fässern am Schlaf gehindert wird, trifft ein Polizist
ein.Gottlieb der gerade kurz vorher erfahren hat, daß Benzin in den Fässern lagert, könnte sich nun dem Polizisten
anvertrauen, doch hat er sich Knechtling gegenüber in eine schiefe Lage gebracht.Denn Schmitz ist darüber
informiert, daß Biedermann Knechtling empfahl, sich unter den Gasherd zu legen.Als der, auf die Anzeige Frau
Knechtlings eintreffender Polizist ihm nun mitteilt, Knechtling habe sich tatsächlich unter den Gashahn gelegt, hält ihn
die Furcht vor dem unangenehmen Zeugen Schmitz, die beiden Brandstiftern zu verraten.
Am Nachmittag hilft Biedermann Willi die Zündschnur anzulegen, während Schmitz dabei ist, Holzwolle
aufzutreiben, die ideal für die Funkenvertreibung sei.Biedermann hingegen versucht alles als Scherz auszulegen,
während ihm Eisenrings offenes Bekenntnis tatsächlich keinen Zweifel an ihrer Absicht läßt.Biedermann kommt nicht
zur Einsicht und bietet ihnen selbst Streichhölzer an.
Nachspiel:
Nach dem Brand befindet sich die Familie Biedermann in der Hölle.Schmitz und Eisenring entpuppen sich als Teufel
und Beelzebub auf der Jagd nach den Großen der Welt.Aber nur die Kleinen werden gefangen, da die uniformierten
Übeltäter vom Himmel Amnestie erhalten.Also streikt die Hölle, und die verbrannte Stadt ersteht neu in Chrom und
Nickel, da die Hölle sich erhofft, beim nächsten Mal größere Beute zu erzielen.
Episoden:
Während der ersten Nacht, die der Ringer Schmitz im Hause Biedermanns verbringt, kann dessen Frau Babette nicht
einschlafen.Sie ist beängstigt einen unbekannten Gast am Dachboden zu haben.Der Chor und der Chorführer wachen
über den Dächern der Stadt, aber nichts Ungewöhnliches geschieht.
Der "Chor der Feuerwehrleute" übernimmt die Rolle, die das Verhalten des Biedermanns kommentiert.Im antiken
Versmaß verfolgt er parodierend, pathetisch die Entwicklung der Dinge, warnt Biedermann, verhält sich aber ebenso
passiv wie dieser vor der drohenden Gefahr.Auf der Bühne vertritt der Chor die Stadt, die wacht und warnt.
Biedermann erhält den Kranz, den er für die Beerdigung Knechtlings bestellt hat.Die Aufschrift der Schleife
besagt:"Unserem unvergeßlichen Gottlieb Biedermann."Die fälschlich zustandegekommene Verwechslung der
Namen bringt also zugleich zum Ausdruck, daß Biedermann selbst in die Grube fallen wird, die er Knechtling
gegraben hat, daß er sich durch die Vernichtung Knechtlings zugleich selbst zugrunde richten wird.
Grundgedanke:
Max Frisch hatte vermerkt, es handle sich "um die Darstellung eines durchschnittlichen Bürgers, der ein etwas
schlechtes Gewissen hat...und der ein gutes haben möchte, ohne irgend etwas zu verändern".
Max Frisch nennt sein Spiel "Ein Lehrstück ohne Lehre".Er deckt in ihm schonungslos Mißstände auf, weist auf die
Notwendigkeit einer radikalen Änderung hin, zeigt sie aber nicht selbst, sondern überläßt das dem Nachdenken der
Leser(Zuschauer).Das Stück ist die Kritik zu einer Gesellschaft, die aus reinen egoistischen Motiven nur zu gern
bereit ist ein Bündnis mit den Brandstiftern zu schließen, ohne jedoch zu wissen, daß sie selbst als erste vernichtet
wird.Die Unbelehrbarkeit des Helden Biedermann, der aus Feigheit sehend blind ist, seinem Untergang zu entkommen
sucht, indem er ihn selbst mitinszeniert.Frisch zeigt im Stück keine Einsicht und Wirkung.
Man kann die Moral dieses >Lehrstücks ohne Lehre< auf die jüngste Vergangenheit anlegen.Es kann bedeuten :wir
wußten, daß Hitler Krieg, Vorherrschaft, Brand und Ausrottung meinte.Er hat es deutlich genug gesagt, trotzdem hat
man es nicht recht geglaubt.
Sprache:
Eine auffallende sprachstilistische Besonderheit des Stücks sind die häufig vorkommenden Doppelungen.Drei Typen
sind zu unterscheiden:ganze Sätze werden wiederholt, Sätze werden verkürzt wiederholt, Wortgruppen oder Wörter
werden wiederholt.
Biedermann widerlegt sich selbst von Fall zu Fall durch seine aufgeblähte Rhetorik.Im Dialog zwischen Biedermann
und Schmitz zeigt es die Entlarvung, in der Doppelbödigkeit der Feststellungen, die der Ringer und heimliche
Brandstifter Josef Schmitz in der ersten Szene macht.
Die Uraufführung von" Biedermann und die Brandstifter" fand am 29.03.1958 in Zürich statt.Die deutsche
Erstaufführung war am 28.9.1958 in Frankfurt am Main(Uraufführung des Nachspiels).Die Fabel zu dem Stück
notierte Frisch bereits 1948 in seinem Tagebuch 1946-1949, im März 1953 wurde es als Hörspiel "Herr Biedermann
und die Brandstifter" im Bayerischen Rundfunk gesendet.
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