In Lene Nimptsch und Botho Freiherr von Rienäcker stehen sich zwei Personen gegenüber, die sich nach ihrer Herkunft und ihren Lebensverhältnissen doch sehr unterscheiden.
Lene ist ein Waisenkind und lebt bei ihrer Pflegemutter Frau Nimptsch, um die sie sich
aufopfernd kümmert, in einem kleinen Häuschen bei der Familie Dörr.
Lene hat eine realistische Sicht auf die Welt entwickelt und ist sich sehr wohl bewusst,
dass sie mit diesen geringen finanziellen Mitteln und mit diesen Lebensumständen keine hohe Stellung in der Gesellschaft hat. Dennoch hat sie gelernt, dies zu akzeptieren und
ihren eigenen Weg zu gehen.
Botho hingegen ist immerhin ein junger Offizier und ist in der Oberschicht integriert. Er
liebt das Einfache und Natürliche, kennt jedoch die gesellschaftlichen Konventionen und weiß, dass eine Liebe zu einer Frau mit geringerem Stand keine Chance hat.
Botho sträubt sich anfangs noch gegen die gesellschaftlichen Zwänge. Er würde lieber einfach und ehrlich leben. So ist er sich des bitteren Endes zwar bewusst, versucht es
jedoch wegzuträumen, da er keine Kraft besitzt gegen die gesellschaftlichen Zwänge anzukämpfen. Er verschließt zwar die Augen vor der kommenden Trennung durch die
gesellschaftlichen und familiären Zwänge, ist aber durchaus fähig, seine eigene Situation
zu überdenken und seine Möglichkeiten zu analysieren. Doch das System ist zu stark für ihn.
Lene weiß um des bitteren Ausgangs und genießt die Zeit mit Botho und so fügen sich beide dem Druck der Gesellschaft.
Denn im Gegensatz zu Lene, die durch ihren niedrigen Stand in der Gesellschaft überhaupt keine Stellung hat, ist Käthe bei allen in der Gesellschaft durch ihre lustige Art sehr beliebt. Hinzu kommen noch die finaziellen Aspekte von Käthe. Folglich sind die gesellschaftlichen Unterschiede ein ausschlaggebender Punkt.
Botho versucht in ihrer Gegenwart nicht als Baron aufzutreten und so kommt er ohne
Uniform zu ihr nach Hause. Er will, dass die Standesgehörigkeit keine Rolle spielt, doch genau dies zeigt, dass er sich somit außerhalb seines sonstigen Lebens bewegt.
Doch das Baronsein bleibt bestehen. Die bestehende Örtlichkeit (Dörrscher Garten) und die Kleidung zeigen, dass die Liebesbeziehung nur außerhalb der tatsächlich bestehenden Lebenszügen realisierbar ist.
Nur im Garten erscheint das gesellschaftliche Trennende für Botho und Lene belanglos zu
werden. Also nur unter Ausschluß der Öffentlichkeit herrscht das ungestörte Glück der beiden. Somit ist die Idylle nur im Schutz des Heimlichen und Verborgenen realisierbar.
Als die beiden Liebenden im Garten sitzen und von "drüben" sprechen (S.34 Lene: "Weißt du Botho, wenn ich dich nun so nehmen und mit dir die Lästerallee drüben auf und ab schreiten könnte, und könnte jedem sagen:..., und er liebt mich und ich lieb ihn, was glaubst du, was ich dafür gäbe?"), wird die gesellschaftliche Spannung bewusst und diese zeigt, dass ihr gemeinsames Glück nicht lange dauern kann.
Auch als Botho in seiner Unterkunft den Brief von Lene liest, kommt seine Unruhe zum Ausdruck. Er bekommt Angst vor dem Risiko der Beziehung mit Lene. Dies ist zu erkennen, als er über Lenes Rechtschreibfehler stolpert.
Lene teilt Botho in diesem Brief zudem mit, dass sie ihn mit einer Blondine gesehen hat, doch wer diese Frau ist, bleibt zunächst ungeklärt. Später stellt sich heraus, dass Käthe gemeint ist. Doch Käthe wird durch diese Undurchsichtigkeit nicht zur Gegenspielerin Lenes. Die auch in anderen Gesprächen genannten annonymen Beziehungsformen (Kap. 7
Flachsblondine zum Küssen) weisen vielmehr auf das gleicheVorhandensein bestimmter Verpflichtungen hin, von denen Botho einmal in einem Gespräch über den Club erzählt und die mit der Liebesbeziehung nur durch unklare Vermutungen in Zusammenhang stehen. Doch dadurch wird der bedrohliche Hintergrund geschaffen, vor dem das Verhältnis von vornherein steht.
Bothos Festhalten an überkommenen Standesvorstellungen, seine angedeutete Abhängigkeit vom Urteil der anderen wirkt in seine Beziehung zu Lene hinein, seine Wohnung legt bestimmte Lebens- und Wirklichkeitsbezüge frei, in denen er sonst noch steht. Es sind Ansprüche und Bindungen, in die er hineingestellt ist und die nur während der Zeit des Zusammenseins mit Lene beiseite bleiben. Bothos Standeszugehörigkeit und sein privates Verhalten gegenüber Lene sind eben keine voneinander geschiedene oder scheidbare Bereiche.
Im Restaurant, bei dem Gespräch mit Wedell und seinem Onkel, machen diese ihm ganz klar deutlich, dass es für Botho nur eine Hochzeit mit einer Frau seines Standes geben kann und dass alles andere nicht geduldet wird und sein Untergang wäre. So wird der Onkel zum Botschafter der Mutter und Botho bekommt den Zwang der Gesellschaft zu spüren.
Ein weiterer Indiz dafür, dass das Glück der beiden nicht mehr von langer Dauer sein kann,
ist das Gespräch Bothos mit dem Wirt bei Hankels Ablage. Das Gespräch handelt von
Geschäften, Konkurrenz, Arbeit und Gewinn und Lenes Unpäßlichkeit weist sich als böses Anzeichen für einen Abschied der beiden aus.
Die Offizierskollegen tauchen schließlich bei Hankels Ablage auf und es wird deutlich, dass Lene als einzige wirklich Liebende ihres Mannes in so einer Gesellschaft fehl am Platze ist. Das Gespräch zeigt die Kunst der Konversation.
Den krönenden ausschlaggebenden Schlusspunkt für eine Trennung von Lene ist schließlich der Brief von seiner Mutter, durch diesen Botho über die ganz schlechte finanzielle Situation der Familie Rienäcker informiert wird und indem geschrieben ist, dass nur eine Ehe mit einer Wohlhabenden die Familie noch retten kann. Botho, der sich nun entgültig bewusst ist, dass seine Zukunft und die der Familie nur durch die Familie Sellenthin gerettet werden kann, hält einen inneren Monolog und muss feststellen, dass seine und Lenes Fähigkeiten( im Bezug auf richtiges Arbeiten) zu gering sind, als dass sie in der Gesellschaft überleben könnten.
So sind die geringen finanziellen Fähigkeiten und die Unfähigkeit der beiden, eine lohnende Arbeit auszuführen weitere Gründe für eine Trennung.
Der Erzähler will mit der Trennung vielleicht zeigen, dass zu dieser Zeit eine Liebe zwischen zwei sich Liebenden einfach keine Chance hatte wenn die gesellschaftlichen Anforderungen nicht erfüllt waren. Er will damit vielleicht belegen, dass die Leute damals sehr an ihren Bräuchen hingen und, dass die Liebe nur eine untergeordnete Rolle in der Gesellschaft hatte. Er stellt die Trennung als normale Gegebenheit dar, der Erzähler könnte aber durchaus das Ziel haben, die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse zu kritisieren.
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