1. Einleitung
Um für diese Hausarbeit zu recherchieren, wählte ich mich ins Internet ein und rief die Suchmaschine: Fireball auf. Beim Stichwort "Single" fand ich 76.950 deutschsprachige Einträge, international waren 1.909.983 Artikel vorhanden. Allein die riesige Anzahl der Beiträge unterstreicht das aktuelle Interesse an der Thematik. Beim diagonalen Sichten der Beiträge verblüffte der Eindruck, dass sich die weitaus größte Anzahl der Beiträge mit dem Wunsch nach Beendigung des Singledaseins beschäftigen (Partnervermittlung, Ratgeber: Wie finde ich den richtigen Partner,...). Ein weiterer großer Anteil der Beiträge betrachteten das Singledasein als Last und beschäftigen sich mit der Linderung des aktuellen Leidens: Selbsthilfegruppe: Allein im Alter, Allein mit Kindern, Arm und allein,....
Positive Beiträge über das Alleinlebens kamen im vergleich dazu selten vor, meist über Yuppies . Die Betrachtung des Themas mit dem quantitativen Blick auf das Internet ist sicherlich weder repräsentativ noch irgendwie wissenschaftlich verwertbar, macht aber neugierig, sich näher mit dem Phänomen "Alleinleben" zu beschäftigen und bezeugt sicherlich das gesellschaftliche Interesse an dieser Entwicklung.
2. Abgrenzung des Begriffs
Der Begriff des Alleinlebenden wird abhängig von der Blickrichtung unterschiedlich definiert. Hierbei werden häufig unterschiedliche Personengruppen gemeint.
In der Debatte der 90er Jahre wurden Alleinlebende generell als Singles bezeichnet. Dies führt dazu, dass über so unterschiedliche Personengruppen wie
- junge berufstätige Partnerlose
- Bewohner von Wohngemeinschaften
- Paare mit getrennten Wohnungen (\"Living apart together\")
- unverheiratet zusammenlebende Paare
- Verheiratete, die aus beruflichen Gründen einen Zweitwohnsitz unterhalten (\"Commuter Ehe\")
- Verheiratete, die sich getrennt haben, aber noch nicht geschieden sind
- geschiedene Väter, deren Kinder im Haushalt der Frau leben
- kinderlose, geschiedene Frauen
- Alleinerziehende, deren Kinder nur zeitweise im eigenen Haushalt leben
- ältere Witwen bzw. Witwer.
Aussagen gemacht werden. (nach [3])
Das Statistische Bundesamt bezeichnet Alleinlebende als \"Personen, die für sich alleine in einem Haushalt wohnen und wirtschaften (Einpersonenhaushalte) \"
Ruediger Peukert [1] typisiert die Alleinlebenden mit Hilfe einer Matrix um die heterogene Gruppe zu klassifizieren:
Freiwillig Erzwungen
Befristet Ambivalente Hoffende
Unbefristet Entschiedene Resignierende
3. Statistische Betrachtungen
Wie oben schon vermutet, ist Alleinleben in Deutschland ein wichtiges Thema, da es immer mehr Menschen betrifft. Statistische Betrachtungen weisen nach, dass der Anteil der Einpersonenhaushalte bis 1989 stetig steigt. Zieht man allerdings die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Anhang) hinzu, stagniert der Anteil der Einpersonenhaushalte bis 1998 bei ca. 35 %. (1910:7,3%, 1989: 35,3%) Inwieweit hier allerdings die Wiedervereinigung mit der unterschiedlichen Lebenssituation in beiden deutschen Staaten Einfluss auf die Statistiken hatte, ist schwer einzuschätzen. Die in den 90er Jahren vertretene Ansicht, dass der Trend wie bisher eher noch zunimmt scheint sich nicht zu bestätigen.
Auf dem 25. Soziologentag 1990 prognostizierte BECK für die nahe Zukunft einen Anstieg der Einpersonenhaushalte (...)in Großstädten auf 70 % und provozierte damit eine langanhaltende Debatte . Zehn Jahre danach stagnieren die Zahlen eher. Sie bewegen sich annähernd auf dem gleichen Level wie Anfang der 90er Jahre.
[aus 3]
Auch ist auffällig, das die Verteilung der Alleinlebenden abhängig vom Geschlecht ist. Während Männer häufiger in jüngeren Jahren solo leben, führen Frauen im fortgeschrittenen Alter häufiger einen Einpersonenhaushalt. Insbesondere steigt diese Lebensform häufig bei Älteren signifikant an. Als Ursache wird die höhere Lebenserwartung der Alten und deren zunehmend bessere finanzielle Situation gesehen.
4. Situation der Alleinlebenden
4.1. wirtschaftliche Situation
Alleinleben ist teuer. Viele Einpersonenhaushalte verfügen daher über mehr Geld als der Durchschnitt, einen sicheren Beruf, der ihnen ermöglicht diese Lebensform zu wählen. Diese Ergebnisse berücksichtigen nicht die Haushalte von "jungen Einpersonenhaushalten" , Menschen, die mit wenig Geld ausgestattet, aus ihrem Elternhaus erstmals ausziehen oder die Gruppe der armen Älteren, die unfreiwillig zu dieser Lebensform kommen. Untersuchungen finden viele Alleinlebende in hochqualifizierten Berufen; insbesondere bei Frauen scheint diese Lebensform karrierefördernd zu sein. Währenddessen kann sich bei Männer, die sich das Alleinleben problemlos leisten könnten, das Alleinleben nachteilig auf die Karriere auswirken. Von leitenden Angestellten insbesondere in stark werteorientierten Branchen (z.B. Bankenbereich) wird eine Ehe erwartet.
4.2. soziale Situation
Alleinleben bedeutet nicht den Verzicht auf eine Beziehungen. 50-75% aller Alleinlebenden führen eine feste Partnerschaft. Während Frauen dabei Wert auf eine dauerhafte und treue Partnerschaft legen und bei Fremdgehen eine Trennung vorsehen, leben 30% der Männer als "swinging single" mit mehr als einem Intimpartner. Sexuelle Promiskuität lässt sich vorzugsweise in dieser Lebensform verwirklichen, was aber eher für Männer von Bedeutung ist.
Außerhalb von Partnerschaften sind Alleinlebende auch sozial aktiver. Sie haben einen größeren Freundeskreis, den sie intensiv pflegen.
Die Lebensform des Alleinlebens wird gesellschaftlich allerdings nicht so akzeptiert, wie das Leben in der Kleinfamilie. Deutlich ist gerade aktuell zu verfolgen, dass die Familie zur Zeit gesellschaftlich Boden gewinnt. Insbesondere in der Presse bekommt man schnell den Eindruck, dass die Rückkehr zur bürgerlichen Kleinfamilie überall favorisiert wird. Die Ehe eines Boris Becker, eines Spice-Girls, eines Schuhmachers, des Bundeskanzlers Schröder u.s.w. stehen im öffentlichen Interesse. Auch renommierte Magazine wie DER SPIEGEL bemerken die Rückkehr zur Zweisamkeit und prophezeien den Trend der Abkehr vom Singleleben [2]. Schwule und Lesben, früher vehemente Verfechter alternativer Lebensformen, besinnen sich zunehmend auf die Vorzüge der Familie und fordern dieses Recht auch für sich.
Die Gesellschaft geht mit Alleinlebenden recht zwiespältig um: einerseits werden sie um die Freiheiten, die ihr scheinbar ungebundenes Leben ermöglicht, beneidet. Andererseits unterstellt man ihnen gleichzeitig auch die Unfähigkeit, eine Bindung einzugehen und spricht ihnen die Fähigkeit ab, einen Partner zu halten.
Auch die Alleinlebenden selbst sind häufig mit ihrer Situation unzufrieden. Besonders beklagt wird häufig das Alleinsein, emotionale Leere und fehlende Geborgenheit. R. Peukert schreibt, dass jeder zweite Single zeitweise an seiner Situation leide. Man kann sogar einen Zusammenhang herstellen zwischen dem Alleinleben und Selbstmordrate, Alkoholismus, der Lebenserwartung. Anfang des Jahres fassten Zeitungen Zahlen des Statistischen Bundesamtes unter der Überschrift zusammen: "Alleinlebende sind häufiger krank."
Im April 2000 waren elf Prozent der Verheirateten krank oder unfallverletzt. Bei Geschiedenen betrug die Quote 16 Prozent und bei Verwitweten 24 Prozent.
Andere Untersuchungen ergaben hingegen keinen Zusammenhang zwischen dem Singledasein und Depressionen, allgemeiner Lebenszufriedenheit, Selbstwertgefühl und psychischen Wohlergehen im Allgemeinen.
5. Alleinleben als neue Lebensform!
Mit zunehmender Liberalisierung der Sexualmoral, wird es leichter, den Weg des Alleinlebens einzuschlagen. Die Kirchen, die außereheliche Beziehungen ablehnen, werden in der Bundesrepublik zunehmend unbedeutender.
Auch der steigende Wohlstand in Deutschland ermöglichte erst breiten Schichten, diese Lebensform in Betracht zu ziehen. Die zunehmender Zahl von Alleinlebenden bewirkt, dass sich die Wirtschaft auf Singles einstellt. Es werden kleinere Verkaufsgrößen bei Lebensmittel angeboten, die Anzahl der 1-2 Zimmer Appartements nimmt zu, Urlaubsangebote berücksichtigen zunehmend mehr den Alleinreisenden. Die verlängerten Öffnungszeiten ermöglichen auch dem alleinlebenden Berufstätigen angenehm einkaufen zu gehen.
Erst die Fortschritte in der Technik, ermöglichen problemloser die Haushaltsführung neben dem Beruf - Waschmaschine, Staubsauger, Mikrowellenherde machen die Rollenaufteilung in Hausfrau und berufstätigen Geldverdiener überflüssig.
Die Emanzipation der Frau, ihre zunehmende Berufstätigkeit, wachsendes Selbstbewusstsein, sind weitere Bausteine, die für sie das Singleleben erst ermöglicht.
Die Ehe wird zunehmend für viele Menschen unattraktiv. Die wachsenden Scheidungsraten, insbesondere in Großstädten zeigen, dass die traditionelle Familie vielfach nicht mehr funktionieren. Hier bietet sich, für viele sicherlich auch nur zeitweise, im Alleinleben eine erwägenswerte Alternative. Die Erfahrungen einer gescheiterten Ehe fördert das Bedürfnis das Leben selbst zu gestalten.
Es ist der Wunsch vieler Menschen in Deutschland, ihr Leben nicht mehr, wie ihre Eltern noch, in Kleinfamilien zu verbringen. Neben der Ehe, bzw. dem Leben in einer Lebensgemeinschaft hat sich unstrittig das "Singledasein" als neue Lebensform schon rein quantitativ als zweitwichtigstes Lebenskonzept durchgesetzt. Ob der Anteil von ca. 1/3 noch erheblich steigen wird ist spekulativ - gleichbleibend gute wirtschaftliche Bedingungen vorausgesetzt, lässt sich diese Lebensform sicherlich nicht mehr wegdenken.
6. Eigenes Beispiel
In meiner unmittelbaren Nachbarschaft lebt Frau R. Sie ist 72 Jahre alt, noch verheiratet, lebt aber seit ca.15 Jahren alleine in zwei Zimmern in einer Genossenschaftswohnung. Sie hat sich von ihrem Mann getrennt, nachdem er mehrmals Affären mit anderen Frauen hatte, und sie keine Lust mehr, diese weiter hinzunehmen. Die Miethöhe ihrer Wohnung ist moderat, ihre Rente ausreichend, und so bereitet es ihr wirtschaftlich auch keine Schwierigkeiten als Single zu leben. Zu Beginn ihrer Trennung, so berichtete sie, sei es ihr sehr schwer gefallen, mit dem Alleinsein klar zu kommen, zumal sie keine eigenen Kinder und auch keine weiteren Angehörigen in Berlin hat. Aber schon nach kurzer Zeit genoss sie die rauchfreie Wohnung, die zeitliche Unabhängigkeit, die freie Möglichkeit der Freizeitgestaltung. Sie suchte sich neue soziale Kontakte in ihrer neuen Umgebung, betreute neben ihrer Arbeit als Verkäuferin einige Kinder in der Siedlung. Sie ist inzwischen, seit einigen Jahren Rentnerin, auch die "Oma" meiner 13 jährigen Tochter - nimmt rege an deren Leben und Problemen teil.
Auch die anfängliche Unsicherheit - "Soll das jetzt mein Leben gewesen sein?" - wich zunehmend der Überzeugung, so besser zu leben. Regelmäßig in der Nebensaison, nimmt sie günstige "Single-" Reiseangebote nach Spanien war, bringt den Kindern aus der Nachbarschaft kleine Geschenke mit.
Inzwischen hat sich auch wieder ein lockerer Kontakt zu ihrem Mann ergeben. Er lebt inzwischen in einem Altersheim - sie besucht ihn in größeren Abständen.
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