In diesem Kapitel soll auf der Basis eines zu entwickelnden Anforderungsprofils für Computerlernprogramme, deren sinnvoller Einsatz in pädagogischen Kontexten diskutiert werden. Hierbei wird auf eine empirische Untersuchung verzichtet, die den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Anstelle dieser empirischen Untersuchung werden zwei Beispielprogramme analysiert. Dabei steht weniger der Umgang des Lernenden mit einem Programm im Mittelpunkt, als vielmehr die Möglichkeiten, die das jeweilige Programm dem Benutzer offeriert, um sein Ziel, eine bestimmte Fähigkeit zu erwerben, zu erreichen. Neben diesen Lernzielen soll die Lernsituation in die Bewertung mit einfließen. D.h. in welcher Lernumgebung wird das jeweilige Programm genutzt. Schließlich soll untersucht werden auf welchen Lerntheorien das Programm basiert.
BAUMGARTNER weist darauf hin, dass immer einige Schwierigkeiten bei der Bewertung von Lernprogrammen vorliegen werden. So können Kriterienkataloge nie einem Anspruch auf Vollständigkeit genügen, da die Entwicklungen im Bereich der Lernpsychologie und der Computertechnologie zu rasant voranschreiten, um die Aktualität zu wahren. Desweiteren hinterfragt BAUMGARTNER die Objektivierbarkeit von Bewertungskatalogen. So stünden zwar jedem Evaluator eine Reihe von Lerntheorien zur Verfügung, dennoch, so BAUMGARTNER, seien die Kriterien, die eine gute von einer schlechten Software unterschieden, einer Gewichtung des jeweiligen Pädagogen unterworfen. "Damit ist es mit der scheinbaren Objektivität von Kriterienkatalogen vorbei." (Issing/Klimsa,1995: S.242) Dem ist jedoch zu Widersprechen, da es Anforderungen an ein Lernprogramm gibt, die nicht der Beliebigkeit unterliegen. Es sind doch gerade die Lernziele, die der Überprüfbarkeit unterliegen müssen. Es sind aber auch die Lernsituationen und die Postulate, die sich aufgrund der Lerntheorien formulieren lassen, die allgemein gültig sein müssen. Das Bewertungsergebnis kann jedoch durch die Subjektivität des Pädagogen gefärbt sein.
3.1. Anforderung an ein Strukturprofil von Computerlernprogrammen zur Förderung von Lehr- und Lernprozessen
Dieser Abschnitt beleuchtet explizit nur solche Komponenten, die zur Förderung von Lernprozessen beitragen, wie sie in Kapitel 2 beschrieben wurden. Die lerntheoretische Betrachtung von Lernprogrammen hat ergeben, dass der Wissenserwerb individueller Natur ist. Es ist deshalb wichtig diese Individualität deutlich hervorzuheben, um sie in eine kritische Beziehung zu den regelgeleiteten, symbolverarbeitenden Maschinen zu setzten. Individualität des Lernprozesses bedeutet hierbei jedoch nicht, sich alleine einen Wissensstoff anzueignen, sondern eine Fähigkeit oder einen Inhalt so zu erlernen, wie es für den Einzelnen am effektivsten ist. SCHANDA schreibt dazu: "Zu zweit am Gerät lässt sich, entsprechende Motivation vorausgesetzt, die Konzentration und Ausdauer fördern. Verständnisprobleme des einen können zumindest zum Teil vom anderen oder im gemeinsamen Gespräch geklärt werden." (Schanda: S.35)
Zum methodischen Vorgehen der Bewertung von Lernprogrammen ist folgendes zu sagen: In Anlehnung an PUPPES Darstellung der Komponenten eines Expertensystems (Kap. 1.3.2.) sollen auch Lernprogramme in Abhängigkeit ihrer Nutzungsmöglichkeiten segmentiert werden. Deshalb werden im ersten Abschnitt dieses Kapitels die einzelnen Komponenten, die zu einem Lernprogramm gehören, beschrieben, so dass es möglich wird, anhand der Funktionsweise eines Lernprogramms auf dessen Komponenten zu schließen. Im zweiten und dritten Abschnitt dieses Kapitels soll auf der Basis einer strukturellen Bestandsaufnahme erklärt werden, welchen Beitrag das Lernprogramm aufgrund vorhandener Komponenten zum Lernprozess leisten kann, und welchen Aufgaben es aufgrund fehlender Komponenten nicht gerecht werden kann. So ist es möglich die Stärken und Schwächen einzelner Computerlernprogramme in pädagogischen Kontexten herauszustellen. Es wird dabei eine lerntheoretische Positionierung vollzogen, wobei das Einlösen von Lernzielen und die Beschreibung der Lernsituation mit berücksichtigt werden soll.
3.1.1. KI-Anforderungen
Wie im ersten Kapitel mit einem Hinweis auf CRUSE/DEAN/RITTER schon festgestellt wurde, ist es schwer, intelligentes Verhalten auf nur eine Eigenschaft zu reduzieren. Vielmehr unterliegt Intelligenz einer Dimensionierung, bei der vor allen Dingen bei Lernprogrammen die Fähigkeiten zur Adaption und zur Interaktivität für einen konstruktiven Wissenserwerb zugrunde liegen sollten. Diese KI-Anforderungen lassen sich in den folgenden drei Komponenten realisieren:
1. Diagnosekomponente
2. Problemlösungskomponente
3. Interaktionskomponente
3.1.1.1. Diagnosekomponente
Ziel eines jeden intelligenten Lernprogramms ist die Adaption an den Lernenden. (vgl. Kap. 2.2.3.3.) Dabei soll das Programm entsprechend dem Wissensstand des Lerners das Lernangebot zusammenstellen. VOSS bezieht diese Fähigkeit auf die Navigationskomponente und postuliert: "Insbesondere dann, wenn größere Informationsmengen bereitgestellt werden, ist es außerordentlich wichtig, dass ,intelligente' Suchalgorithmen zur Verfügung stehen. Nur so kann in akzeptabler Zeit der Informationsvorrat unter den interessierenden Gesichtspunkten durchsucht werden. Sehr große Datenbanken wären fast wertlos, wenn nicht mit geeigneten Suchalgorithmen rasch auf die Daten zugegriffen werden könnte." (Voss, 1985: S.76) Diagnosefähigkeit heißt also, den zu suchenden Begriff in den Zusammenhang des bisher Erlernten zu stellen, um so speziell für den Benutzer wichtige Informationen bereitstellen zu können, die ihn nicht aufgrund einer Überfülle an Auswahlmöglichkeiten verwirren, sondern sich nahtlos in den Lernprozess eingliedern.
3.1.1.2. Problemlösungskomponente
Die Installation einer Problemlösungskomponente, die in der Lage ist, aufgrund von programmierten Regelsystemen parallel zum Benutzer Aufgaben zu lösen, könnte eine konstruktive Hilfe für den Lernenden sein. Dadurch, dass ein solches Programm eine gestellte Aufgabe mit Hilfe der vom Experten definierten Regeln berechnet, ist es auch in der Lage, eventuelle Fehler bei der Lösung des Problems zu analysieren und kann somit auch ein spezifisches Feedback an den Benutzer weitergeben. (siehe auch Kap. 3.1.2.1. und 1.3.4.)
3.1.1.3. Interaktionskomponente
Einen Definitionsansatz bezüglich der Interaktion zwischen Mensch und Computer benennt HAACK: "Dieser Begriff bezeichnet sowohl das reale Nutzungsgeschehen zwischen Mensch und Computer, als auch die entsprechende Teildisziplin der Informatik, die sich mit der Beschreibung, Erklärung und Optimierung dieser Vorgänge befasst." (Issing/Klimsa, 1995: S.152) Da in dieser Arbeit das reale Nutzungsgeschehen im Vordergrund stehen soll, wird im Folgenden anhand eines Zitates von SCHANDA dieser Bereich weiter spezifiziert: "Spricht man von Interaktion(smöglichkeiten) der Lernenden mit dem Programm, so ist es sinnvoll, zu unterscheiden zwischen
- den Möglichkeiten der Lernenden, das Programm zu beeinflussen (auch als Benutzeroption bezeichnet) und
- den "Eingaben", die das Programm den Lernenden abverlangt um Aufgaben, Übungen etc. zu bearbeiten oder im Programm weiterzukommen." (Schanda: S. 75)
Diese beiden sehr unterschiedlichen Qualitäten von Interaktionsmöglichkeiten sollen an dieser Stelle deutlich herausgearbeitet werden. Im ersten Fall hat der Benutzer die Möglichkeit nonverbal und autorendefiniert in das Programm einzugreifen. Er kann z.B. mit dem Mauszeiger auf vom Autor vorher bestimmte Items "klicken" und somit in den Programmverlauf eingreifen. Eine andere Interaktionsform ist die verbal-schriftliche, wobei dem Benutzer ein Eingabefeld zur Verfügung steht, in das eine beliebige Frage oder Aufforderung eingegeben wird, worauf das Programm reagieren soll. Solche Maschine-Mensch-Schnittstellen gehören seit langem zu den Aufgaben der KI-Forschung, weil das Programm selbständig eine Aktion ausführen soll, die nicht explizit definiert wurde. Wie allerdings in Kapitel 1.2.3./1.2.4. nachgewiesen wurde, sind symbolverarbeitende Maschinen bis heute nicht in der Lage den geschriebenen Worten einen kontextabhängigen Sinn zu verleihen, also zu verstehen. An dieser Stelle soll auch noch einmal auf das Zitat von MANDL und HRON im zweiten Teil dieser Arbeit hingewiesen werden, in dem gesagt wurde, ein Lernprogramm sei nur dann intelligent, wenn es in der Lage sei, einen "flexiblen und adaptiven Dialog mit dem Lernenden zu führen." (vgl. Kap. 2.2.2.3. S.20) Nach dieser Funktionsbestimmung sind damit den intelligenten Lernprogrammen Grenzen gesetzt, die mit symbolverarbeitenden Maschinen zur Zeit nicht zu überwinden sind. Deshalb ist nur theoretisch von einer intelligenten Interaktionskomponente auszugehen, praktisch jedoch sind die natürlich-sprachlichen oder verbal-schriftlichen Interaktionen zwischen einer Maschine und einem Menschen immer sehr unzureichend geblieben. Es bleibt dennoch bei den zu bewertenden Lernprogrammen zu untersuchen, inwieweit die Interaktionskomponente verwirklicht wurde. Die Grenzen sind schwimmend.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Qualitäten von Interaktionsmöglichkeiten ist es nicht eindeutig möglich, sie den KI-Anforderungen unterzuordnen und wie festgestellt wurde ist dies, wenn auch nur theoretisch, denkbar.
3.1.2. Lerntheoretische Anforderungen
Für jeden Lernstoff bieten sich unterschiedliche Lernmethoden an. Deshalb sind heutige Lernprogramme nicht mehr nur einer Lerntheorie entlehnt, sondern in einem Programm sind unterschiedliche lerntheoretische Erkenntnisse für einen erfolgreichen Lernprozess zusammengeführt worden. Aus diesem Grund sind aus den drei in Kapitel zwei vorgestellten Lerntheorien für dieses Kapitel drei Komponenten abgeleitet worden, die die unterschiedlichen Lerntheorien repräsentieren sollen.
1. Drill and Practice-Komponente - behavioristische Lerntheorie
2. Tutorielle Komponente - kognitivistische Lerntheorie
3. Forschend-entdeckende Komponente - konstruktivistische Lerntheorie
3.1.2.1. Drill&Practice-Komponente
Extrahiert aus den behavioristischen Lerntheorien wird hierdurch eine Lernstrategie repräsentiert, die sich auf eine einseitige Informationsdarbietung beschränkt, nach dem Vorbild eines Lehrervortrags. Dies kann z. B. durch eine Videoeinspielung oder dem Abspielen einer Audiodatei oder der einfachen Darbietung eines Textes verwirklicht werden. Während der Wissensvermittlung ist der Lerner in einer reaktiven Haltung. Häufig werden zu diesem Zweck Drill&Practice-Programmkomponenten verwendet. Dabei ist die Drillkomponente eine gute Möglichkeit, um dem Benutzer gesichert Faktenwissen zu vermitteln. Sie dient zur Einführung in unbekannte Wissensgebiete. Gerade Anfänger können hierdurch in komplexe Problemstellungen eingewiesen werden. Im Anschluss an die Drill-Komponente hat der Lerner meist die Möglichkeit, ähnlich einer programmierten Instruktion (vgl. Kap. 2.1.2.1.) mit Hilfe der Practice-Komponente das zuvor Vorgetragene in einem kurzen Übungsteil zu wiederholen, wobei er mit Hilfe einer konstruktiven Rückmeldung in die Lage versetzt wird, selbständig herauszufinden, wie gut er einen bestimmten Lernstoff verstanden hat.
COHEN gibt einige allgemeine Kriterien für die Gestaltung von Rückmeldungen an:
1. informierende Rückmeldung: Durch eine Fehleranalyse soll der Benutzer nicht nur auf einen Fehler hingewiesen werden, sondern er ist auch in der Lage zu verstehen, welchen Fehler er gemacht hat.
2. sofortige Rückmeldung: Diese Form der Rückmeldung ist vor allen Dingen bei schwachen Schülern angebracht, um dauerhaft kleine Motivationsschübe zu geben.
3. verzögerte Rückmeldung: Dem fortgeschrittenen Lerner werden die sich wiederholenden Verstärkungen eher lästig sein, so dass hier eine längere Frequenz der Feedbacks gewählt werden kann.
Die Practice-Komponente arbeitet nach den behavioristischen Gesetzen der Verhaltenskonditionierung. So werden richtig wiedergegebene Inhalte durch ein Lob verstärkt, während falsche Inhalte durch eine entsprechende Deklaration gelöscht werden.
3.1.2.2. Tutorielle Komponente
Die tutorielle Komponente ist z.B. durch eine Form des Coaching oder den sokratischen Dialog in der Lage, Begriffsnetze bei dem Lerner zu erzeugen. Hierbei steht weniger die Vermittlung von Faktenwissen, also deskriptiver Konstrukte, als vielmehr die Aneignung von Regeln, also explikativer Konstrukte im Vordergrund.
Inhaltlich gehört die tutorielle Komponente zu den lerntheoretischen Komponenten, programmiertechnisch ist sie allerdings den KI-Komponenten zuzuordnen, da sie auf dem Dialog basiert. (vgl. Kap. 2.2.2.3.) Deshalb soll die tutorielle Komponente im Kapitel der lerntheoretischen Anforderungen beschrieben werden, aber dennoch den KI-Komponenten zugeordnet werden. (vgl. Kap. 3.1.4.)
3.1.2.3. Forschend-entdeckende Komponente
Die forschend-entdeckende Komponente soll dem Benutzer eine dem entdeckenden Lernen nahestehende Umgebung offerieren. Hierdurch soll die aktive Rolle des Lerners gefördert werden, um sich den Lernstoff anzueignen, den der Lerner selbst für sinnvoll erachtet. Eine schon beschriebene und als geeignet befundene Benutzeroberfläche ist der Hypertext. Hierbei wird der Benutzer z.B. mit einem bestimmten Lernziel in die explorative Lernumgebung entlassen und hat so die Möglichkeit, seine eigenen Wissensstrukturen zu konstruieren. Hält der Benutzer das Lernziel für erreicht, kann er z.B. mit Hilfe einer Practice-Komponente nachprüfen, ob seine Wissensstrukturen den Anforderungen des Lernziels entsprechen.
3.1.3. Designtheoretische Anforderungen
Ein gutes Programmdesign soll den Benutzer motivieren können. Es sollte ansprechend sein und die Bildschirmoberfläche so strukturieren, dass es dem Benutzer leicht fällt, ohne entsprechendes Vorwissen mit dem Programm umzugehen. BONSIEPE beschreibt die Aufgabe der Infodesigner folgendermaßen: "Ein Infodesigner wird sich den Kommunikationsaufgaben nicht nur, vielleicht nicht einmal überwiegend, unter der Perspektive der Visualisierung, als vielmehr unter der Perspektive der Organisation und Strukturierung von Informationen nähern. Gerade die digitalen Medien machen deutlich, dass visuelle Gestaltung nicht eine illustrative Zusätzlichkeit ist, sondern die hinter dem Sichtbaren liegenden Strukturen angeht." (Bonsiepe, 1996: S.75) Erst durch ein gutes, das heißt prägnantes Design (vgl. Kap. 3.1.3.4.) ist es möglich, eine Information so zu strukturieren, das der Lerner sie leicht aufnehmen, also assimilieren kann und so die Komplexität des Lernstoffes geringer wird.
Aus den Erkenntnissen der Gestaltpsychologie soll im Rahmen dieser Arbeit der Teil der Ergebnisse dargelegt werden, der sich mit der Wahrnehmung graphischer Darstellungen befasst. Die Gestaltpsychologie leitet sich aus dem Bereich der Phänomenologie ab und beschäftigt sich als solche mit beobachtbaren Phänomenen. Der Begriff der Wahrnehmung spielt deshalb eine entscheidende Rolle. BRÄUER definiert den Begriff "Wahrnehmung" folgendermaßen: "Wahrnehmung ist also der Prozess der Reizaufnahme und das Ergebnis derselben (Erkenntnis dessen, was die Reizkonfiguration bedeutet)." (Bräuer, 1994: S.49) Je klarer und unmissverständlicher also das Design ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Lerner leicht die Inhalte aufnehmen kann, die zur Erreichung des Lernzieles beitragen. Im Folgenden sollen einige Gestaltgesetze, die für ein Interfacedesign von Bedeutung sein können referiert werden. (vgl. Bräuer, 1994 und Abb.5)
3.1.3.1. Figur-Grund Gesetz
Bei dreidimensionalen Objekten in der zweidimensionalen Ebene ist der Beobachter nicht mehr in der Lage, Gegenstände hervorzuheben. Es entstehen sogenannte Kippfiguren. D.h. die Figur kann zum Hintergrund werden, oder aber der Hintergrund wird zur Figur. Die Wahrnehmung des Benutzers wird dabei stark strapaziert.
3.1.3.2. Gesetz der durchgehenden Linie
Der Beobachter folgt bei der Kreuzung zweier Linien immer der dominanteren, d.h. der längeren, wobei auch die eindeutige geometrische Positionierung (senkrecht/waagerecht) für den Betrachter eine große Strukturierungshilfe ist.
3.1.3.3. Symmetrie-Gleichgewicht Gesetz
BRÄUER unterscheidet drei Grundformen der Symmetrie: Die Symmetrie von Dingen, von Eigenschaften und von Relationen (vgl. Bräuer, 1994: S.63). Im Zusammenhang mit der Interfacegestaltung ist die Symmetrie von Dingen von besonderer Bedeutung, da sie sich auf die visuell wahrnehmbare Symmetrie bezieht. So nimmt man z.B. einen rechten Winkel im Gegensatz zu einem 40 Grad Winkel als sehr angenehm wahr. Ein rechter Winkel ist in der Lage zu strukturieren. Auch ein Kreis, ein Rechteck oder ein Quadrat sind dem Menschen geläufige Darstellungen, die eine Benutzeroberfläche strukturieren können.
BRÄUER schreibt an anderer Stelle: "Im Wahrnehmungssystem scheint Symmetrie als eine starke Tendenz zur Prägnanz angelegt zu sein." (Bräuer, 1994: S.64) Bei graphischen Darstellungen hat also die unterschiedliche Ausprägung von Prägnanz einen entscheidenden Einfluss auf den Wahrnehmungsprozess.
3.1.3.4. Prägnanz
RAUSCH hat einige Aspekte der Prägnanz benannt, z.B. Gesetzmäßigkeit vs. Zufälligkeit. Die gesetzmäßige Ordnung von Taskleisten wirkt so auf den Benutzer strukturierter als eine zufällige Anordnung. Desweiteren benennt RAUSCH den Aspekt Abgeleitetheit vs. Eigenständigkeit, wobei davon auszugehen ist, dass die sich wiederholende Ableitung einer Darstellung für den Benutzer einprägsamer wird, als eine ständig neue eigenständige Darstellung. Es geht also um den "roten Faden". Erst mit seiner Hilfe wird es dem Lernenden möglich, ohne Vorwissen ähnliche Interfaces zu erkennen und zu bedienen. Ein weiterer Aspekt ist Gestörtheit vs. Integrität. Hiermit meint RAUSCH, dass sich unterschiedliche Darstellungen nicht überlagern dürfen und die Kumulation vieler Abbildungen den Benutzer verwirren wird. RAUSCH legt auch Wert auf die Einfachheit einer Veranschaulichung, damit der Lernende einerseits die wichtigen Inhalte sofort erkennt und diese Inhalte andererseits für den Lernenden einprägsamer werden. Soll allerdings eine Darstellung prägnant sein, so muss sie auch realistisch die Komplexität, Ausdrucks- und Bedeutungsfülle wiedergeben können. Dazu sollte die Darstellung einfach sein aber nicht vereinfachen und dadurch komplexe Sachverhalte reduzieren. Es muss dem Betrachter möglich sein, die Komplexität eines Objekts wahrzunehmen. Allerdings dürfen die Eigenschaften eines Objektes nicht verfälscht werden, nur dann kann der Lernende die Ausdrucks- und Bedeutungsfülle erkennen.
3.1.3.5. Teile und Ganzes
Das gewohnte Ganze sollte immer als solches zusammenbleiben. So ist z.B. die graphische Darstellung eines Kuchendiagramms als nebeneinanderstehende Kuchenstücke für den Betrachter ungewohnt. Er ist gewohnt, die Stücke als Teil eines Kreises zu betrachten. Dann ist es ihm auch möglich, die Aussage eines Kuchendiagramms einfacher zu überschauen.
3.1.3.6. Gruppen und Grenzen
Es spielt eine erhebliche Rolle im Wahrnehmungsprozess, in welcher räumlichen Entfernung die graphischen Elemente angelegt werden. Nach dem Gesetz von Gruppen und Grenzen unterscheidet der Betrachter hierdurch Elementengruppen voneinander. Eine Benutzeroberfläche, die solche Erkenntnisse nicht umsetzt, würde den Lernenden verwirren.
3.1.4. Zusammenfassung aller beschriebenen Strukturkomponenten
Art der Komponente Strukturkomponente Aufgabe
Grundlegende Komponenten Wissensbasis Enthält den gesamten Lernstoff
Navigationskomponente Gibt dem Benutzer verschiedene Möglichkeiten, innerhalb des Lernprogramms zu agieren
KI-Komponenten Interaktionskomponente Soll innerhalb einer Mensch-Maschine-Schnittstelle eine verbal-schriftliche Kommunikation ermöglichen
Problemlösungskomponente Ist in der Lage, aufgrund einer Regelbasis eigenständig Probleme zu lösen
Diagnosekomponente Ist eine Art Beobachtungs- und Analysekomponente, um die Lerneigenschaften des Benutzers auf die Präsentation des Lernstoffs abzustimmen
Tutorielle Komponente Baut beim Benutzer hierarchische Begriffsstrukturen auf
Lerntheoretische Komponenten Drillkomponente Konfrontiert den Benutzer in einem Vortrag mit dem Lernstoff (Instruktion)
Practice-Komponente/Lernkontrolle Verstärkt oder löscht beim Benutzer bestimmte Reiz-Reaktions-Verbindungen
Forschend-entdeckende Komponente Ermöglicht eine entdeckende Lernumgebung (BRUNER)
Wie schon in Kap. 2.3.2.3. erklärt wurde, bestehen Lernprogramme heute nicht mehr aus nur einer Komponente, sondern der Begriff Hypermedia wird mit einem Konglomerat aus ganz vielen unterschiedlichen Lernprogrammkomponenten assoziiert.
Es müssen jedoch nicht alle Komponenten in einem Hypermediaprogramm vorkommen. Es sind nötige und hinreichende Komponenten zu unterscheiden. Ganz grundsätzlich muss ein Lernprogramm aus einer Wissensbasis bestehen, desweiteren sollte eine der drei Wissensvermittlungskomponenten (Drillkomponente, Tutorielle Komponente, Forschend-entdeckende Komponente) vertreten sein. Schließlich ist es eine nötige Voraussetzung für ein Computerlernprogramm, dass es mit einer Navigationskomponente versehen ist, um die Bedienbarkeit des Lernprogramms zu gewährleisten. Alle anderen Komponenten sind als hinreichende Voraussetzungen zu betrachten und dienen somit eher der Ergänzung des Lernangebots.
3.1.5. Auswahl der zu bewertenden Lernprogramme
Innerhalb dieses Kapitels soll es nicht nur um die Bewertung von Lernprogrammen gehen, sondern auch um die Bedeutung eines Lernprogramms in seinem pädagogischen Kontext. Aus diesem Grund wurden Lernprogramme aus zwei unterschiedlichen Lernumgebungen ausgewählt, zum einen ein computergestütztes Lernprogramm (CBT) und zum anderen ein sogenannter Lernserver aus dem world wide web (WBT). Während die CBTs meist auf einer CD oder einem ähnlichen Datenträger gespeichert sind, werden WBTs dem Lerner im Internet zur Verfügung gestellt. Während also das CBT dem Lerner einen abgesteckten Raum zur Verfügung stellt, sind Benutzer von WBTs in der Lage in der unendlich scheinenden Informationsfülle des Internet arbeiten zu können. Beide Lernumgebungen haben ihre Stärken und Schwächen, die durch die folgende Analyse herausgestellt werden sollen.
Darüber hinaus wurden die Lernprogramme aufgrund ihres starken exemplarischen Charakters ausgewählt, wobei es nicht möglich war, Lernprogramme mit implementierter KI aufzufinden. Hierfür lassen sich mehrere Gründe anführen. Zum einen stellt BORK fest, "dass die Programme der künstlichen Intelligenz in der Entwicklung zu kostenintensiv sind und zu teure Hardware voraussetzen." (Schulmeister, 1997: S.417) Hinzukommt, dass zu lange Entwicklungszeiten von KI-Programmen nicht dem Aspekt der Aktualität genügen können. Lehrpläne und damit auch Lerninhalte haben sich neuen Anforderungen angepasst, so sind viele Programme veraltet, wenn sie zum Einsatz kommen sollen. Für den Verfasser der Arbeit stellt sich die Situation so dar: Aufgrund der Interaktions- und damit auch Adaptionsmöglichkeiten des Internets, werden KI-spezifische Erkenntnisse im Bereich der Maschine-Mensch-Schnittstellen substituiert durch einfache Mensch-Mensch-Schnittstellen im Bereich des Chats im Internet.
Dies bedeutet im Folgenden für die Bewertung der Lernprogramme, dass neben dem Fokus des pädagogischen Kontextes auch die Defizite aufgezeigt werden sollen, die aus dem Fehlen der KI-Komponenten resultieren, um zu verdeutlichen welche Vorteile die Implementierung von KI in Computerlernprogramme haben könnte.
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