Daß es eine gewisse Affinität zwischen Juden und Hussiten gab In der Zeit der Hussitenkriege verdächtigte man die Juden, mit den Hussiten zu kollaborieren. Es gab in der Tat eine gewisse Affinität zwischen Juden und Hussiten, die aber wohl eher auf gleichermaßen erlittene Verfolgung zurückzuführen ist, als auf oberflächliche Übereinstimmungen in der religiösen Lehre.
Beide - Juden wie Hussiten - lehnten die Verehrung der Heiligen als Götzendienst ab, beide hatten aus katholischer Sicht ein abnormes Verhältnis zum heiligen Abendmahl: Die Hussiten mit ihrem Laienkelch und die Juden mit ihren angeblichen Hostienschändungen.
In einer vor 1452 verfaßten jüdischen Chronik ist zu lesen, daß Hus "leKiddúsch haSchém" - "zur Heiligung des Namens" verbrannt worden sei, eine Formel, die ansonsten nur auf jüdische Märtyrer angewandt wurde. Aus der gleichen Handschrift geht hervor, daß mehrtägiges Fasten der Juden Gott dazu bewegen sollte, den Hussiten den Sieg zu verleihen. Und zwar nachdem die Schikanen durch die sich 1420 zum Kampf gegen die Hussiten sammelnden Heerhaufen bereits überstanden waren.
Daß die Hussiten die theologisch begründeten Vorurteile der Katholiken gegenüber den Juden nicht teilten Die Hussiten teilten die theologisch begründeten Vorurteile der Katholiken nicht. Ihnen leuchtete es nicht ein, daß aus Genesis 49, 17, wo es heißt: "Zur Schlange am Weg wird Dan, zur zischelnden Natter am Pfad", geschlossen werden müsse, daß sich dereinst der Antichrist aus den Reihen des jüdischen Volkes erheben werde.
Schon Wicliff hatte gelehrt, daß nur ein Teil der Juden in der nahen Endzeit dem Antichrist folgen, ein anderer aber sich bekehren werde. Da man nicht wissen könne, wer von ihnen zu welcher der beiden Gruppen gehöre, solle man sie mit Güte und Nachsicht zu bekehren versuchen. Für Matthias von Janow, den wichtigsten Theologen der hussitischen Bewegung, ist der Antichrist die Gesamtheit der bösen Christen.
Den Hussiten wurde von katholischer Seite prompt Judenfreundlichkeit vorgeworfen. Auch wenn zum Beispiel bei einem taboritischen Aufstand in Prag 1422 auch das Judenviertel geplündert worden war. Auch wenn sich die hussitische "Judenfreundlichkeit" wie im Falle der Einnahme der Stadt Komotau (1421) darin erschöpfte, daß man die Juden vor die Wahl Tod oder Taufe stellte, während die Katholiken getötet wurden, ohne die Wahl zu haben.
In Wien erhitzten sich die Gemüter eifriger Studenten der Theologie an dem Gedanken, die Juden machten gemeinsame Sache mit den Hussiten. Sie drangen mehrfach gewalttätig ins Judenviertel ein.
Wie Albrecht durch Judenmord seine durch die Hussitenkriege zerrütteten Finanzen aufbesserte Der österreichische Erzherzog und spätere Kaiser Albrecht II. half sich aus der hauptsächlich durch die Hussitenkriege hervorgerufenen Geldverlegenheit, indem er 1420 alle Juden ob und unter der Enns gefangennehmen ließ. Die Mittellosen unter ihnen ließ er in Flußkähne pferchen, auf denen sie auf die Donau hinab nach Ungarn trieben, in den Herrschaftsbereich Sigismunds, des damaligen Königs von Böhmen und Ungarn und Kaisers des "Heiligen Römischen Reichs", der sie in Böhmen und Ungarn aufnahm. Die 200 zurückgehaltenen begüterten Juden hingegen ließ Albrecht foltern und schließlich (1421) auf der Erdberger Lände bei Wien verbrennen, was mit einer angeblichen Hostienschändung in Enns motiviert wurde. Der Besitz der ermordeten Juden wurde eingezogen. Die herzogliche Kammer betrachtete sich außerdem als deren Rechtsnachfolgerin und trieb ihre Außenstände ein.
Zu den genannten 200 ist eine größere Anzahl von Juden zu zählen, die, wie ein zeitgenössisches jüdisches Dokument berichtet, sich in der Synagoge selbst den Tod gegeben und damit den Folterknechten Albrechts entzogen haben.
Auf dem Judenplatz vorgenomme Grabungen sind 1995 auf die Reste der mittelalterlichen Synagoge gestoßen und haben diesen Bericht bestätigt.
Die Vertreibung der Juden aus Wien hatte negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, sodaß Friedrich III. (1440 - 1493) "zum gemeinsamen Nutzen für Juden und Christen" einzelnen Juden den Aufenthalt in Wien wieder gestattete. Maximilian I. (1493 - 1519) und Ferdinand I. (1531 - 1564) schrieben den Juden aber vor, ein Zeichen in Form eines gelben Rings an ihrer Kleidung zu tragen. Unter Maximilian II. (1564 - 1576) wurden sie abermals aus Österreich ob und unter der Enns ausgewiesen.
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