Was weiß man über die mutmaßlichen BSE-Erreger?
Martin H. Groschup (Tübingen) und Thomas C. Mettenleiter (Insel Riems)(Abgeändert v.:C.S.)
Die Rinderseuche BSE hat Konsequenzen für den gesamten europäischen Rindfleischmarkt
Im Jahre 1986 wurde der erste Fall der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie (BSE) bei einem Rind in Großbritannien diagnostiziert. Seitdem entwickelte sich eine BSE-Epidemie unerwarteten Ausmaßes. Es wird geschätzt, daß sich zwischen 1977 und 1995 über 900.000 britische Rinder mit dem BSE-Erreger infiziert haben. Von diesen erkrankten im Vereinigten Königreich bis Ende 1996 ca. 165.000 Tiere an BSE, während die anderen Tiere vor dem Ausbruch der klinischen Erkrankung geschlachtet wurden. Die Verfütterung von infektiösem Tiermehl stellt nach heutigem Kenntnisstand den wichtigsten Übertragungsweg für den Erreger dar. Die Frage, ob der BSE-Erreger vom Scrapie-Erreger der Schafe und Ziegen abstammt oder ob er schon immer beim Rind auftrat, ist bis heute ungeklärt. Hier sollen kurz der aktuelle Wissensstand zur Natur dieser außergewöhnlichen Erreger dargestellt und die hierzu in der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV) durchgeführten Forschungsvorhaben vorgestellt werden.
BSE und verwandte Krankheiten
Der "Rinderwahnsinn\" ist die zur Zeit wohl bekannteste aus einer ganzen Gruppe von Krankheiten, die alle ein ähnliches Erscheinungsbild aufweisen. Man spricht von den sogenannten 'Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien' (TSEs), was sich mit 'übertragbaren schwammartigen Gehirnerkrankungen' übersetzen läßt. TSEs sind bei Mensch und Tier bereits seit Jahrhunderten bekannt. Die Krankheit 'Scrapie' wurde im 18. Jahrhundert erstmals bei Schafen und Ziegen beschrieben. Vereinzelte Ausbrüche der übertragbaren Nerz-Enzephalopathie wurden seit 1947 vorwiegend in den Vereinigten Staaten beobachtet. Dagegen kommt die \'Chronic Wasting Disease\' in den USA und in Kanada erst seit 1967 bei in Gefangenschaft gehaltenen Maultierhirschen und Elchen vor.
Beim Menschen kennt man seit der Jahrhundertwende die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK), das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) und die Kuru sowie - seit 1992 - die tödliche familiäre Schlaflosigkeit (FFI). Inzwischen ist für nahezu alle TSE-Formen die Übertragbarkeit von einem Individuum auf ein anderes belegt.
Abb. 1: Klinisches Bild eines an Scrapie erkrankten Schafes
(Aufnahme: M. Dawson, Central Veterinary Laboratory, GB).
Betroffene Tiere leiden unter erhöhter Schreckhaftigkeit, Stelzgang, Muskelzittern, Abmagerung und Juckreiz, weshalb sie im Extremfall ihr Wollvlies ganz oder teilweise herunterkratzen.
TSEs bei Mensch und Tier führen erst nach jahrelangen Inkubationszeiten zur Erkrankung (Abb. 1). Besonders betroffen sind bestimmte Bereiche der grauen Gehirnsubstanz, die mikroskopisch schwammartige Veränderungen aufweisen, was auf das Absterben von Nervenzellen zurückzuführen ist (Abb. 2). In vielen Fällen finden sich Ablagerungen aus unlöslichen Proteinen (\"amyloide Plaques\").
Abb. 2: Spongiforme Veränderungen im Rückenmark eines an BSE verendeten Rindes (a) im Vergleich zum Rückenmark eines gesunden Tieres (b)
(Aufnahmen: G.A.H. Wells, Central Veterinary Laboratory, GB).
Die Arbeit mit transgenen Tieren, also mit Organismen, die neben ihrer eigenen Erbsubstanz auch kleinere Stücke fremden Erbguts tragen, hat wesentlich dazu beigetragen, die Krankheiten besser zu verstehen und Forschungsarbeiten zu vereinfachen und zu beschleunigen. So wird an der BFAV ein wichtiger Teil der Untersuchungen zu BSE mit transgenen Mäusen durchgeführt, die einfacher zu halten und schneller zu vermehren sind als etwa Rinder.
Die Natur der Erreger
TSE-Erreger geben den Mikrobiologen nach wie vor Rätsel auf. Daß es sich um wahrhaft \'unkonventionelle\' Erreger handelt, zeigt schon ein Blick auf ihre beispiellos hohe Stabilität. Nur konzentrierte Säuren oder Laugen und chlorhaltige Lösungen inaktivieren sie zuverlässig. Dagegen sind herkömmliche formaldehyd- oder alkohol-haltige Desinfektionsmittel völlig wirkungslos. TSE-Erreger widerstehen ultravioletter oder ionisierender Strahlung, die bei Viren durch die Schädigung des Erbguts zu einer völligen Zerstörung ihrer Infektiosität führen.
Aufgrund dieser Eigenschaften vermutete der amerikanische Mikrobiologe Griffith 1967, daß es sich bei diesen Erregern um reine Proteine, also um Eiweiße, handeln könnte. Der Amerikaner Prusiner griff diesen Gedanken Ende der siebziger Jahre auf und formulierte im Jahre 1982 die Grundlagen der Prion-Theorie. Sie geht davon aus, daß ein krankhaft verändertes Eiweiß, das Prion-Protein, den Infektionserreger darstellt, was eine grundlegend neue Klasse von Infektionserregern postuliert (Viren besitzen immerhin neben einer Eiweißhülle auch noch eine darinliegende Erbsubstanz, die Nukleinsäuren DNS oder RNS). Der eindeutige Beweis für diese Theorie steht allerdings noch aus.
Daneben wird weiterhin diskutiert, daß ein Virus für diese Erkrankungen verantwortlich sein könnte, welches das Prion-Protein nur als Rezeptor zum Eindringen in die Zelle benutzt. Anhänger der Virino-Theorie postulieren dagegen, daß eine kleine virale Nukleinsäure nicht von viruseigenen Proteinen, sondern von Prion-Protein umgeben ist. Bisher gelang es aber nicht, eine solche erregerspezifische Nukleinsäure nachzuweisen.
Ein natürlicher Bestandteil des Körpers
Eines der zahlreichen Proteine, die natürlicherweise in den Hirnzellen von Menschen und Wirbeltieren vorkommen, ist das sogenannte Prion-Protein (PrPC). Schon früh wurde gezeigt, daß im Gehirn erkrankter Personen und Tiere eine veränderte Form dieses Proteins auftritt, die immer mit dem Vorhandensein des infektiösen Agens korreliert. Diese Form wird als pathologisches Prion-Protein (PrPSc) bezeichnet.
Die Funktion des Prion-Proteins ist bis heute unklar: Transgene Mäuse, die nicht mehr in der Lage sind, das zelluläre PrPC zu bilden (PrP0/0-Mäuse), entwickeln sich völlig normal. Möglicherweise spielt PrPC bei der Regulation der inneren Uhr oder bei der Nervenreizleitung in Synapsen eine Rolle.
Das Gen für das Prion-Protein liegt im Erbgut bei Mensch und Tier jeweils nur einmal je Chromosomensatz vor. Das Protein besteht - je nach Spezies - aus 254 bis 273 Aminosäuren. Bei seiner Bildung in der Zelle wird es mit unterschiedlichen Mengen von Zuckerresten verknüpft. Reifes Prion-Protein weist daher drei verschiedene Molekularmassen auf, die sich in biochemisch-immunologischen Nachweisverfahren als charakteristische Banden darstellen lassen (vgl. Abb. 5).
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