Von den Anfängen der Landwirtschaft in prähistorischer Zeit bis heute wurde nur ein geringer Anteil aller bekannten Pflanzenarten (etwa 15 000 Arten) kultiviert. Diese relativ wenigen Arten stellen für den Menschen jedoch die Hauptquellen dar für Nahrung, pflanzliche Fasern, die für Kleidung, Flechtwaren, Seile und ähnliches verwendet werden, Hausbau und Dachdeckmaterialien, sowie für Medikamente und Drogen.
Der Prozess der Kultivierung von Pflanzen begann überwiegend zufällig. Vermutlich geschah dies, indem die damaligen Menschen Samen und Früchte von Wildpflanzen, die in der Nähe menschlicher Behausungen gehäuft vorkamen, sammelten, sie keimen ließen oder bewusst aussäten und anschließend in die Erde pflanzten. Allmählich entwickelten unsere Vorfahren einen Blick dafür, dass bestimmte Exemplare der ausgesäten Pflanzen besonders wüchsig waren oder besonders schmackhafte Früchte oder größere Mengen davon lieferten; der entscheidende Schritt lag nun darin, diese Einzelindividuen gezielt weiterzuvermehren. Damit blieb deren spezifisches Erbgut erhalten und konnte nun weitergegeben werden. Erst sehr viel später wurden dafür spezielle Techniken wie die Pfropfung entwickelt.
Dieser Auswahlprozess fand ohne ein bereits vorhandenes Wissen der Grundlagen der Pflanzenzucht statt; er wurde vielmehr von der ständigen und engen Vertrautheit des vorindustriellen Menschen mit den Pflanzen geleitet. Ein Beispiel dafür ist der Weizen, dessen Vorfahren bereits vor mindestens 7 800 Jahren im östlichen Mittelmeerraum kultiviert wurden. Noch heute kann man manche Nutzpflanzen auf eine Wildform zurückführen oder feststellen, aus welchen Pflanzengesellschaften sie ursprünglich stammten, während dies bei anderen, durch die langjährige menschliche Züchtung und Kultivierung stark veränderten Arten, wie etwa dem Mais oder der Banane, kaum mehr möglich ist.
Heute hängt die menschliche Ernährung im Gegensatz zu früheren Zeiten von nur noch einer Handvoll Pflanzenarten ab, wovon Weizen, Mais, Reis, Gerste und Mohrenhirse die wichtigsten sind. Der Prozess der Pflanzenzucht beschleunigt sich in den letzten Jahren dank der Fortschritte in der modernen Genetik und insbesondere der Gentechnologie erheblich. Pflanzengenetiker können heute in nur wenigen Jahren beispielsweise windunempfindlichen Mais entwickeln und damit die Erträge massiv erhöhen.
Gleichzeitig hat sich die menschliche Nachfrage nach Nahrung und Energie so stark erhöht, dass zunehmend Pflanzenarten ausgerottet und ihre Lebensräume zerstört werden, bevor sie überhaupt wissenschaftlich erfasst und beschrieben wurden und ehe ihr möglicher Nutzen für den Menschen erkannt ist. Da insbesondere in den Tropen die Lebensraumvernichtung am schnellsten fortschreitet, dort andererseits aber weltweit die größte Zahl an Pflanzenarten - darunter die meisten noch unentdeckten - vorkommt, ist rasches Handeln notwendig, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und das genetische Potential der noch wenig bekannten oder nicht entdeckten Pflanzenarten für die gesamte Menschheit zu bewahren.
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