Es zeigt sich, dass stammesgeschichtliche "Konservativtypen" vielfach in Lebensräumen mit relativ konstanten Lebensbedingungen zu finden sind. Ein konstanter Lebensraum genügt aber auch nicht als alleinige Voraussetzung. Die Tatsache, dass stets nur Einzelfälle, nicht aber ganze Faunen und Floren Jahrmillionen hindurch unverändert bis zur Gegenwart erhalten haben, spricht dafür, dass mit weiteren Faktoren zu rechnen ist.
Lebende Fossilien sind in ihrer Verbreitung auf Reliktlebensräume beschränkt, sie haben in Bereichen der Erde überlebt, die von Konkurrenten weitgehend abgeschirmt sind. Es kommt daher auch der räumlichen Isolierung eine gewisse Rolle zu. Für die ökologischen Generalisten unter den lebenden Fossilien ist eine eingeschränkte Verbreitung verständlich: Zwar wären sie als Generalisten im Stande, sich in einer großen Vielfalt von Umgebungen anzupassen, sie sind aber gegenüber den moderneren, stärker spezialisierten Arten nicht konkurrenzfähig. Deshalb können sie sich nicht ausbreiten und bleiben auf ihren kleinräumigen Reliktarealen beschränkt.
Das Phänomen "lebende Fossilien" ist, wie wir sehen, ein sehr komplexes, und es ist nicht möglich, eine einfache allgemeingültige Erklärung dafür zu geben. Vielmehr ist jeder Fall einzigartig und jeder dazuzurechnende Vertreter muss für sich betrachtet werden.
" Wie die Hundertjährigen in unserer Gesellschaft hat jedes lebende Fossil seine eigene Geschichte zu erzählen", schreibt Peter Douglas WARD (1993: 27).
Bedeutung der lebenden Fossilien für die Wissenschaft
Für die Wissenschaft ist ein lebendes Fossil eine Art Zeitmaschine, die einen Blick zurück in eine längst vergangene Lebewelt gestattet. Sie sind deshalb für Zoologen und Botaniker, die sich mit der Rekonstruktion der Stammesgeschichte beschäftigen, von großer Bedeutung. Für den Evolutionsbiologen sind sie äußerst wichtige Objekte, da sie möglicherweise Aussagen über Faktoren zulassen, welche die Evolution steuern bzw. die Evolutionsgeschwindigkeit beeinflussen. Sehr wesentlich ist die Erforschung der lebenden Fossilien auch für die Paläontologie. Denn sie geben wertvolle Aufschlüsse über die Beschaffenheit fossil nicht erhaltener Merkmale und erlauben Rückschlüsse auf die Lebensweise sowie auf die Lebensbedingungen vorzeitlicher ausgestorbener Lebewesen (besonders die ihrer fossilen Verwandten) (THENIUS 2000: 14).
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