In vielen Fällen vermehrt sich HIV gleich nach dem Einbau seiner Gene in das Erbgut der Zelle. Es kann aber auch eine Zeit der Latenz geben - Tage, mehrere Wochen, Monate oder gar Jahre. Plötzlich wird HIV aktiviert, durch Signale, die die Zelle von außen erhält, oder durch Infektion mit einem zweiten Virus. Zur Virusvermehrung werden als erstes alle Einzelteile der Viren gebildet. Danach erfolgt der Zusammenbau zu neuen Viren. Zunächst werden Abschriften des integrierten Viruserbguts in Form von RNA-Molekülen durch zelleigene RNA-Polymerasen hergestellt. Sie dienen dem späteren Virus als Erbgut. Weitere RNA-Kopien werden zur Proteinproduktion verwendet. Sie werden wie jede beliebige zelleigene RNA behandelt, das heißt, die RNA-Abschriften der Virusgene werden geschnitten und wieder verknüpft. Dieses sogenannte Splicing gibt dem Virus die Möglichkeit die Information für die Herstellung seiner verschiedenen Proteine auf einem sehr kurzen Erbgut zu speichern. Es werden einfach verschiedene Abschnitte der RNA-Abschrift neu miteinander kombiniert. Damit entstehen aus einer ursprünglichen RNA-Abschrift mehrere Bauanleitungen für Proteine mit zum Teil völlig unterschiedlichen Eigenschaften. Anschließend gelangen die RNA-Abschriften durch die Poren der Zellkernmembran in das Cytoplasma. An den Ribosomen im Cytoplasma werden zunächst die Proteine für die Virusvermehrung synthetisiert. Dabei handelt es sich um Proteine, die dafür sorgen, daß bevorzugt Virus-RNA hergestellt wird. Erst später werden auch die Kapsidproteine für die Verpackung der Virus-RNA synthetisiert. Schließlich findet die Synthese der in die Membran eingelagerten \"Anker\"-Proteine an den Ribosomen des endoplasmatischen Retikulums statt. In diesem Zellbereich werden auch alle zelleigenen Proteine hergestellt, die in der Cytoplasmamembran verankert bleiben. Zusammen mit den Membranbestandteilen des endoplasmatischen Retikulums wandern die zukünftigen Oberflächenproteine des Virus in Richtung der Cytoplasmamembran. Dort beginnt der Zusammenbau der neuen Viren. Die Proteine der zukünftigen Lipidhülle des Virus lagern sich in Stellen der Cytoplasmamembran ein, wo sich auch die zukünftigen Kapsidproteine sammeln. Zuletzt kommen noch Kopien des Viruserbguts hinzu. Die Cytoplasmamembran stülpt sich an diesen Stellen nach außen. Diesen Vorgang, den man Knospung nennt, kann man im Elektronenraster-Mikroskop verfolgen. Er endet mit der völligen Abtrennung eines Bereichs der Cytoplasmamembran. Wie ein kleines Bläschen trennt sich das zukünftige Virus von der Zelle. Dies geschieht gleichzeitig an vielen verschiedenen Stellen der Cytoplasmamembran. Während der Knospung von Viren an der Membran werden ständig neue Virusteile für die Knospung weiterer Viren produziert. Aus einer einzigen Zelle können durch die Vermehrung Tausende neuer AIDS-Viren freigesetzt werden. Direkt nach der Knospung ist das Virus noch nicht in der Lage, eine neue Wirtszelle zu infizieren. Es muß zunächst reifen. Innerhalb des Virus durchtrennt die HIV-Protease die zukünftigen Kapsidproteine an je zwei Stellen. Es entstehen jeweils drei Bruchstücke, die sich einem Viruskapsid zuordnen und das Erbgut verpacken. Während der Reifung wird also das Erbgut von der schützenden Proteinhülle umgeben. Das gereifte Virus ist jetzt in der Lage, eine andere Zelle zu infizieren, die CD4-Proteine auf ihrer Zelloberfläche besitzt.
Die Vermehrung von HIV schädigt einige Wirtszellen stark. Im Gegensatz zu anderen Retroviren, welche die Zelle zum Wachstum anregen und Krebszellen produzieren, kann die Vermehrung von HIV sogar zum Absterben der Wirtszelle führen. Bei einer HIV-Infektion verringert sich nämlich die Zahl der T-Helferzellen deutlich. Warum sie bei der HIV-Infektion absterben, ist noch unbekannt. Es gibt noch einen weiteren Mechanismus, durch den sich AIDS-Viren in einer infizierten Person verbreiten. Die Anwesenheit viraler Oberflächenproteine während der Knospung neuer Viren bewirkt, daß sich diese Wirtszellen auch ihrerseits an andere Zellen anheften können, die CD4-Proteine auf ihrer Oberfläche tragen.
Die Bindung von viralen Oberflächenproteinen einer infizierten Zelle an CD4-Froteine einer nicht infizierten Zelle führt zu einer Verschmelzung des Cytoplasmamembranen beider Zellen. Es entstehen Zellen, die mehrere Zellkerne besitzen. Auf diese Weise verschmelzen nicht nur T-Helferzellen miteinander, sondern auch Makrophagen, die ebenfalls CD-4 - Proteine auf ihrer Oberfläche tragen. Es können dabei Riesenzellen aus 50 bis 100 Einzelzellen entstehen. Im Gegensatz zu T-Helferzellen, die nach HIV-Infektion im allgemeinen kurzlebig sind, überstehen die Makrophagen die Infektion über viele Wochen und beherbergen dabei die Viren entweder latent oder produzieren neue Viren. Makrophagen werden deshalb als Virusreservoir angesehen. Der Befall von Nervenzellen oder - dies ist wahrscheinlicher - von Zellen, die sie ernähren, führt - am stärksten sichtbar in den Endstadien von AIDS - zu neurologischen Schäden wie Nervenschmerzen, Gedächtnisverlust oder unkoordinierten Bewegungen. Möglicherweise sind aber auch Virusbestandteile von außen toxische für Nervenzellen, ohne daß sich das Virus in ihnen vermehren müßte.
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