Für die Entwicklung der Ecstasy- Thematik in der BRD läßt sich ingesamt recht wenig abschließendes oder definitives festlegen. Dennoch gibt es einige Entwicklungslinien und Tendenzen, die genau beobchtet und ausgewertet werden sollten.
Bezüglich der Konsumformen von Ecstasy und anderen "Partydrogen\" ist festzustellen, daß sich das Konsumverhalten stark geändert hat. Waren in den 70er Jahren Haschisch- und LSD- Konsum eine Form des Ausdrucks von Protesthaltung gegen die Gesellschaft, sowie der Versuch sich von eben dieser abzugrenzen, verhält es sich mit Ecstasy anders. Im Gegensatz zu heutigen Heroinkonsumenten finden wir in der Techno-Szene Menschen, die trotz ihres Drogenkonsums keine gesellschaftlichen Außenseiter sind. Im Gegenteil, es handelt sich vielmehr um gesellschaftliche Leistungsträger, die oftmals in verantwortlichen Funktionen tätig sind und die einem relativ großen Leistungsdruck unterworfen sind. Um einerseits dabei bestehen zu können, und andererseits auch mal diesen Ballast abzuwerfen, bedienen sie sich diverser Aufputschmittel und setzen sich einer anderen Form des Leistungsdrucks aus. Dieses Verhalten muß dahingehend geändert werden, daß die Konsumenten lernen, eine gewisse Genußfähigkeit zu erlangen. Nur in
diesem Rahmen ist es möglich, einen verantwortungsvollen Umgang mit Drogen zu betreiben.
Trotz der Verbreitung von Ecstasy über die Grenzen der Techno-Szene hinaus, besteht immer noch eine große Anlaßbezogenheit des Konsums. Viele der Ecstasy-User konsumieren nur, wenn der Rahmen stimmt, also am Wochenende, auf Parties, innerhalb einer Gemeinschaft. Aufgrund der zunehmenden Vermassung der Szene wird der Konsum leider immer vereinsamter. Dem muß durch Betonung der Wichtigkeit enger persönlicher Bindungen und Freundschaften entgegengewirkt werden.
Festzustellen ist weiterhin, daß die konsumierten Mischungen, die teilweise von Dealern, aber auch von den Konsumenten selber, hergestellt werden, immer stärkere Wirkungen entfalten. Dabei werden nicht nur die einzelnen Stoffe immer potenter, sondern diese Stoffe werden dann auch noch miteinander vermischt. Besonders häufig kommt es zu einer Kombination von Halluzinogenen und Aufputschmitteln, z.B., wenn LSD, Speed und Ecstasy zusammen genommen werden. Auch Versuche mit gegensätzlich wirkenden Stoffen, also Betäubungsmittel kombiniert mit Stimulantien werden in den Notfallaufnahmenh der Krankenhäuser immer häufiger registriert. Es ist schon heute dringend notwendig, "Polytoxikomanen\" Hilfsangebote zu entwickeln.
Die klassischen Aufklärungs- und Präventionskampagnen wirken bei den Konsumenten synthetischer Drogen kaum, bzw. gar nicht, weil diese sich in den meisten Fällen nicht als suchtgefährdet ansehen. Die Präventionsarbeit war zudem lange Zeit in den Paradigmen alter, absoluter Abstinenzorientierung gefangen. Dadurch ist sie für junge Leute hochgradig unglaubwürdig geworden. Für junge Menschen gibt es heutzutage wenig Gründe, einer Prävention Glauben zu schenken, die schon immer jede Droge als absolutes Teufelszeug mit größtem Suchtpotential, Giftigkeit und schrecklichsten Folgen an die Wand malte. Wie sollen Jugendliche aber auch dem Hauptslogan der bundesdeutschen Präventionskampagne "Keine Macht den Drogen\" Glauben schenken, wenn dieser bei den Fußballspielen der deutschen Nationalmannschaft direkt neben der Krombacher-Pils Werbung an der Bande zu sehen ist.
Mittlerweile befindet sich ernsthafte Präventionsarbeit in einer gründlichen Umorientierungsphase. Es entstehen neue Ansätze, die zunehmend Gründe und Motivation des Konsums hinterfragen und die sich auch nicht scheuen, die subjektiv als positiv empfundenen Wirkungen einer Droge zu thematisieren. Ein weiters wichtiges Element ist die Abkehr von der suchtmittelspezifischen Prävention, die die illegalen Suchtmittel verteufelt und die legalen außer acht läßt, hin zu einer suchtmittelunspezifischen, die in erster Linie auf das Verhalten der Menschen gerichtet ist.
Die Fragen nach den Ursachen und Motiven für den Drogenkonsum einerseits und das Abgleiten in die Sucht andererseits, werden in Zukunft, entgegen aller anderen aktuellen drogenpolitischen Verdrängungsbemühungen, wieder ernster gestellt und vor allem differenzierter beantwortet werden müssen.
Die Frage, ob mit den Designerdrogen und insbesondere mit Ecstasy eine Drogenwelle mit all ihren negativen Begleiterscheinungen über die Industrienationen und auch über die BRD hinwegzieht, kann leider nicht definitiv beantwortet werden. Dies liegt darin begründet, daß es in Deutschland keine dem niederländischen "Antenne-Projekt\" vergleichbaren Untersuchungen diesbezüglich gibt. Die Bundesregierung sollte in solche Projekte investieren, so daß Daten gewonnen werden können, auf deren Basis gearbeitet werden kann, anstatt das Geld, das für die Prävention zur Verfügung steht, in sinnlosen Projekte zu verpulvern, die nichts erreichen und niemandem etwas bringen.
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