Geschichte
In den dreissiger Jahren begann J. M. Keynes die klassische Theorie zu bekämpfen, da er nicht an die Selbstheilungskräfte der Marktwirtschaft in der Massenarbeitslosigkeit der dreissiger Jahre glaubte. Keynes wollte drei Punkte aufzeigen:
1. Unter bestimmten Bedingungen kann ein Gleichgewicht auf den Gütermärkten mit Arbeitslosigkeit bestehen.
2. Ein marktwirtschaftliches System setzt nicht aus sich heraus Kräfte frei, um Vollbeschäftigung zu erreichen.
3. Solche Instabilitäten können aber durchaus korrigiert werden.
Grundüberlegungen
Der einfache Wirtschaftskreislauf zeigt ein Gleichgewicht zwischen den Einkommen der Haushalte und der Ausgaben der Haushalte. Nach Keynes wird dieses Gleichgewicht aber durch verschiedene gewichtige Zu- und Abflüsse gestört.
Zuflüsse Exporte, Investitionen, Staatskonsum
Abflüsse Sparen, Importe, Steuern
Das Missverhältnis zwischen den Zu- und Abflüssen führt zu folgenden Gleichgewichtsstörungen :
Wenn Zuflüsse > Abflüsse Überschwemmung der Wirtschaft mit Inflation als Folge.
Wenn Zuflüsse < Abflüsse Die Wirtschaft sitzt auf dem Trockenen. Folge = Arbeitslosigkeit.
Daraus folgt, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt.
Keynes zweifelt den Lohn- und den Zinsmechanismus als Selbstheilungsmechanismen der Wirtschaft aus der klassischen Konzeption an. Zudem benennt er das Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung, die Investitionsfalle und die Liquiditätsfalle.
Konsequenzen für die Wirtschaftspolitik
Um eine Vollbeschäftigung zu erreichen, muss die Nachfrage gesteigert werden.
Gesamte Nachfrage = Privater Konsum + Export + Investitionen + Staatskonsum
Wie können die einzelnen Nachfragekomponenten stimuliert werden ?
Der private Konsum ist abhängig von Volkseinkommen. Er bestimmt aber auch die Höhe des Volkseinkommens ( gegenseitige Abhängigkeit). Der Staat kann indirekt auf den privaten Konsum Einfluss nehmen, indem er durch seine Steuerpolitik das verfügbare Einkommen mitbestimmt.
Der Staat kann die Exportwirtschaft z.B. durch steuerliche Entlastung unterstützen. Ein weiteres Mittel ist das künstliche Tiefhalten der eigenen Währung, was jedoch sehr schwer zu verwirklichen ist. Zudem würden sich diese Interventionen auch auf die Geldmenge und die Importe auswirken.
Nach Keynes führen tiefe Zinsen nicht zu einem Aufschwung der Investitionen der Unternehmungen, da für sie die Zukunftserwartungen massgebend sind. Der Staat kann hier durch Zuschüsse oder steuerliche Entlastungen indirekt eingreifen.
Es bleiben also die staatlichen Investitionen und der Staatskonsum. Hier kann der Staat direkt eingreifen.
Keynesianer sehen deshalb in der Ausgabenerhöhungen das geeignetste Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
In Krisenzeiten sollen die Steuern gesenkt werden, da dadurch der private Konsum, die Exporte und die Unternehmerinvestitionen stimuliert werden. In Boomphasen werden die Steuern erhöht und die Staatsausgaben gesenkt, da dadurch das in der Krise entstandene Defizit ausgeglichen werden kann Konjunktursteuerung durch Geldpolitik.
Einwände
Die keynesianische Konzeption erscheint durchaus logisch, ergibt jedoch bei der praktischen Umsetzung einige Probleme:
Time Lags : (Entscheidungs- und Wirkungsverzögerung) Es besteht die Gefahr, dass es sich prozyklisch statt antizyklisch auswirkt.
Rückweg : Einmal gemachte Erleichterungen lassen sich nur schwer wieder zurückfordern.
Finanzierung der Defizite : Dies kann zu einem crowding-out Effekt führen wenn das Defizit nicht durch Anleihen sondern durch die Nationalbank finanziert wird. Somit wird die Geldmenge vergrössert und die Inflationsgefahr steigt.
Theorie der rationalen Erwartung : Staatliche Eingriffe sind wirkungslos, weil die Wirtschaftsteilnehmer sie durchschauen.
Strukturerhaltungsfalle : Staatliche Ankurbelungsprogramme sind mit der Gefahr behaftet, dass sie in ineffiziente Projekte und Branchen gelenkt werden und somit nur ein kurzes Strohfeuer auslösen.
Vergleiche mit der schweizerischen Finanzpolitik
In den letzten Jahren hatte die Schweiz mit erheblichen Budgetdefiziten zu kämpfen. Dabei stellt sich die Frage, ob die schweizerische Finanzpolitik antizyklisch wirkt.
Man neigt in Zeiten der Rezession dazu, die Budgetverschlechterung des Bundes mit seiner die Wirtschaft ankurbelnden Finanzpolitik zu erklären. Diese Annahme ist allerdings falsch, denn
Budgetveränderungen stellen sich im Laufe der Rezession automatisch ein. Dies deshalb, weil in schlechten Zeiten die Steuereinnahmen sinken und die Ausgaben (z.B. Arbeitslosenunterstützung) ansteigen. Folglich kann man anhand des Budgets nicht beurteilen, ob die Finanzpolitik eines Staates restriktiv (bremsend) oder expansiv ist.
Für die Beurteilung der Finanzpolitik eines Staates müssen deshalb die konjunkturellen Gründe für die Schwankung des Budgets eliminiert werden. Dazu wird das BIP geschätzt, wie es bei einer Normalauslastung der Kapazitäten ausgefallen wäre. Der Vergleich mit dem tatsächlichen BIP ergibt die Outputlücke, mit der man die zusätzlichen Aufwände berechnen kann.
Viel wichtiger aber ist der Fiskalimpuls. Dieser ergibt sich aus der Veränderung des strukturellen Saldos in Prozent des BIP. Eine Erhöhung des strukturellen Defizits bedeutet einen positiven Fiskalimpuls, also eine expansive Finanzpolitik.
1993 wurde ein Impulsprogramm gestartet, das den Aufschwung mit zinsgünstigen Darlehen und verschiedenen Zuschüssen initiieren wollte. Vor allem für das Baugewerbe wurden mehrere 100 Mio. Fr. bereitgestellt.
Im Frühjahr 1997 wurde ein Konjunkturprogramm eingeleitet, das 560 Mio. Fr. als Investitionen (vor allem in Nationalstrassen und öffentlichen bauten) und 300 Mio. Fr. als Steuererleichterung für Unternehmen vorsah.
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