Im Mittelalter bezeichnete man unterschiedslos alle tödlichen, epidemieartig auftretenden Krankheiten als Pest (von lat. pestis: ansteckende Krankheit, Seuche, Pest); heute benennt man mit Pest ausschließlich eine schwere, ansteckende Infektionskrankheit bei Nagetieren und Menschen, die von dem kurzen, relativ dicken, gramnegativen Bakterium Yersina pestis hervorgerufen wird. Yersinia pestis, zudem auch Namensgeber für die eigene Gattung Yersinia innerhalb der Familie der Enterobacteriaceae, die neben Yersinia pestis auch die Arten pseudotuberculosis und enterocolitica umfasst, ist ein plumpes, unbewegliches Stäbchen, das die Maße von 1,5 bis 2 x 0,5 bis 0,7 µm und abgerundete Ecken aufweist. Bei einer Färbung mit Anilinfarben nehmen die Enden die Farben intensiver auf, sodaß der Kern bipolar erscheint. Yersinia pestis ist von einer Kapsel umgeben. Anhand biochemischer Untersuchungen ist eine Unterteilung in 3 unterschiedlichen Varianten vorgenommen worden: variatio orientalis, antiqua und mediaevalis. Diese Unterscheidung ist wichtig, da sich so die Infektionsquellen bei einer Epidemie ermitteln lassen können. Die erste Variante ist heute in Indien, Burma, Südchina und Vietnam zu finden. Typ 2 wurde ursprünglich aus Asien nach Westen eingeschleppt und ist heute in Afrika vorherrschend. Die dritte Variante wurde schließlich in Gebieten um das Kaspische Meer gefunden und wird für die Pandemien (Epidemien größeren Ausmaßes) des Mittelalters verantwortlich gemacht. Yersinia pestis weist einen komplizierten antigenen Aufbau auf; bisher konnten 19 verschiedene Antigene isoliert werden. Bakeriologisch kann Yersinia pestis folgendermaßen differenziert werden: durch
das typische mikroskopische Bild nach Färbung
das kulturelle Wachstum
eine Lyse mittels spezifischer Bakteriophagen
eine Agglutinationsreaktion
einen Immunfluoreszenztest
Tierversuche
Ursprünglich ist die Pest eine endemische Krankheit wildlebender Nagetiere (Zoonose) in dünn besiedelten Gebieten Asiens, Afrikas und Amerikas (silvatische Pest). Hier erkranken unter anderem Murmeltiere, Hamster, Erdhörnchen, Springmäuse, Wiesel und Kaninchen. Unter ihnen wird die Pest durch zahlreiche Floharten verbreitet. In deren Vormägen vermehren sie sich und blockieren so den Zugang zum Magen. Bei erneutem Biß wird das angesaugte Blut mit den Pestbakterien vermischt und kommt schließlich, bedingt durch die Blockade, mit der Bißwunde in Berührung. Seltener ist die Übertragung durch Kannibalismus. In diesen dünnbesiedelten Gebieten können Einzelinfektionen beim Menschen durch Kontakt mit toten, infizierten Nagetieren oder durch den Biß infizierter Flöhe hervorgerufen werden. Zu Epidemien unter Menschen kommt es erst, wenn Säuger der freien Wildbahn mit Nagern in Berührung kommen, die in unmittelbarer Nähe des Menschen leben oder diesem folgen. Wird die Seuche auf diese Art von Nagetieren übertragen, spricht man von der sogenannten domestischen Pest. Nun spielt sich das Pestgeschehen in unmittelbarer Nähe des Menschen, zum Teil in seinen Behausungen, ab, wodurch sich die Gefahr des Überwanderns infizierter Flöhe erhöht. Pestnager aus der Umgebung des Menschen sind besonders die Wanderratte (rattus norwegicus) und die Hausratte (rattus rattus). Ist der Mensch erkrankt, so lassen sich zahlreiche Infektketten finden, die zahlreich variieren und miteinander kombiniert werden können (siehe Übertragungsschema). Jeder Pestausbruch weist, abhänig von der Art und Zahl der Erregerreservoire und Überträger, der Kulturstufe und Lebensgewohnheiten des Menschen und schließlich geografischer und klimatischer Besonderheiten, sein eigenes epidemiologisches Gepräge, seine Pestformel, auf. Der Erreger bleibt in Nagerhöhlen oder Auswurf, Kot und Eiter (auch eingetrocknet) über mehrere Monate hinweg infektionsfähig.
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