Es ist häufig notwendig das Füll- und Formbildungsverhalten von einem Formteil zu kennen ohne vorher das Werkzeug gebaut zu haben. Untersuchungen dieser Art werden unter dem Oberbegriff "Rheologische Auslegung" zusammengefaßt.
Dabei unterscheidet man die qualitative und die quantitative Analyse.
Qualitative Analyse:
. günstigste Art und Positionierung der Anschnitte
. die Füllbarkeit einzelner Fließabschnitte
. die Lage von Bindenähten
. die Lage möglicher Lufteinschlüsse
. die Hauptorientierungsrichtung
Quantitative Analyse:
. Drücke
. Temperaturen
. Schergeschwindigkeiten
. Schubspannungen usw.
Mit Hilfe dieser Berechnungen können
. Formteileigenschaften
. Bindenahtfestigkeiten
. Oberflächenqualität
. Materialschädigung
. Material- und Maschinenauswahl
. günstiger Verarbeitungsbereich usw.
abgeschätzt werden.
1.1 Computersimulierter Füllvorgang
Grundlage ist die Simulation des Füllvorganges mit dem Computer. Das sogenannte Füllbild zeigt z. B. in dreidimensionaler (3D-) Darstellung des Spritzgußteils das Fortschreiten der Fließfront in vorgegebenen Zeitabständen (Isochronen), nachdem man zuvor den Ort des Anschnitts (bei Mehrfachangüssen mehrere Anschnitte) und den Durchsatz beim Füllvorgang, wie er heute meisten über die Vorlaufgeschwindigkeit der Schecke eingestellt wird, festgelegt hat. In die zum Füllbild führenden Computerrechnung gehen ferner die rheologischen und thermodynamischen Daten der Spritzgießmasse, sowie die gewählte Massetemperatur im Anschnitt und die Werkzeugtemperatur ein. Für Abruf der Stoffdaten stehen meistens Datenbanken zur Verfügung.
Abbildung 10: Computer- Simulation des Füllvorganges mit Moldflow
Das Füllbild liefert Voraussagen über die Entstehung und den Ort von Lufteinschlüssen (Gefahr von Brandstellen durch Dieseleffekt) sowie von Binde- und Fließnähten (mechanische Schwachstellen im Spritzgußteil). Durch das Verlagern der Anschnittstelle, der Anschnittart und gegebenenfalls auch durch Ändern der vorgegebenen Durchsätze kann man das Füllbild nach folgend aufgeführte Gesichtspunkte optimieren:
1. Vermeidung von Lufteinschlüssen
2. Verlegung von Binde- und Fließnähten in Bereiche, die von der mechanischen Beanspruchung her unkritisch sind
3. Alle Fließwege im Formnest sollen gleichzeitig ihr Ende erreichen
4. Entlang der Fließwege ist ein konstanter Druckgradient anzustreben
5. Kritische Werte der Schergeschwindigkeit (Schubspannung) und der Massetemperatur dürfen nicht überschritten werden
6. Die Verteilung der Massetemperatur im Formnest soll eine möglichst gleichmäßige Abkühlung gewährleisten
Forderung 3, 4 und 6 sind Voraussetzung für verzugsarme Spritzgußteile.
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