Röntgenstrahlung kann über unterschiedliche Mechanismen bei der Wechselwirkung mit Materie abgelenkt werden. Die daraus resultierende (sich ergebende) Streuung der Strahlen hängt von der Art und Weise ab, wie die Röntgenquanten (siehe Quantentheorie) mit den Elektronen der Atome wechselwirken:
5.1
Rayleigh-Streuung
Die Rayleigh-Streuung tritt auf, wenn die Wellenlänge der Röntgenstrahlen sich nach der Wechselwirkung mit den Atomen (bzw. den inneren Elektronen) nicht ändert. Mit anderen Worten ausgedrückt, ändert sich die Energie der Röntgenquanten (oder Photonen) nicht, und die Atome gehen nicht in einen angeregten Zustand über und werden auch nicht ionisiert (siehe Ion). Diese Streuung wurde nach dem britischen Physiker Lord Rayleigh benannt, wird aber in manchen Fällen auch als klassische Streuung bezeichnet.
5.2
Compton-Streuung
Bei der Compton-Streuung - benannt nach dem amerikanischen Physiker Arthur Holly Compton - geht ein Teil der Energie des Röntgenquants auf das frei werdende Elektron über. Bei dem Zusammenstoß zwischen dem Röntgenquant und dem Elektron werden beide Teilchen unter einem bestimmten Winkel zur Einfallsrichtung des Quants abgelenkt. Das einfallende Photon überträgt einen Teil seiner Energie auf das Elektron und geht folglich mit einer größeren Wellenlänge aus dieser Stoßbegegnung heraus. Diesen Effekt, nämlich die Vergrößerung der Wellenlänge eines Photons durch die Streuung an Elektronen, bezeichnet man in der Physik auch als Compton-Effekt. Mit Hilfe der Compton-Streuung war es erstmals möglich, die Gültigkeit des Energie- und Impulserhaltungssatzes für Elementarvorgänge experimentell zu belegen. Die Compton-Streuung tritt auch bei der Streuung von Photonen an anderen geladenen Teilchen wie z. B. Protonen oder p-Mesonen auf.
5.3
Photoeffekt und Paarbildung
Bei der Wellenlängenänderung von Röntgenstrahlen durch Wechselwirkung mit Materie können zusätzlich Photoeffekte und die so genannte Paarbildung den Betrag der Änderung mit beeinflussen. Von einem Photoeffekt spricht man im Allgemeinen dann, wenn der Platz des herausgeschlagenen Elektrons aus der inneren Schale durch ein anderes Elektron aus der äußeren Schale besetzt wird, wobei durch diesen Prozess eine charakteristische Röntgenstrahlung (s. o. charakteristische Strahlung) ausgesendet wird.
Die Paarbildung (auch Paarbildungseffekt) kann ebenfalls bei der Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlung und Materie entstehen. Bei diesem Phänomen bildet sich durch den Zusammenstoß des Photons mit einem geladenen Teilchen ein Elektron und dessen Antiteilchen, ein Positron. Der Paarbildungseffekt ist ein Beispiel für die Umwandlung reiner Energie in Materie mit endlicher Masse. Um allein für die Masse des Elektron-Positron-Paares aufzukommen, muss das Photon eine Mindestenergie von 1,22 Megaelektronevolt haben; trägt es mehr Energie, als es für die Paarbildung benötigt, geht seine Restenergie als kinetische Energie zu gleichen Teilen an das erzeugte Teilchenpaar über, wobei die Teilchen sich voneinander entfernen. Natürlich existieren Elektron und Positron nicht lange nebeneinander. Sie bilden ein so genanntes Positronium, das instabil ist und zerfällt. Bei diesem Zerfall wird eine zusätzliche Streustrahlung frei.
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