Denke dir nun auch folgendes, fuhr ich fort: Wenn so ein Mensch wieder hinunterstiege und sich an seinen alten Platz setzte, dann bekäme er doch seine Augen voll Fin¬sternis, wenn er so plötzlich aus der Sonne käme? - Ja, gewiß, erwiderte er.
Wenn er dann aber wieder versuchen müßte, im Wett¬streit mit denen, die immer dort gefesselt wa¬ren, jene Schatten zu beurteilen, während seine Augen noch ge¬blendet sind und sich noch nicht wieder umgestellt haben (und diese Zeit der Umgewöh¬nung dürfte ziemlich lange dauern), so würde man ihn gewiß auslachen und von ihm sagen, er komme von sei¬nem Aufstieg mit verdorbenen Augen zurück und es lohne sich nicht, auch nur ver¬suchsweise dort hinaufzu¬gehen. Wer aber Hand anlegte, um sie zu befreien und hinaufzuführen, den würden sie wohl umbringen, wenn sie nur seiner habhaft werden und ihn töten könnten. - Ja, gewiß, sagte er.
Dieses ganze Gleichnis, mein lieber Glaukon, fuhr ich fort, mußt du nun an das anknüpfen, was wir vorhin be¬sprochen haben. Die durch das Gesicht uns erscheinende Region setze dem Wohnen im Gefängnis und das Licht des Feuers in ihr der Kraft der Sonne gleich. Und wenn du nun den Aufstieg und die Betrachtung der Dinge dort oben für den Aufstieg der Seele in den Raum des Einseh¬baren nimmst, so wirst du meine Ahnung nicht verfehlen, die du doch zu hören wünschest. Gott aber mag wissen, ob sie richtig ist.
Meine Ansicht darüber geht jedenfalls dahin, daß un¬ter dem Erkennbaren als letztes und nur mit Mühe die Idee des Guten gesehen wird; hat man sie aber gesehen, so muß man die Überlegung anstellen, daß sie für alles die Urheberin alles Richtigen und Schönen ist. Denn im Sichtbaren bringt sie das Licht und seinen Herrn hervor; im Einsehbaren aber verleiht sie selbst als Herrin Wahr¬heit und Einsicht. Sie muß man erblickt haben, wenn man für sich oder im öffentlichen Leben vernünftig handeln will. - Ich bin derselben Ansicht, sagte er, soweit ich zu folgen vermag!«
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