Die einfachste (aber auch naive) Definition ist: "Die Mathematik ist die Wissenschaft von Quantität und Raum", also die Mathematik handle in ihrem geometrischen Teil von den geometrischen Figuren und im übrigen von den Eigenschaften der Zahlen. Diese "klassische" Definition steht neben einer Unzahl von anderen, von denen uns noch einige in späteren Abschnitten begegnen. Unsere Verlegenheit vor dieser Frage steckt schlichtweg in der Vielzahl unterschiedlichster Definitionsversuche. Der Wechsel der Definitionen ist kein Ergebnis irgendwelcher Willkür, sondern hat seinen realen Grund im Wandel dessen, was von den Mathematikern jeweils betrieben wurde. Wir finden Mathematik historisch nicht nur mit verschiedenen Inhalten von verschiedener Tiefe vor, sondern auch mit sehr unterschiedlicher Gestalt/Struktur, betrieben in sehr unterschiedlichem Stil. Nur so viel: die Frage was Mathematik sei lässt sich in die Themen "Gegenstand der Mathematik" und "Tätigkeit des Mathematikers" aufteilen. Während manche die Tätigkeit überbewerten (formalistisch), legen andere das Hauptgewicht auf die Gegenstände (platonistisch). Wir werden beide Standpunkte im folgenden immer wieder in einer geradezu ideologischen Entgegensetzung vorfinden. Einige neuere Richtungen leugnen dagegen das es einen Gegenstand der Mathematik überhaupt gibt (Empirismus, Logizismus); auch dazu später mehr.
Eine modernere Antwort, die verschiedene Standpunkte vereinigt, ist die Auffassung der Mathematik als Wissenschaft der kalkülbezogenen Handlungen, wobei zur Tätigkeit des Mathematikers gehört Kalkülregeln gemäß zu verfahren (und Kalkülregeln sind die Regeln zum Anschreiben von Ziffern genauso wie die des Differentialkalküls), als auch auf Kalkülregeln, ihre Ergebnisse, Voraussetzungen und Beziehungen untereinander zu reflektieren. Kalkül bedeutet: Methode zur systematischen Lösung bestimmter Probleme.
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