Woman I entstand in der PHase, in der de Kooning auf der Höhe seiner künstlerischen Vitalität stand. Abstrakte Kompositionen der gleichen Zeit zeigen die rein malerischen Intentionen des Künstlers: Kunst als mit Energie und Körperbewegung verbundene Aktion. Gearbeitet wird im Zustand einer äußeren Leere und inneren Konzentration, die nur auf den Akt der Kreativität gerichtet sind. Das ERgebnis ist nicht vorprogrammiert, sondern völlig offen und konstituiert sich mit dem Ende des Malaktes.
In die heftige, spannungsgeladene Flächenkomposition des Bildes in seinen aggresiven Farben ist hinterhältig das Bild einer Frau integriert. Die Gestalt ist monströs hässlich, ein Zerrbild von Frau. Sie ist nicht Venus, Idol und Idealfigur, Fruchtbarkeitsgöttin- Interpretationsversuche, die nicht sehr überzeugend an ihr erprobt wurden. Sie ist die heruntergekommene, die entartete Frau. Von der Gesellschaft ihres eigentlichen Wesens, ihrer besseren Eigenschaften und Fähigkeiten beraubt, bleibt sie reduziert auf übersteigerte körperliche Reizpartien - große Augen, blitzende Zähne, eine übergroße Brust, Schenkel.
Über 10 Jahre lang beschäftigte ihn das Thema Frau, und bei jeder Interpretation, die er in Angriff nahm, entstand eine neue Version einer Karikatur, eine Travestie dessen, was durch Medien und Klischees als Idee von Weiblichkeit hochstilisiert wurde. De koonings Bilder zeigen schreiend, was fehlt: Seele und Menschlichkeit. Dabei bedient er sich einer schockierenden Antiästhetik, um die alarmierenden Hintergründe dieser Erscheinung zu entlarven - eines Stilmittels, das Jahrzehnte später von den \"Neuen Wilden\" wieder aufgegriffen wird.
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