Als Spätgotik wird die Periode um 1500 bezeichnet, in der es zu einem Umbruch zur Renaissance kam. Die Gesellschaft jener Zeit war geprägt von einer Gratwanderung zwischen Religiosität und Wissensdrang, einer kirchlich bestimmten Zurückhaltung und dem Drang, Neues zu entdecken.
Ein Vorreiter dieses Denkens war Tilman Riemenschneider. Er begründete eine vollkommen neuen Stil, indem er farblose Figuren auf farblosen Hintergrund stellte, um alleine seine Holzschnitzerkunst wirken zu lassen. Details wie Augen, Lippen und Falten kolorierte er auf sanfte Art und Weise, anstatt sie wie bis dahin in kräftigen Farben auszuarbeiten. Als entscheidenden Schritt trug er am Ende eine farblose Lasur auf, die Unterschiede im Holz kaschierte und es konservierte. Man nennt den dadurch erreichten Effekt \"monochrome Fassung\". Durch den reflektierten Lichtschein (unbehandeltes Holz schluckt das Licht) strahlten die Figuren wie aus dem Inneren und wirkten überirdisch.
Im Gegensatz zur Gotik, die jeder Figur einen festen Platz im kirchlichen Weltbild zuwies, wurden in der Spätgotik auch weltliche, unwürdige Dinge dargestellt.
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